Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Mittwoch, 8. Februar 2006
Spanschutzscheissdrecktourette.

Es nervt! Gerade wollte ich unter einem, von mir für Mindestenshaltbar.net geschriebenen Artikel, die Comments beantworten. Geht nicht. Spamschutz. Also brav erstmal alle Daten eingeben, Name, E-Mail, Url und dann irgendein verzerrtes Wort in ein Kästchen eintragen und losschicken. Nix passiert. Nach zahlreichen Versuchen ist mir dann beim tourette-artigen rumhauen auf der Tastatur auch noch mein zweiseitiger Comment abhanden gekommen. Also es tut mir leid, auf Antwort von mir ist zumindest dort nicht zu rechnen.

Aber das ist ja nicht allein ein Problem der mindestenshaltbar-Seite, zahlreiche Blogs im Netz haben diesen so genannten Spamschutz mit Zahlen oder Worteingaben zur Freischaltung. Dieses Mistsystem unterdrücken jegliche Spontanität bei den Comments, zumindest ich versuche das zweimal, dann lass ich es. Fehlermeldungen? Fehlanzeige, es passiert einfach nichts.

Bei einigen Seiten funktioniert es ja, aber jedes Mal erst nach Eingabe sämtlicher Daten, das ist mir doch zu mühsam. Sehr wenige Seiten merken sich wenigstens cookiemäßig die Daten, dann geht das ja noch mit der Wort- oder Zahleneingabe. Aber sonst? Beim Blog meines Bruders muss ich jeden Comment zweimal versenden, damit er einmal erscheint. Da muss man erstmal drauf kommen! In viele Spam geschützten Blogs komme ich überhaupt nicht an die Comments.

Das frrrrrustrierenste dabei ist aber: andere können es doch auch, also Comments ganz einfach in derart geschützte Blogs posten. Ist das jetzt wieder ein Mac-Problem, welches mit dem PC ganz einfach zu meistern wäre? Übersehe ich was? Oder bin ich einfach zu doof, oder muss ich in jeder Blog-Community dieser Welt Mitglied werden um in den diversen Blogs auch mal was zu sagen?

Und warum überhaupt haben eigentlich einige Blogs diesen Kommunikationsverhinderer (Angst vor Spam?) und andere Blogs ermöglichen (scheinbar angstfrei) den einfachen Zugang über einmalige Anmeldung? Eine Frage der Nervenstärke? Ich meine, wer endlos brunzdumm in Blogs blöken will, der ist doch auch bescheuert genug sich mehrfach anzumelden und lustig verzerrte Buchstabenfolgen einzutippen. Ich versteh es nicht. Schnelle Kommunikation, der einfache, unbürokratische Austausch von Meinungen, darum geht es doch, dachte ich! Arrrggghhh.

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Montag, 6. Februar 2006
Herr Paulsen geht aus: In fremden Rudeln

Die Liebste hat eine Einladung erhalten und ich darf als Begleitung mit. Frauen: sexy. Männer: korrekt. So steht es auf der Einladungskarte und es gibt Männer, die können sich aus diesen zwei Sätzen eine Weltanschauung zimmern. Ein erster Hinweis auf das sich ankündende Abendvergnügen? Ich bin zumindest erstmal ratlos. Korrekt? Die Liebste sagt: „Anzug, Hemd, Krawatte.“ Ich trage eigentlich nur Anzüge, die Liebste sagt: „Den guten Anzug.“, ich kucke ein bisschen beleidigt und sie fügt hinzu: „den sehr sehr guten Anzug.“
Ich befolge die Order, finde dann aber, dass ich aussehe wie ein BWL-Student und schlage vor, den sehr, sehr guten Anzug mit meinem schwarzen Motorhead-T-Shirt zu kombinieren, so als Stilbruch. Da lacht die Liebste, sagt: „Ich warne Dich, die sehen da alle so aus, aber mach das ruhig, bin wenigstens ich nicht mit so einem Schnösel unterwegs.“ Spätestens hier hätte ich gewarnt sein müssen. Ich rufe ein Taxi.

Die „Location“ ist angefüllt mit dichtem, beißendem Rauch. Um die vierzig Alpha-Männchen rauchen babyarmdicke Zigarren, als ginge es um ihr Leben. Männer in Smokings, in bis zum Bauchnabel aufgerissenen, weißen Hemden, streng gescheitelte, gewachste Frisuren, in den Achtzigern hätte man Yuppies gesagt. Es ist sehr laut, die Alpha-Männchen brüllen beim Rauchen, stolzieren mit steifen Nacken zwischen Büffet und Wein-Bar auf und ab, rütteln an Gürtelschnallen, sitzen breitbeinig am Tisch und hauen sich bei jeder Begegnung herzhaft auf die Schultern, rütteln sich gegenseitig die Nackenmuskulatur locker und brüllen sich dabei mit funkelnden Augen unentwegt ihre Namen zu. Vorsichtig schleiche ich zum Futterplatz, erhasche ein Schälchen Pot au Feu, welches ein stadtbekannter Gastronom angerührt hat, nehme mir einen Wein und esse erstmal, Essen beruhigt.

Von hinten schleicht sich ein Primat an die Liebste, bebrüllt sie mit ihrem Namen, wendet sich dann zu mir und röhrt: „Geiles T-Shirt, Mann!“, reißt am Sakko, öffnet erst die Linke Seite, blättert dann die Rechte auf, nickt anerkennend, brüllt „ja, geil“ und entschwindet. Ich brauche eine Sekunde, dann bemerke ich, er hat gar nicht auf mein T-Shirt gekuckt. „Ja,“ bestätigt die Liebste, „der hat nachgesehen, von wem dein Anzug ist.“.

Grimassierend fällt das Rudel über die Weine her, sie stürzen die edlen Tropfen herunter wie Apfelsaftschorle nach dem Sport, bemerken auch nicht, dass die aktuelle Flasche korkt. Der gereichte Käse wird in großen Batzen unentrindet eingeatmet (Die Rinde hab ich bezahlt, die esse ich auch mit ). Die stark geschminkten Weibchen sitzen unbeteiligt dazwischen, einige haben sich zu Gesprächskreisen zusammen gefunden und lachen laut und unbemerkt. Einige dürfen an der Zigarre ihres Partners mitrauchen, mit zusammen gekniffenen Augen jonglieren sie die qualmenden Äste in zarten Händen, der Rauch brennt stark in den Augen.

Über allem dröhnt ohrenbetäubend eine Mischung aus Deutschen Schlagern, alten Swingnummern und Diskokrachern. Die Alpha-Männchen erinnern sich jetzt ihrer Frauen und der Sakko-Spion von vorhin macht den Anfang. Er zieht ein blondes Weibchen mit rot geschminktem Mund vom Tisch weg, im Gang muss sie sich bücken und er peitscht sie mit einer Pfauenfeder aus. „Oh, uh, ah“, ruft sie und kreist den geschundenen Hintern, die Alpha-Männchen klatschen begeistert in die Pranken, genetische Programme laufen auf Hochtouren. Es folgt das sexuelle Werben durch Tanz.

Tanzen können die Alpha-Männchen! Die Weibchen werden in rasender Geschwindigkeit herum gewirbelt, immer wieder krachende Zusammenstöße, die Tanzfläche ein Autoscooter der Wirbeltiere, Territorialbestimmung mit Musik! Einige Männchen tanzen allein, dirigieren unsichtbare Orchester, wälzen sich auf dem Boden. Ein Alpha-Männchen versucht während einer zackigen Swingnummer seiner Partnerin die Arme auszureißen, wie eine Nähmaschine stößt und zieht er in rasendem Rhythmus am zierlichen Weibchen, diese lächelt gequält. Die Liebste und ich können auch tanzen. Wir lieben Swing und haben gelernt uns dazu ganz passabel zu bewegen. Plötzlich erklingt ein Lied, welches ich noch nie gehört (oder verdrängt) hatte. Die Liebste bekommt ganz komisch funkelnde Augen und zieht mich ganz nah zu sich. Ich rufe: „ach nein, das Lied gefällt mir nicht, ich mach mal Pause.“, aber Blick und Armgriff der Liebsten verstärken sich, sie duldet keinen Widerspruch, irgendetwas muss sein mit diesem Lied. Wir tanzen den ersten „Stehblues“ unserer nicht gerade neuen Beziehung, dabei säuselt mir die Liebste den Refrain ins gerötete Ohr: „Dreams, are my reality“. Das sagt mir jetzt nix, aber gut. Der Tanz mit der Liebsten ist wunderbar, dieses schreckliche Schmalz-Lied empfinde ich aber als Zumutung und ich wittere meine Chance: „Sach ma, schöner wird’s doch nicht, dieses Lied, dieser Tanz, das ist doch ein Höhepunkt, ich finde wir sollten jetzt gehen.“ Und tatsächlich, noch ein paar Mal brüllen, Nackenschlagen und Schulterkugeln quetschen und ich bin raus aus dem Urwald.

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Donnerstag, 2. Februar 2006
Vier gewinnt.

Der Herr Sebas ist da in was reingerutscht und reicht mir ein Stöckchen weiter. Geht ja schnell:

Vier Jobs die ich mal hatte:
- Pizzabäcker
- Tresenschlampe
- Koch
- Babysitter

Vier Filme, die ich mir immer wieder ansehen kann:
- Tampopo (Juzo Itami)
- Der Mieter (Roman Polanski)
- Brazil (Terry Gilliam)
- Léon der Profi (überhaupt Luc Besson!)

Vier Städte in denen ich gelebt habe:
- Ravensburg
- Freiburg
- Berlin
- Hamburg

Vier TV Shows die ich liebe:
- 24
- Frasier
- Malcom in the middle
- Picket Fences

Vier Plätze an denen ich Urlaub gemacht habe:
- New Orleans
- New York
- Barcelona
- Mallorca

Vier Sachen, die ich gerne esse:
- Wiener Schnitzel, Kartoffelsalat
- Tafelspitz mit Frankfurter Grüner Sauce
- Tintenfisch, in jeder Zubereitungsart
- Bratwürste, jeglicher Art

Vier Seiten, die ich täglich besuche:
- www.google.de
- fast sämtliche Blogs meiner Blogroll
- www.redereihamburg.de (Ja. Schleichwerbung!)
- www.flickr.com

Vier Plätze, an denen ich jetzt lieber wäre:
- Barcelona
- Istanbul
- New York
- Kuba

Vier Leute, die diese Fragen auch beantworten sollen:

Hat glaub ich dann jetzt bald jede/r.
Ach, nee, höhö:
Andropovs Onkel
(das mit den Filmen interessiert mich jetzt schon!)

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Gottes Werk & Foodstylists Beitrag

Ich habe mich sehr gefreut, als die Redaktion von "mindestenshaltbar" anfragte, ob ich nicht auch einen Beitrag schreiben könnte, für die Februar-Ausgabe zum Thema "Künstlich".

Die Ausgabe ist seit heute online:

In meinem Beitrag geht es um die Erschaffung kulinarischer Illusionen. Das ist harte Arbeit. Mit Motoröl und Spülmittel, Farben und Lacken verwandeln Foodstylisten einfache Lebensmittel in Kaufanreize. Ein Einblick in die künstliche Welt der Lebensmittelfotografie und die überraschende Erkenntnis, dass von Betrug am Konsumenten keine Rede sein kann.

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Freitag, 27. Januar 2006
"Macht doch mal was mit Publikum!". Warum Herr Svensson und ich uns auf Sonntag freuen.


KAFFEE.SATZ.LESEN, Foto: Kerstin13

Die gestrige „Kudder&Kiosk“-Lesung war ein Knüller! Riesen Ansturm, neun Zuschauer fanden den Weg in die Buchhandlung! Eine der Buchhändlerinnen stärkte sich vor der Lesung mit einem speckig glänzenden Leberwurst-Graubrot und sorgte so für die Duftnote, die uns den restlichen Abend umwehte. Durch die übersichtliche Gästezahl entspann sich so manches gutes Gespräch. So fragte mich zum Beispiel in der Pause eine ältere Dame mit schlohweißem Haar, nachdem ich zwei Geschichten aus der Welt der Sterneköche gelesen hatte, ob ich es „denn schon mal mit Kochen versucht habe?“. In der Pause, die wir rauchend an der Open Air-Bar vor der Buchhandlung verbrachten und an gefrorenem Wein leckten, verloren wir einen Besucher. Das kenne er ja alles schon und da käme wohl nix Neues, polterte der Enttäuschte und verschwand in die Nacht. Da warens nur noch acht. Bedanken möchte ich mich ganz besonders bei dem jungen Mann, der gestern herzlich, viel und an den richtigen Stellen lachte. Das erleichterte zumindest mir den Vortrag ungemein. Ich vermute, dass er Blogger ist, traute mich aber nicht zu fragen, zu groß war meine Sorge, er könne evtl. nicht wissen was Blogger sind und mich für aufdringlich halten. In jedem Fall: Danke, Mann!
Beim anschließenden "Arbeitsessen" mit der Buchhändlerin lernte ich eine neue Dimension kulinarischer Vergewaltigung kennen. Beim Italiener der auch Indisch kocht, gabs zum trockenen Grillfleisch hausgemachte Kräuterbutter. Aus Magarine.

Nach diesem kleinen Ausflug auf die Bühnenbretter freuen Herr Svensson und ich uns jetzt sehr auf Sonntag. Wir besinnen uns auf unsere Kernkompetenz, dem Veranstalten von Lesungen:

KAFFEE.SATZ.LESEN 27
Sonntag, 29.01.06, 16:00 Uhr

Auch 2006 präsentiert die redereihamburg. e.V. wieder monatlich neue literarische Stimmen, spannende Talente, etablierte Autoren und neue Bücher. Jetzt startet unsere Sonntags-Lesereihe KAFFEE.SATZ.LESEN ins vierte Jahr ihres Bestehens. Diesmal mit dabei: der Hamburger Autor Gunter Gerlach mit seinem neuen Roman „Ich bin nicht“ und die junge Autorin Christiane S. Kulzer aus Berlin stellt ihren Erzählband „Wenige Stunden spärlichen Lichts“ vor. Außerdem zu Gast Janna Steenfatt aus Leipzig, sowie Andreas Melchner und Alexander Roesler.

Sonntag, 29.01.06, 16:00 Uhr
Baderanstalt
Hammer Steindamm 62
neben S-Bahn Hasselbrook
im Hinterhof, 5. Stock
5 Euro

mit
Gunter Gerlach
Christiane S. Kulzer
Janna Steenfatt
Andreas Melchner
Alexander Rösler

Gunter Gerlach*1941



Auf einem Flughafen begegnen sich zwei Männer. Beide haben einen Grund zu verschwinden. Sie tauschen ihre Pässe, und jeder tritt die Reise des anderen an, obwohl sie kaum etwas voneinander wissen. „Ich bin nicht“, Gunter Gerlachs neuer Roman ist im yedermann Verlag erschienen und wir freuen uns sehr, das Gunter Gerlach sein Buch bei uns vorstellen wird. Der Hamburger Autor ist Gründungsmitglied mehrerer Künstler- und Autorengruppen und Mitglied der Gruppe um das Hamburger Dogma. Er veröffentlichte dreizehn Romanen, davon sechs Krimis, zuletzt "Der Haifischmann" und "Irgendwo in Hamburg". Zehn Literaturpreise (Deutscher Krimipreis, Friedrich-Glauser-Preis) hat Gerlach in den letzten Jahren gewonnen und das Hamburger Abendblatt schrieb über ihn: Was und wie dieser Autor schreibt, das ist selten in der deutschsprachigen Literatur.

Christiane S. Kulzer*1974

Christiane Kulzer

in Brüssel geboren, wuchs bei Stuttgart auf und folgte zu Beginn des Studiums den Wurzeln ihrer Familie nach Berlin. Dort zieht sie die Ideen ihrer Geschichten aus Erlebten, Beobachtetem, Erdachtem, Verdrehtem. Sie schöpft aus einem facettenreichen Leben, das sie als Barfrau, Mutter, Psychologin und eben Autorin in Berlin-Kreuzberg führt. Mit „Wenige Stunden spärlichen Lichts“ legt sie ihre dritte Veröffentlichung vor (isgon Verlag, Berlin) Christiane S. Kulzer wirft einen Blick auf die Liebe ohne rosarote Brille: ein davonschleichender Stolz, ein verloren gegangener Hund, ein roter Traum, ein wörtlich zu nehmender Mann, fader Mittelstands-Ehe-Sex und die Königin des Abendlandes – nur einige Vorkommnisse im Leben gefühlstaumelnder Protagonistinnen, die Christiane S. Kulzer klar, manchmal zynisch und schmerzhaft zu schildern weiß.

Janna Steenfatt *1982,
in Hamburg geboren, studiert am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, der Kaderschmiede der neuen Deutschen Literatur. Wir freuen uns dass wir sie für unsere Lesung zurück in Ihre Heimstadt holen konnten.

Andreas Melchner *1976,
der gebürtige Münchner lebt und arbeitet seit längerem in Hamburg. Bisher
verfasste er insbesondere Kurzgeschichten und Gedichte. Dazu entstand das
Musik-Projekt „Wortklang“ bei dem Andreas Melchner gemeinsam mit dem
Pianisten Wolfgang Rüter eigene Gedichte in Liedform umsetzt. Sein Interesse beim Schreiben gilt dabei dem Menschen und seinen Lebenssituationen. Die Wirkung einer Ausnahmesituation auf den einzelnen zu beschreiben und gleichzeitig auf die unendliche Vielfalt der möglichen Lebenssituationen zu deuten, welche die Menschen sich erschaffen können, ist der Fokus seiner Arbeiten.

Alexander Roesler *1965,
in Kassel geboren, studierte in Berlin Medizin. Als Assistenzarzt arbeitete er in Marbung, Chicago, Basel und Frankfurt. Schon vor seiner Habilitation in Hamburg schrieb Roesler.
Unterstützung fand er durch das Hessische Literaturforum und einen Stipendiumsaufenthalt im Kloster Cismar. Seine so kurzen wie komischen Alltagsbetrachtungen sind immer treffend und auf den Punkt geschrieben. Er veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und einen Roman. "Man sieht sich" erschien 1999. Roesler ist verheiratet und Vater zweier Kinder.

Mehr über die redereihamburg und KAFFEE.SATZ.LESEN gibt es im Internet
unter:

redereihamburg

Dort kann man die KAFFEE.SATZ.LESEN-Anthologie bestellen, dort gibt es Texte von allen Autoren, dort kann man den Newsletter abonnieren oder sich für einen eigenen Auftritt bewerben.

Bilder gibt es unter:
KSLonFlickr

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Mittwoch, 25. Januar 2006
Die Kudder & Kiosk-Lesung (Donnerstag 26.01.2006)


Herr Svensson und Herr Paulsen im Gründungsjahr der redereihamburg.e.V. (Was warn wa jung!).

Herr Svensson und ich veranstalten nun schon im vierten Jahr, unter dem Namen redereihamburg.e.V., Hamburgs große Sonntagslesung KAFFEE.SATZ.LESEN in Hamburg Hasselbrook. Das weckte großes Mitleid bei der nachbarschaftlichen Buchhandlung „SEITENWEISE“ und die freundliche Buchhändlerin von um die Ecke lud uns ein:„ doch auch mal selber eigene Texte“ zu lesen. Geschmeichelt sagten wir zu. Morgen, Donnerstag, den 26.01.2006 ist es soweit.
Herr Svensson vom Fischkudder-Blog bloggt eher sporadisch. Er nutzt seine Zeit lieber um wirklich wunderbare Prosa-Texte zu schreiben, eindrucksvolle Erzählungen von Schlachten zwischen Hausmeistern und Graffiti-Sprühern, schlingernden Busfahrten mit merkwürdigen Passagieren und Kinobesuchen mit lautstarkem Ausgang. Mit nordischer Gelassenheit beobachtet Herr Svensson das Leben, klug, präzise und auf den Punkt.
Ich werde vom Leben hinter der Küchentür erzählen, von der sehr eigenen Gesellschaft der Köche& Gourmets. Besonders "freue" ich mich schon auf den von der Buchhändlerin gesetzten Programmpunkt: "Publikum stellt Fragen zu KAFFEE.SATZ.LESEN und redereihamburg.e.V."

Die Kudder & Kiosk-Lesung
Buchhandlung Seitenweise
Donnerstag 26.01.2006
19:30 Uhr
Hammer Steindamm 119
S-Bahnhof Hasselbrook

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Mittwoch, 18. Januar 2006
Testesser Paulsen berichtet: Das kleine Turnhallen-Tourette (Punk rock never dies)

Eigentlich wollte ich heute etwas über John von Düffels Roman „Houwelandt“ schreiben, ich reiche das nach, jetzt muss ich aber erstmal den Hemdkragen lockern und mich ein bisschen Aufregen. Über das Restaurant „Turnhalle“ in St.Georg. Stammlesern meiner Rubrik „Testesser Paulsen berichtet“ ist bekannt, dass ich lieber Empfehle statt zu Verreißen, ich erlaube mir das, weil ich keinem Anspruch auf Vollständigkeit unterliege und weil ich glaube dass dem Leser mit einer Empfehlung mehr geholfen ist, als mit einem knackigen Verriss. Beim gestrigen Besuch der „Turnhalle“ wurde mir aber schlagartig bewusst, dass es noch einen weiteren, wichtigen Aspekt der Testesserei gibt: Die Warnung.

Wer die Turnhalle betritt ist höchstwahrscheinlich begeistert von diesem gigantischen Raum, den zehn Meter hohe Decken von denen Taue, Turnringe und riesige Lampen baumeln. Bis zu 700 Menschen passen hinein in den großzügigen Designer-Traum, 130 Sitzplätze hat das Restaurant, einen Lounge-Bereich, eine festlich erleuchtete, meterlange Bar, viel Holz, Leder und elegante graue Stoffe. Eine unüberschaubare Zahl von Servicepersonal kümmert sich um die Gäste, die Turnhalle ist fast immer ausverkauft. Ein schöner Ort, würde man dort nicht versuchen zu kochen.

Bei meinem ersten Besuch bestellte ich eine Trüffelpizza mit Speck und Mozzarella, ein fett-triefender Fladen, dessen Anblick sofort Koliken hervorrief und nach dem ersten Stück bereits Pickel sprießen ließ. Aber ich komme ja gerne zweimal. Gestern also die Pizzakarte beiseite geschoben und hinein in die Gourmetkarte. „Salatgesteck“ lese ich da und denke an diese grünen, speckigen, mit Wasser voll gesogenen Blumenblöcke. Salatgestecke gibt es viele auf der Karte gerne „an“ irgendwas. Ich nehme sicherheitshalber das Carpacchio mit Pfefferschaum und sorge mich ein bisschen, ob der Pfefferschaum nicht das zarte Rind erschlägt. Die Sorge ist unbegründet, erschlagen wird das Fleisch und sämtliche Aromen auf dem Teller von einem großen Haufen Daikon-Kresse. Diese japanische Kresse-Sorte ist lila und wird darum gerne gestreut. Am erdig-muffig-scharfen Rettichgeschmack kann es nicht liegen. Der Koch hat sich Mühe gegeben, acht Scheiben haudünnes Rindfleisch mit 20 cm hohem Salatgesteck, Pesto rosso, Basilikumpesto, ins Fleisch eingearbeiteter Pfefferschaum. Aber vergebene Liebesmüh. Schon ein Daikon-Kressestengel betäubt Gast und Gericht gleichermaßen. Während ich die Kresse vom Carpaccio schabe, genieße ich ein Glas 2003 Bacharacher Riesling, der sehr gut schmecken würde, stürbe er nicht gerade in einem wuchtigen, schweren Glaskelch, in dem hier jeder Wein ohne Rücksicht auf Herkunft und Beschaffenheit vergewaltigt wird.

Plötzlich riecht es streng. Feuer, Feuer, alle raus hier! Nein, sitzen bleiben, am Nebentisch fackelt der Service Garnelen ab. Das „flambieren“ der ohnehin schon tot gekokelten Tiere, entwickelt sich zu einem Großfeuer, die zarten Fühler und Füßchen der Tiere stehen in Flammen, es raucht ganz gehörig, der Service pustet irritiert ins Flammenmeer.

Ich ignoriere den Gestank und antworte auf die Frage, ob es mir geschmeckt hätte, ehrlich. Es folgt ein Vortrag über die Hinterlistigkeit der Daikon-Kresse. Unsere freundliche Servicefachkraft verspricht meinen Monolog in die Küche zu tragen. Es folgt die Fischsuppe. Ja auf der Karte stand Fischsuppe. In der klaren, total versalzenen Safran-Consomée findet sich nicht ein Stück Fisch. Dafür ein ganzer Krebs, ein ganzer, ungeputzter Tintenfisch, zwei Miesmuscheln und eine Auster, deren steinige Schale schuppig in die Suppe rieselt. Ach ja, und total versalzen, erwähnte ich es? Das esse ich nicht.

Die Servicekraft wird gerufen und es entbrennt ein erbitterter Streit zwischen ihr und mir, wem von uns beiden der ganze Abend peinlicher ist. Sie behauptet ihr sei das ganz schrecklich peinlich, mir ist das tatsächlich schrecklich peinlich. Denn das ist es, was mich wirklich in Rage versetzt. Das ich gezwungen bin, hier den Querulanten zu geben, weil einfach nichts schmeckt, nicht nur nicht schmeckt, sondern gedankenlos zusammen gewürfelt, oder wahlweise ungenießbar ist. Hauptsache Salatgesteck und Garnelen abfackeln. Ist doch wahr!

An dieser Stelle schaltet sich die Liebste ein, erklärt der Servicekraft: „er ist sonst nicht so.“. Und was beschwichtigend gemeint, bedeutet bei genauem Hinhören nichts anderes als: da muss man sich schon sehr anstrengen, bis der Herr Paulsen im Restaurant in Wallung gerät. Ich pflege nämlich normalerweise kulinarische Körperverletzungen schweigend hin zu nehmen. Diese Diskussionen mit dem (unschuldigen) Service sind mir unangenehm. Hier aber stimmt nichts, leidenschaftslose Disko auf den Tellern, Augenwischerei und ich verhungere. Die Liebste schiebt mir die Hälfte ihrer Thunfischpizza rüber, die schmeckt.

Und dann schiebt die Liebste noch eine Erklärung für diesen Abend hinterher, der mich sofort wieder fröhlich stimmt:
Die Gäste hier seien ja im besten Falle „beautyful people“, der überwiegende Teil aber wohl eher „Wannabees“ und Prominente der C-Klasse. Wahrscheinlich sei ich der einzige im Saal der zum Essen gekommen sei. Und wahrscheinlich wüssten das die Köche in der Küche, allesamt ein Haufen anarchistischer Altpunks die vorsätzlich ihre Gäste quälen um auf diese Art ihre Ablehnung gegenüber der Schicki-Gesellschaft zum Ausdruck bringen. Also etwa so: „Hey, die verbrannten Garnelen, die müssen wieder auf die Karte, das ist so geil, wie die Leute da immer so doof ins Feuer kucken und wie ätzend das riecht!“, oder, „Die Fischbruhahahasuppe ist noch nicht salzig genug, bruhaha und lass mal den Fisch weg, den braten wir uns nachher schön in Butter als Personalessen.“. Die leckeren Pizzen wiederum seien eine Speise des Proletariats und würden darum schmackhaft zubereitet. „Und was ist mit der fettigen Trüffelpizza vom letzten Mal?“, fragte ich triumphierend. „Trüffel sind Schickimicki!“.

Diese Vorstellung erfreute mein Herz und die unaufgefordert gereichte Nachspeise, ein Schokofondue mit frischen Früchten, befriedete mich ungemein. C´mon baby, eat the rich.

http://www.turnhalle.com/

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