Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Montag, 16. Januar 2006
Mein kurzer Abend mit Jamie Oliver

Mein Beruf hat mich gänzlich im Griff. Auch Nachts koche ich wie ein Weltmeister, ich träume tatsächlich von der Zubereitung „neuer“ und „nie da gewesener“ Gerichte. Ich habe das Wiener Schnitzel erfunden, den Italienern Tirami Su beigebracht und, ach ja, Sushi war auch meine Idee. Unter der Dusche folgt die Ernüchterung. Immer wieder kehrend ist auch ein Traum in dem ich nach all den Jahren meinen Dienst in der Küche von Monsieur wieder antrete. Eine freudige Begeisterung erfasst mich, auch Monsieur ist glücklich mich wieder im Team zu haben. Ich bin sehr selbstbewußt in diesem Traum, schwungvoll werfe ich meinen Messerkoffer auf den Posten und mache mich an die Arbeit. Gleich kommen die Gäste, ich fange an alles vorzubereiten. Mit Monsieur gehe ich zuvor die Karte durch, mache Verbesserungsvorschläge, preise meine eigenen Kreationen an. Monsieur ist total begeistert und nickt zustimmend. Dann beginnen die Probleme. Egal welches Gericht ich zubereite, irgendwann stellt sich immer heraus, dass ein entscheidendes Produkt, wahlweise nicht vorhanden, bzw. total vergammelt ist. In jedem Fall ist das immer meine Schuld. Ich schwitze, versuche ganz kreativ auf die schnelle etwas anderes zu kochen, aber dann, siehe oben. Die ersten Bestellungen gehen ein, die Gäste warten, ich bekomme Panik, Monsieur sieht mich enttäuscht an. Ich konzentriere mich stark, löse mich in Luft auf, die Küche verliert an Konturen, alles verschwimmt, wird blass, dankbar wache ich auf. Manchmal erlöst mich auch das Klingeln des Weckers.

Ganz anders, wenn Wunschträume in Erfüllung gehen. Am vergangenen Wochenende war Jamie Oliver in Hamburg um den Start seiner neuen TV-Show auf RTLII bei einer Pressekonferenz anzukündigen. Da bin ich natürlich hin, ich habe noch einen gültigen Presseausweis. Später kam ich mit Jamie ins Gespräch, erzählte von meiner Kochlaufbahn, er kannte sogar einige der Küchenchefs unter denen ich gearbeitet hatte. Wir waren uns sympathisch, ich erfuhr, dass er erst Montag zurück fliegen würde und Sonntagabend noch nichts vorhabe. Manchmal mache ich einfach alles richtig. Ich lud Jamie zum gemeinsamen Kochen ein. Und er sagte zu! Sie können sich meine Überraschung nicht vorstellen, als er gestern Abend tatsächlich auf der Matte stand! Anfangs war es ein bisschen zäh, ich habe großen Respekt vor Jamie und war etwas schüchtern. Er erklärte mir aber er möge "private cooking" und schätze es sehr neue "normal people" kenne zu lernen. Er küsste die Liebste auf den Mund was mich kurz befremdete, aber, na ja, der Mann hat Geschmack. Ich öffnete in der Küche eine Flasche Wein, Jamie signierte im Wohnzimmer lachend seine Kochbücher und DVDs.

Jamie war beeindruckt von meinen Einkäufen, ich war Samstag gleich nach der Pressekonferenz noch in die Innenstadt gefahren, die Köstlichkeiten türmten sich in meiner Küche. „Thats a hell of a lot of food, Paulsen, what do you think, we should do with all that stuff?“. „You tell me, Jamie!“, rief ich, Jamie nahm lächelnd ein großes Stück Kobe-Beef in die Hand, da klingelte die Eieruhr. Ich besitze gar keine Eieruhr.

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