Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
Sonntag, 12. März 2006
Herr Paulsen geht aus: Welcome to Jamrock. Das Konzert.
herr paulsen
11:59h
Sohn eines Vaters zu sein ist schwer. Kenn ich. Abnabeln, eigene Wege finden, den Alten lieben lernen, es ist ein Kreuz. Wenn aber der Vater Bob Marley oder John Lennon heißt, dann wird es ganz hart. Die Lennonsöhne sind allesamt daran zerbrochen dem allmächtigen Schatten des toten Vaters zu entfliehen. In Jamaica aber steht die Sonne höher und Damian, David (Ziggy), Julian, Stephen und Ky-Mani, fünf von zwölf offiziell bestätigten Kinder Bob Marleys ( insgesamt behaupten derzeit 46 Menschen Kinder von Bob Marley zu sein) tragen mehr oder weniger erfolgreich das musikalische Erbe des Vaters zu neuen Ufern.
Meilen entfernt von allen aktuellen, musikalischen Strömungen des Reggae, hat Damian Marley seinen eigenen Stil gefunden und ein zu Recht als „Reggae Album of the year“ gefeiertes Werk abgeliefert. Meterhoch liegt der Schnee auf der Reeperbahn, drinnen im Docks frieren die Musiker, Damian Marleys Band, in dicke Schneejacken gehüllt, bauen ihre Instrumente selbst auf, ruhig und bescheiden, kein großer Auftritt, ein bisschen Tonprobe, dann wird das Licht gedämpft und los geht es mit einer Instrumentalversion von „Jammin´“. Ich bin überrascht, gleich am Anfang dem Vater zu huldigen, damit hatte ich nicht gerechnet, aber eine kollektive Gänsehaut und der textsichere Publikums-Chor rechtfertigen alles. Ein beängstigend großer Dread mit Furcht erregenden Katzenaugen-Kontaktlinsen schwenkt eine große, jamaikanische Flagge mit dem Lion of Judah über den Köpfen der Band. Das wird er während des gesamten Konzertes tun, ernsthaft, ausdauernd und mit Hingabe. Erstmals entsteht der Eindruck, der sich später festigen sollte, das hier ist kein Konzert, das ist ein Gottesdienst.
Welcome to the church of Marley, Damian Marley betritt die Bühne, ein magerer, schlaksiger Typ, seine Dreadlocks reichen bis zu den Oberschenkeln, er trägt ein weißes Hemd, darüber eine lange schwarze Robe, tosender Applaus und ich denke, Mensch Damian, ich sollte mal was Ordentliches für dich kochen. Damian Marley, der Sohn von Bob Marley und Cindy Breakspear, Miss World 1976 und Marley-Gespielin während seines Londoner Exils, begrüßt das Publikum freundlich, nahtlos flutschen wir in die erste Nummer "Confrontation". Das großartige „We´re gonna make it“ erklingt und ich bekomme schon wieder eine Gänsehaut. Reggae ist definitiv Live-Musik. Dicke Basswellen kitzeln Fußsohlen und Zwerchfell, kraftvoll die staubtrockene Rhythmusgitarre. Irie! Die „Background“ -Sängerinnen stehen genau neben Damian Marley, zwei rundliche Göttinnen, supersexy in wirklich sehr engen Jeans und knappen T-Shirts und die beiden können singen, mein Gott, die I-Threes sind zurück und singen zu zweit für Drei. Es ist unglaublich, die ganze Band, meisterhaft, glasklar, auf den Punkt. Dancehallzeit! „Hey Girl“ erklingt, catchy Drumloop, das Publikum explodiert augenblicklich, aber nix da, Damian Marley, der raffinierte Hund, würgt mit einer kurzen Handbewegung die gesamte Band ab. Totenstille, dann setzen die Drums wieder ein und jetzt explodiert das Publikum wirklich. Das kurze Anspielen einer Platte gefolgt von sofortigem Abwürgen ist ein gängiger Trick auf Dancehalls um die Massive weich zu kochen. Live habe ich das noch nie erlebt. Es funktioniert seeehr gut. Irgendwann der Moment auf den ich sehnsüchtig gewartet habe. „Move!“ , auf dem Album der einzige klare Verweis auf den Vater, ist ein hartes Stück Sprechgesang unterlegt mit einem „Exodus“-Loop, der unvermittelt abbricht und dann singt Bob Marley himself den Refrain. Dafür hat der begnadetet Damian Marley, der die Platte auch größtenteils selbst produzierte, aber nicht auf die Originalbänder zurückgegriffen, sondern sich eines Samples von der 1997 erschienenen Platte „Dreams of Freedom (Ambient Translations of Bob Marley in Dub)“ bedient. Bill Laswell und Chris Blackwell haben damals mit Erlaubnis des Marley-Clans 11 Songs von Bob Marley ver-dubt und meiner Ansicht nach einen Meilenstein der Dub-Geschichte abgeliefert. Durch die Verwendung dieses Materials klingt „Move!“ extrem frisch und modern. Doch live ist live und die Übersetzung des Songs gelingt hier durch die perfekte Kopie von Exodus. Und erst da wird mir schlagartig klar, was es mit den uralten Gitarren und dem altmodischen Zweit-Keyboard auf sich hat. Die Band spielt auf Original-Instrumenten aus dieser Zeit, der unnachahmliche Marley Sound ist perfekt. Selbst die wenigen, leicht klebrig R&B angehauchten Nummern des Albums klingen live erdig und warm. Plötzlich wird mir klar, ich befinde mich auf dem bislang besten Reggae-Konzert meines Lebens und grundsätzlich auf einem der besten Konzerte der letzten Jahre (und ich bin da fleissig). Irgendwann schenkt uns Damian Marley eine umwerfende Version von „Could you be loved“. Bewundernswert wie Damian Marley es schafft, sein eigenes großes Werk vorzustellen und ganz selbstverständlich an seine Wurzeln erinnert. Weil das zusammen gehört, weil das eine ohne das andere nicht wäre und Leugnen zwecklos. Das Publikum liebt beide, Vater und Sohn. Der Saal ist beseelt, ganz hinten auf der Bühne bewegt sich für einen Moment der Vorhang. Bob Marley lugt hervor, lächelt, winkt kurz und ist schon wieder verschwunden auf der „Road to Zion“, ein Lichtermeer aus Feuerzeugen weist den Weg. ......................................ritsch. Links zum Thema: Damian Marley: Bob Marley: ... Link |
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