Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Freitag, 24. März 2006
Geräucherte Literaten.


Verstockte Raucher (Foto: Eliane Rutishauser)

Die Diskriminierung der Raucher ist fortschreitend, dabei haben wir es wirklich schon schwer genug. Wir sterben eventuell noch früher als vom Herrgott vorgesehen, wir stinken, werden schnell unruhig und geben unmengen Kohle für unsere Sucht aus. Ja, wir sind süchtig, wir sind krank. Außerdem sind wir oft Rücksichtslos gegenüber Nichtrauchern, die wir hier und da Zwingen unsere Abgase mit einzuatmen.

Ich bin sogar hochgradig süchtig, ich bin aber auch Mitveranstalter einer Lesereihe. Und in letzterer Funktion erreichte mich gestern ein Anruf von unseren Vermietern, die uns die wunderschönen Räume für KAFFEE.SATZ.LESEN zur Verfügung stellen. Ja, es sei also so, sie hätten „mehrere“ Beschwerde-Mails bezüglich der Nikotin geschwängerten Luft bei KSL erhalten, einige Menschen drohten darin gar, KSL in Zukunft fern zu bleiben.

Abgesehen davon, dass ich in den DREI Jahren unseres Bestehens noch niemals Beschwerden in diese Richtung gehört hatte, wunderte ich mich auch schon ein bisschen, dass die Mails nicht an die leicht zu findende Adresse der Veranstalter, sondern an die schwer zu ermittelnde Mailadresse der Vermieter gingen. Egal, ich rief den Kollegen Svensson an, ein toleranter Mensch, der gerne Lesereihen veranstaltet und der a.) auch noch nie eine Beschwerde in diese Richtung gehört hatte und b.) überhaupt sehr tolerant ist und darum sagte, ihm sei es wurscht. Die Liebste, die oft an der Kasse sitzt, bestätigte aber, dass sich pro Lesung 1-2 Personen über den Rauch beschweren, boah, die Qualmen schon wieder, boah, wie das stinkt.

1-2 Personen von durchschnittlich 150 Besuchern pro Lesung. Doch was ist mit den Schweigern, wie viele Toleranzler gibt es und wieviele Raucher stehen dem entgegen? Seufz.

Svensson und ich haben KSL so gestaltet, wie es uns gefällt. Für mich als Raucher war immer klar, und das wurde nie diskutiert, dass bei KSL geraucht werden darf. Vor der Lesung, in der Pause und nach der Lesung. Ich habe KSL auch nie als rauchfreie Hochkultur-Messe betrachtet, sondern immer als Club-Literatur-Veranstaltung, na klar wird da geraucht, die meisten Autoren rauchen, große Teile des Publikums ebenfalls. Jetzt nach dreijährigem Bestehen gibt es plötzlich ein Problem. In den letzten Monaten sind die Zuschauerzahlen explodiert, damit haben sich auch die Rauchschwaden ausgeweitet und weil grad Winter war, konnte auch nicht so viel gelüftet werden. Da kommt einiges Zusammen.

Ich muss jetzt reagieren. Sonntag spreche ich vor der Lesung mit den Vermietern. Und da gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Die erste Lösung wäre, ich stelle mich hin, sage, das hier ist KSL, hier wird geraucht, es gibt fünf Autoren für unglaublich günstige fünf Euro Eintritt, günstig frisch gebackenen Kuchen und Getränke und wem das Rauchen nicht passt, der muss ins rauchfrei Schauspielhaus gehen. Wir müssen sowieso schon Publikum nachhause schicken, weil es immer so voll ist, da haben die Raucher bei uns einfach mal Glück. KSL bleibt eine Enklave des Rauchgenusses, vorschriftenfreie Club-Literatur. In jeder Bar, in den meisten Restaurants, auf Rockkonzerten wird auch geraucht, KSL gehört dazu. Rauchverbot, ohne uns. Jetzt wird es Frühling, wir lüften einfach öfter und verzichten auf militante Nichtraucher, die uns auch in anderen Bereichen zunehmend das Leben schwer machen. It´s my party and I smoke if I want to.

Zweite Lösung: es wird nur noch in der Kantine geraucht. Ich stelle mir vor, wie 80 Raucher geballt das Kuchenbüffet vollquarzen, kein Durchkommen mehr, der Rauch zieht trotzdem in den Saal. Riesen Gequengel von beiden Seiten, im pifigen Raucherzimmer für Erwachsene.

Dritte Lösung: KSL wird rauchfrei. Mein persönlicher Albtraum. Ich rauche vor der Moderation heimlich in der Toilette, weil ich es ohne nicht schaffen werde. Nervöse Autoren kämpfen mit Entzugserscheinungen. In der Pause verlassen große Teile des Publikums den Saal um vor der Tür zu rauchen. Entspannte Gespräche? Kommunikative Begegnungen? Vorbei. Nach der Lesung gehen alle noch schneller Nachhause. Die schlimmste Befürchtung die ich aber bei diesem Modell habe, ist der Umstand, dass jemand das Rauchverbot auch durchsetzen muss. Und das werde definitiv nicht ich sein!!! Spießige Rauchverbotsschilder an die Wände hängen und erwachsene Leute anquatschen: „du, äh, ne du, ich bin der Paulsen, du ich find das nich gut, das du hier rauchst, weißt du, da machst du auch andere Leute krank mit und bei uns ist Rauchen auch voll verboten."
Das könnt ihr vergessen. Das mach ich nicht. Es findet sich aber sicher jemand der das macht. Dann muss ich mich „nur noch“ fremdschämen. KSL goes Schrebergarten-Blockwart-Mentalität.

Ich muss jetzt reagieren. Wie würden sie entscheiden, als Raucher, als Nichtraucher, als Veranstalter?

... Link