Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Samstag, 22. April 2006
Testesser Paulsen berichtet: Pfälzer Stube@Hatari

Stellen Sie sich vor es ist WM, die Welt ist zu Gast bei Freunden und Sie befinden sich plötzlich in Völker verbindendender Auskunftsnot, wenn da die Welt auf Sie zukommt und fragt: „Du ißt Deutschland?“. Tja, wer es dann erstmal falsch verstanden hat der schüttelt je nach Gemütszustand heftig den Kopf, wackelt unschlüssig mit selbigem oder nickt bejahend. Spätestens dann aber sollte die Restaurantempfehlung kommen.

Zumindest Hamburger Bürger dürften damit jetzt kein Problem mehr haben, denn gestern Abend habe ich das Licht gesehen, in der für gewöhnlich bedrohlich folkloristisch-fetten, dunklen Deutschen Küche.
Das Deutsche Küche so lecker wie funky sein kann, beweißt seit ein paar Monaten die „Pfälzer Stube“ im „Hatari“. Das Hatari ist eine gemütliche, leicht schmuddelig angehauchte Bar wie sie in Berlin Mitte gerade schwer in Mode sind. Bislang gab es da Sandwiches, von denen ich Löbliches hörte, die arg begrenzten Ausgabezeiten der länglichen Labberbrötchen erschwerten aber Berufstätigen die Überprüfung. Jetzt haben die Hatari-Macher die alten Sofas aus dem Nebenraum zum Sperrmüll gebracht, Tische und Stühle aufgestellt, zahlreiche Rehgeweihe aufgehängt, funzeliges Oberlicht mit Weinlaub umkränzt und Dirk Scheffel angerufen. Der gebürtiger Karlsruher ist in Hamburgs Gastroszene kein unbekannter, seit Jahren beglückt er im „Jimmy Elsass“ die Nordlichter mit original Flammekuchen in jeder dankenswerten Ausführung.

Zu Acht stürmen wir um 19:30 Uhr das voll besetzte Restaurant, gut dass wir reserviert haben, seit der Eröffnung im Februar ist der Laden jeden Abend ausverkauft. In der Hamburger Morgenpost hatte ich zwei Tage zuvor einen geradezu euphorischen Artikel über die Pfälzer Stube gelesen, in dem auch der schöne Satz stand: „...ist ein Treffpunkt der Generationen: Junge, szenige Menschen mischen sich unter alte Herrschaften...“. Was ich für sentimentales Wunschdenken der Redakteurin hielt, stimmt tatsächlich. Neben den üblichen Schanzenviertel-Verdächtigen, sitzen eine beachtliche Zahl an Graunacken mit ihren frauenbewegten Freundinnen bei Kerzenlicht und Rotwein zusammen. Schön ist das und ein Hinweis darauf, wie generationsverbindend die Sehnsucht nach deutscher Küche ist.

Moment, mag jetzt der deutschlandkundige Leser rufen, die Pfalz ist doch nicht Deutschland! Richtig, aber die lederne Mappe mit in gold eingeprägter, altdeutscher Schrift, verkündet außen „Speisen und Getränke“, innen aber finden sich neben Pfälzer Saumagen auch gesamtdeutsche Speiseschlager aus vielen Regionen. Die schwäbischen Kässpätzle treffen auf eher bayerische Bratwurst mit Kraut, aus Hessen kommt der eingelegte Handkäs mit Musik, der Schinken ist aus dem Schwarzwald und der Leberknödel ist fast überall Zuhause wo die Großmutter noch lebt.

Zügig kommen die Getränke, ein Segen, den bevor wir überhaupt etwas gegessen haben, muss ich schon vom einzigen, großen Nachteil der Pfälzer Stube erzählen: Sie warten ewig auf Ihr Essen! Nach eineinhalb Stunden erfreut uns der Kellner mit diesem schönen Satz, den ich gerne auf eine Kochjacke gestickt hätte: „Bei Euch geht’s jetzt sofort los, ihr seid die Übernächsten.“. Bei den Nächsten muss es aber Schwierigkeiten gegeben haben, denn wir sind eine weitere halbe Stunde gezwungen uns zu betrinken, mit guten Deutschen Weinen und eiskaltem Bier. Ich muss an Mutter denken, die immer rief: „Kinder, trinkt euch nicht satt!“. Aber in der Not, Mutter!

Aus der Bar schwappt dicker Funk und laue Housmusic herüber, wir trinken uns Letztere schön. Nach zwei Stunden geht es dann aber tatsächlich sofort los und das Warten hat sich gelohnt! Meine „Pfälzer Kombination“ aus Bratwurst, Leberknödel und Saumagen ist fantastisch! Grob und würzig die Bratwurst in dunkler Sauce, butterzart der Leberknödel und der importierte Saumagern der Pfälzer Metzgerei Kieffler ist nicht umsonst Gold prämiert. Und obwohl „der Mensch kein Beilagenesser ist“, wie der eitle Hamburger Selbstdarsteller Heinz Strunk in seinem, zugegebenermaßen recht lustigen Buch „Fleisch ist mein Gemüse“ bekannt gab, freue ich mich über ca. 600 g dampfendes Sauerkraut und einem Korb voll duftendem, dunklen Brot, das wunderbar nach Malz riecht. Ich mach es mal kurz: alles, alles schmeckte hervorragend, riesige Portionen und alles unter 10 Euro. Sogar das Alternativprogramm für Deutschlandverächter, ein dicker Burger mit Rindfleisch, krossem Schwarzwälder Schinken und Parmesan an knusprigsten Pommes Frites, ist ein kulinarischer Segen. Der zur Rechnung gereichte Hausschnaps zwingt sogar gestandene Schleswig Holsteiner mit Schmerz verzerrten Gesichtern zu Boden, kurz gesagt, ein etwas langer, aber sehr schöner, kulinarischer, preiswerter Abend.

Beim Nachhause gehen denke ich darüber nach, ob ich eigentlich zur WM alles mit der Welt teilen soll. Ich glaub ich sag nix.

Pfälzer Stube@Hatari
Eimsbütteler Chaussee 42, täglich 18 bis 23 Uhr, Tel. 040 43208866

... Link