Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
... Vorige Seite
Dienstag, 27. Juni 2006
Tapas-Terror, Türsteher, Tenorio. Eine Suche. ( Beeing Jürgen Klinsmann)
herr paulsen
08:52h
Stelle Sie sich vor sie wären zu Gast in Deutschland und es gäbe in Deutschland ausschließlich nur Restaurants, in denen ausschließlich nur Matjes, Eisbein, Bratwürste, Schwarzwälder Schinken, Sauerkraut und Königsberger Klopse in kleinen Schälchen serviert würden. In unterschiedlicher Qualität aber überall: Matjes, Eisbein, Bratwürste, Schwarzwälder Schinken, Sauerkraut und Königsberger Klopse. Da wird Esskultur zur Speisekarte kulinarischer Langeweile und die Sehnsucht nach Kochkunst steigt. So ging es mir, während der beiden letzten Tage in Barcelona. Die Tapas-Kultur ist wunderbar, nährt aber den kulinarisch Interessierten nicht unbedingt drei Wochen lang. Ich meine, wer kann sich ernsthaft drei Wochen von Fritiertem, Schinken, Blutwürsten und sauer eingelegtem Fisch ernähren und dabei täglich in Freudentaummel ausbrechen? Für den Abschluss meines Barcelona-Aufenthaltes sollte es ein schönes Restaurant sein, gerne mit heimischen Spezialitäten und am Liebsten noch mit einem Koch, der Angesichts der hochwertigen Grundprodukte seines Landes inspiriert wurde. Ich gebe zu, ich war schlecht vorbereitet. Ich dachte, ich gehe los und finde was. Ich fand Tapas. Auf meinen gewaltigen Fußmärschen durch diese wunderschöne Stadt, fand ich aber auch gelegentlich die seltenen Restaurants in denen echt gekocht wurde. Statt nur Tapas wahlweise heiß zu machen und zu portionieren, wurden Menüs angeboten, Speisekarten voller lukullischer Verheißungen. Dort scheiterte ich schon an den Türen. Dem Alleinreisenden wird scheinbar grundsätzlich der Zutritt zur katalanischen Kochkunst verwehrt. Unfreundlich wurde ich zwei Nächte lang überall abgewiesen. Ich war gut gekleidet, Sommeranzug, teures Hemd, elegantes Schuhwerk und trug zudem die Absicht, überdurchschnittlich viel Geld auszugeben, wenn ich nur nicht noch mal Ensalada Russa essen müsste. (Ein populärer Tapas-Bar-Salat aus tiefgekühltem Mischgemüse das mit Mayonnaise verrührt wird, für mich die dunkel Seite der Tapas-Kultur) Es half alles nichts und es war besonders die durchweg herablassende Art der Türwächter, die meiner Suche etwas zutiefst Demütigendes gab. Ein Bittsteller an den Türen der Gastronomie, die eigentlich Gastfreundlichkeit verkörpern sollten. Der Höhepunkt dann vor dem Restaurant „Tragaluz“ in der Pasage de la Conception. Dort macht man schön bunt auf Rizzi und pflegt zumindest äußerlich die Multi-Kulti-Leichtigkeit. Die Karte liest sich aber großartig. Die auf Englisch vorgetragene Bitte um einen Tisch verlief hier zunächst ins Leere. Es folgte ein Vortrag auf Català, den ich nicht verstand. Ich sprach Fetzen auf Spanisch, hakte nach, bekam noch mal den eben schon gehörten Vortrag, bat dann den verstummten Maitre mir doch bitte vielleicht auf Englisch zu antworten. Daraufhin wurde mir der Tisch in fließendem Englisch abgesagt: „What I told you two times, is the fact, that we don´t have a table for one person only.“ Ich hätte dem Herren gerne die Nase gebrochen, bin aber ein höflicher Mensch. Ne passa nada. In der zweiten Nacht meiner Suche nach Tellergerichten landete ich schließlich vor der Braseria Tenorio, direkt am Cassa Battló von Antoní Gaudi gelegen. Zweifelsfrei, allein schon wegen der Lage sicher eine Touristen-Verarsche. Es war aber schon halb Elf und mit alles egal. Ich bitte die Dame am Eingang um einen Tisch auf der Terrasse (voll frech!). Da müsse sie aber den Geschäftsführer holen, platzt es patzig aus der Dame. Geschäftsführer kommt, lässt sich erweichen, na guuuuut. Der asiatische Kellner bringt die viersprachige Karte. Oh weh. Liest sich aber gut und ich bestelle einmal alles mit einer Flasche „Cresta Rosa“, einem katalanischen Rosé der zu meiner Überraschung moussiert. Und korkt. Mist, jetzt kann ich meine neuen Freunde schnell wieder verlieren. Ich sorge mich aber um meinen morgigen Schädel und reklamiere vorsichtig. Anstandslos wird eine neue Flasche gebracht, gemeinsam mit dem Kellner ein Probeschlückchen verhaftet und der Mann macht große Augen: „Yes! What a difference!“ Puh. Dicke Streifen alten Manchegos werden gereicht, Olivenöl, Meersalz und knuspriges Tomatenbrot. Der Kabeljausalat auf lauwarmen Tomaten wird von grünem und „schwarzem“ Olivenöl begleitet und macht sofort glückselig. Das Carpaccio habe ich bestellt, weil es eines meiner Lieblingsgerichte ist und mein persönlicher Restauranttester. Diese hier ist hocharomatisch, das Fleisch schmeckt nussig nach schwarzem Pfeffer und einer deutlichen Note Estragon. Toll! Dazu werden Baguettscheiben gereicht, die aussehen als wären sie drei Tage alt und total vertrocknet. Sind sie aber gar nicht, butterzart krümeln die Scheiben, die an luftigen Zwieback erinnern. Grandios! Die gegrillte Bratwurst vom Schwein mit weißen Bohnen ist würzig und saftig und wir mit Chiliöl gereicht. Zum Dessert habe ich ein Mousse von Crema Catalan bestellt, die eigentlich eine ganz normale Créme Brulée ist. Nur hier versteckt sich unter krachendem Karamel und gesüßter, gestockter Eiermilch noch ein lockerer Bisquitboden. Die Köche des Tenorio retten in dieser Nacht die kulinarische Ehre dieser Stadt. Und als ich auf Anfrage auch noch erkläre ich käme aus Hamburg, Germany, da wird das Personal für meinen Tisch noch mal, von mittlerweile zwei, auf drei Kellner aufgestockt und alle beglückwünschen mich zur Deutschen Nationalmannschaft als sei ich Klinsmann persönlich. So ist es doch noch ein schöner Abschluss geworden, die Arbeit hier ist vorerst beendet und El quiosco schließt versöhnt seine Pforten bis Anfang August. Bis dahin gibt es wieder den Kiosk aus Hamburg und ich habe mir vorgenommen derweil an meinem Spanisch zu arbeiten, emsig zu recherchieren und vorab telefonisch zu reservieren. Die sollen mich kennen lernen! Und ich freue mich darauf, nächstes Mal die Gastronomie Barcelonas endlich kenne zu lernen. ... Link Montag, 19. Juni 2006
Herr Paulsen geht aus: Sónar Festival, Closing Night (Die 25 Stunden von Barcelona)
herr paulsen
00:51h
Drinnen ist es eisschrankkalt klimatisiert und laut. Von der Eingangshalle geht es links und rechts ab in die Konzerthallen, dazwischen Open-Air-Zonen, hier legen DJs auf. Bekanntes Geboller aus der größten der zwei Hallen, das Konzert von GOLDFRAPP hat schon begonnen. Ich betrete einen gigantischen Hangar, locker hätten hier ein-zwei Jumbo-Jets platz, es ist ein Atem beraubender Anblick. Ganz, ganz vorne, winzig klein, Alison Goldfrapp auf der Bühne. Entlang der Halle sorgen aber insgesamt acht Großbildleinwände für beste Sicht. Man könnte aber auch einfach nach vorne laufen, direkt vor die Bühne, nicht mal 600 Leute verlieren sich im Saal. Übertragen auf einen normalen Club ist das so, als würden Goldfrapp vor 6 Leuten spielen. Das Konzert ist genau wie das in Hamburg aufgebaut und wieder einmal werde ich den Eindruck nicht los, dass Frau Goldfrapp eigentlich keine Lust hat. Als würde sie, Nacht für Nacht, von irgendwem, gegen ihren Willen auf die Bühne geschubst werden um die ewig gleichen Lieder zu singen, gefangen in den vorprogrammierten Soundloops, die Begleitband nur Staffage. Und jede Nacht vor die Windmaschine, die ihrem Haar Volumen geben soll, aber nur fröstelnde Gänsehaut schafft. Der Höhepunkt des Konzerts ist natürlich „Ooh la la“, für mich eine der besten Popnummern der letzten zehn Jahre, kein Wunder, ist ja auch bei Marc Bolan geklaut. Ich geh dann mal. In die „kleinere“, wesentlich gemütlicherer Halle. Da stehen AFRA auf der Bühne. Die kommen aus Japan und machen Techno, Trance, Electro, Hip Hop und Drum&Bass. Mit dem Mund. Kein Witz. Drei Japaner, drei Mikrofone, dass reicht für wirklich beeindruckende Soundwände. Erstmal Tränen gelacht, dann getanzt. „Afra-the incredible Beat Box Band“ geben eine brilliante Vorstellung, haarscharf-elegant am Comedy-Act vorbei. Dafür hat sich das Kommen bereits gelohnt. In der großen Halle tobt DJ ANGEL MOLINA, der Mann ist in Barcelona eine feste Größe. Nicht dass ich mich in der Dance-Szene von Barcelona auskennen würde, aber es mag kein Schritt durch diese Stadt gelingen, ohne an einem Plakat vorbeizukommen, auf dem bekannt gegeben wird, wo der Herr Molina heute Abend mal wieder einen zum Besten gibt. Leider auch hier, der „Ibiza -Großraumdisco“-Technodreck ist von stumpfester Art, wer hört eigentlich noch so was? Ungefähr 8000 Leute, die Halle ist jetzt zur Hälfte gefüllt. Alle drehen komplett durch. Zeit, mich mal ein bisschen umzusehen. Es glitzert und funkelt weihnachtlicht in der Betonwelt. Überall hängen diese Lämpchen-Sterne, die wir aus adventlich geschmückten Fußgängerzonen kennen. Auch Weihnachtsmänner auf Renntierschlitten funzeln aus tausend bunten Leuchtdioden zusammen gesetzt, von den Hallendecken. „Kunst!“, denke ich ganz kurz, verwerfe den Gedanken aber sofort wieder. In einem der Innenhöfe ist ein Autoscooter aufgebaut, lachend karambolieren schöne, junge Menschen zu entspannten Electro-Klängen aus Walfischbäuchen. Das ist doch mal was! Ein weiteres Highlight des Festivals ist allem Anschein nach die dröhnende Diskobutze eines weltweit operierenden Telefonanbieters. Dort darf man, so man will, auf einem bunten Lichtertanzboden (as seen bei Kylie Minogue und Modern Talking) herumtollen, das machen sogar einige Menschen, ich versteh das nicht, aber ich versteh ja vieles nicht. Seht gut verstehe ich dagegen die DIGABLE PLANETS. Geschmeidigster Hip Hop, oldschool, jazz-funky, full of soul. Wunderbar mir welcher Leichtigkeit sich die achtköpfige Band jazzy durch die Musikgeschichte spielt. Seit 1993 gibt es diese Band und ich entdecke die erst jetzt, das ist ja schon peinlich. Die würde ich gerne mal in einem Club wieder sehen, erstmal kauf ich mir aber alle Platten. In der großen Halle kniddeln sich die beiden DJs von THE MFA aus England wolkig-weichen Electro aus dem Vinyl, es klingt alles sehr nett und lieblich, ein bisschen nach Röyksoop. Klänge die die Ohrläppchen streicheln, herrjeh, meins ist es nicht, aber es ist immer wieder großartig DJs bei der Arbeit zu zusehen, hochkonzentriert wird da geschraubt und ich bestaune die Operation sowie die traumhaften Visuals der deutschen Graphik-Kreativen PFADFINDEREI per Großbildleinwand bis zur Genickstarre. Die wahren Meister des Auflegens sollte ich aber erst noch kennen lernen. Die Party des Jahres, der Höhepunkt des Festivals, begnadetet Götter an den Wheels of steel, ich verneige mich tief für: DIPLO vs. A-TRAK. Den Sónar-Machern ist garnicht genug zu Danken für die Buchung dieser begnadeten DJs (A-TRAK ist übrigens der Tour DJ von Kanye West). So etwas habe zumindest ich noch nicht erlebt. 2 DJs, 4 Turntables, 2 Digital-Turntables und 2 Macs ergeben den unglaublichsten Live-MashUp ever. Die Beastie Boys rappen über Kraftwerks „Boing Bumm Tschak“, The Cure wälzen sich mit Ludacris über die Bühne, Missy Elliot rockt The Clash. Das alles perfekt gemischt, geschmeidigste Übergänge und nicht eine der Combinations wird länger als eine Minute gespielt, das Publikum fällt von einer Verzückung in die nächste, Jubelschreie der Erkenntnis aus dem schweißnassen Tanzkessel. Die zwei spackigen Jungs hinter den Turntables (schiefe Truckermütze, dicke Hornbrille) freut es sichtlich und bei jedem Wechsel drücken sie ein Knöpfchen und entschuldigen sich so via Großbildleinwand: „Entschuldigen Sie den folgenden, längeren Loop während wir die Platten wechseln“. Understatement galore. Danke, das wars! Ich könnte jetzt eigentlich prima ins Bett, besser wir es nicht und ich bin total müde. Es ist vier Uhr. Leider fährt der erste Zug in mein Dorf erst um sechs Uhr. Drüben wütet MISS KITTIN. Seit zwei Stunden gibt sie zu belanglosem Technobrei die sterbende Björk, kiekst wahllos Songtexte von anderen Künstlern (Depeche Modes Photographic muss u.a. dran glauben) über selbstgemischte, nicht enden wollende, monotone Loops. Wo die herkommen ist unklar, obwohl sich manchmal sogar einer der beiden Plattenteller tatsächlich dreht und Miss Kittin sich wahlweise dramatisch den Kopfhörer ans Ohr presst oder hektisch in ihrer Plattenkiste wühlt. Dabei stürzt sie unglaublich viel Bier in sich hinein. Auf ihrem linken Arm ist „Inhale“ tätowiert, auf dem Rechten „Wahle“. Genau. Gott sei dank, es brennt auch in meiner Lieblingshalle noch Licht, ich höre: es spielen die Beastie Boys! Ne, war nur Spaß. Aber machen Sie doch zuhause mal folgendes Experiment. Legen Sie eine UGLY DUCKLING Platte auf und schließen Sie die Augen. Na? Sag ich doch! Dick rollen die Bässe, warmherzig wummert die Hammond-Orgel, DJ Einstein gibt den Funkdoctor mit Scratchauftrag, die Stimmen der Rapper überschlagen sich hochtönig. Klasse. Lieber gut geklaut als selbst gestammelt. Ich bin nochmal wach, die Party läuft wieder! Leider schon nach einer Stunde verabschieden sich Ugly Duckling. Mit „Ali Baba an the fourty thieves“ von den Beastie Boys. 5:00 Uhr. So und ich geh jetzt. Nur wohin? Gekommen bin ich mit einem Taxi aus der Innenstadt, jetzt muss ich zu einer U-Bahnstation, die laut Karte der Sónar-Organisatoren ganz in der Nähe sein soll. Umfragen unter den Anwesenden ergeben, je nach Alkoholpegel, vermutete Laufzeiten zwischen 25-45 Minuten, bis zum Bahnhof. Warum man eine Messe baut und dann die U-Bahn vergisst, bleibt das Geheimnis der Stadtväter von Barcelona, geheimnisvoll sind auch die Wegbeschreibungen die ich erhalte:“Links, links, rechts, geradeaus, links, recht, rechts, links, bin mir aber nicht ganz sicher.“ Ich bestelle Cortado und zwinge mich ein Hörnchen zu essen. Die Bedienung sieht mich angewidert an. Walk a mile in my shoes, girl. Ich rühre im Kaffee und denke über die vergangene Nacht nach. Das waren wunderbare Konzerte, einige Entdeckungen, sehr, sehr viel Oldschool-Kram, viel Funk, eine Menge Blümchen-Hip-Hop (Halt! Keine Gewalt!) und insgesamt eigentlich eine erstaunliche Auswahl für ein Festival, dass im Untertitel den Anspruch erhebt, das Festival für „fortschrittliche Musik“ zu sein. Das wurde schon im Vorfeld des Festivals im Internet kritisiert. Ich bin jedoch froh, dass nicht Elektrogeknarze an Falsettstimme mit halbstündiger Rückkopplung von der Violine serviert wurde. Und wenn fortschrittliche Musik bedeutet, das musikalische Erbe zu wahren, dann kann zumindest ich dieser konservativen Art gut folgen. Für alle anderen gibt es ja Donaueschingen. Boah, kommt jetzt mal bitte endlich dieser Scheißzug! .........................................ratsch. Alle Artists, alle Links, z.T. Soundsnipets bei: http://www.sonar.es/ ... Link Freitag, 16. Juni 2006
Der Fotoassi ist zu preisen!
herr paulsen
23:55h
Er trägt das lange, wallende Haar zum Zopf gebunden und ein sehr langes Spitzbärtchen dazu. Der Mann raucht nicht ("früher Kiffen, hab ich aber auch aufgegeben"), der Mann trinkt nicht und ißt weder Fisch noch Fleisch. Quasi der Gegenentwurf zu Paulsen, nur das Nichtkiffen eint uns, ich leide unter Heuschnupfen. Der Fotoassistent hat daraufhin den letzten Löffel von meinem Quinoa-Paprika-"Risotto" abgeleckt und noch etwas Rote Bete Salat genommen, den ich mit französischem Pistazienöl geadelt hatte (ich koche hier jeden Tag fürs Team und immer auch vegetarisch). Und dann hat er leise kauend gesagt: "Ich kümmer mich drum." Und was soll ich sagen? Zum Frühstücks-Cortado schiebt er mir heute die Eintrittskarte zu, sagt: "fröhliche Weihnachten" und bittet freundlich um Rückerstattung der Auslagen. Ich Dussel hatte nicht verstanden, dass nur die Tagesshows ausverkauft, für die Nacht aber noch Tickets zu haben waren. Nicht auszudenken, hätte ich nicht ordentlich vegetarisch gekocht! Ich bin jedenfalls begeistert und morgen Nacht auf der Closing Night des Sónar-Festivals in Barcelona anzutreffen. Unglaublich. Waaah! Danke! http://www.sonar.es/ Closing Night, Saturday 17.06.2006: SonarClub 22.30 :: dj :::: Ángel Molina (SonarMusic/ES) Visuals ::::::: Pfadfinderei (DE) SonarLab 22.30 :: dj :::: Marc Richter plays Dekorder (Dekorder/DE) RED BULL MUSIC ACADEMY RADIO presents SonarPark 22.30 :: dj :::: Wagon Cookin´ (Appetizers/ES) SonarPub 22.30 :: dj :::: Pablo Maffi & Dj Lui (The Melting Pot / Scanner FM/ES) SPECTRAL SOUND presents ... Link Donnerstag, 15. Juni 2006
Überall ist es schöner, wo ich nicht bin.
herr paulsen
22:32h
Na toll. Immer dieses Rumgehühner bei 26 Grad, während Hamburg erste Hitzerekorde meldet. Und vor einer halben Stunde, dann das hier. In Sekundenschnelle bauten sich plötzlich gigantische Himmelsgebirge auf, wolkenkratzergroße Schwärze. Jetzt sitze ich hier in meinem persönlichen Jahrhundertsturm und möchte diese Gelegenheit ergreifen, um einmal darauf hinzuweisen dass ich gerne Danksagungen aus der Schönwetterwelt entgegen nehme, denn es ist ein über Jahre gefestigter Fakt, dass es überall schöner ist wo ich nicht bin. Gern geschehen. ... Link
Meerleichen-die Wucht in Dosen.
herr paulsen
08:17h
Normalerweise bleibe ich Lebensmitteln fern, deren Verfall am heutigen Tage auf, zum Beispiel, den 09/12/2009 angekündigt ist. 2009 wäre ich gerne noch am Leben. Einmal, ich war 17, aß ich ein Hähnchenfrikassee, dessen Namensgeber zu diesem Zeitpunkt bereits vier Jahre tot war und bis zum Erreichen seines Verfalldatums noch locker die auch von mir angepeilte Volljährigkeit erreicht hätte. Mein Vater hatte damals aus Bundeswehrbeständen günstig Überlebenspakete für Deutsche Soldaten im Ernstfall ersteigert. 275 in güldene Folie verschweißte Tierkadaver füllten unseren Keller, jedem toten Tier war ein backsteingleicher Keks als Nachtisch beigelegt. Mit 18 begann ich dann meine Kochlehre. In einem selbstlosen Selbstversuch aber, habe ich mich gestern Abend, bei Wein und Brot, mutig durch eine spanische Spezialität gegessen: tote Meeresfrüchte die derzeit auch noch bis 2009 genießbar sein sollen. In mehr oder weniger gutem Öl eingelegt, harren bis zu zwanzig Meter Poseidonplatte in den üppig gefüllten Regalen der Supermärkte. Fischdosen sind Kult hier, man kann sehr viel Geld dafür ausgeben, aber auch sehr günstig den Toten hinterher tauchen. Ab 39 Cent gibt es die eingedoste, gemeine „Mackerel“, wer noch ein paar Cent drauf gibt, kann Stabmuscheln, Miesmuscheln, jede Art von Meeresschnecken, Pulpo, Calamares, Seeigelroggen, Gambas oder Chipirones erstehen, die im Blech länger Leben als Kindheit, Jugend und Erwachsensein insgesamt dauerten. Schwimmend in der Ewigkeit eines Muschellebens, schwimmend in Aceite, in Öl, wahlweise billigem Maisöl, aber auch in feinstem Olivenöl mit Nennung des Presswerkes. Die dem Deutschen eigene Fischdosen-Kreativität entfällt. Nix da mit Meerrettichsahne, provençalisch, Helgoländer Art, Senfsahne mit Gürkchen! Hier geht das so: rein in die Dose, Öl drauf, fertig. Tomatensauce geht noch eben so. Ist aber ein Minderheiten-Thema. Beim öffnen der Fischdosen überfällt den Zugereisten erst ein infernalischer Duft (Makrele geht), dann leiser Zweifel an der kulinarischen Vorbildung und zuletzt das sehr Deutsche Gefühl des Anpassungswillens. Es muss gehen, anderer essen es ja auch! Die Stabmuscheln sehen aus wie erbleichte Elektrokabel mit braunen Rändern und schmecken auch so. Die Miesmuscheln verblieben dankenswerter Weise direkt im Supermarkt, ein Akt plötzlicher Klarsicht und nicht etwa ein Akt der Entsagung. Wer aber jemals die rosa schimmernden Baby-Pulpo-Tuben gesehen, sie einer gallertartigen Schicht und öligem Schlier entrissen, und tapfer ein Exemplar zum hungrigen Mund geführt hat, der lässt alle Hoffnung fahren. Ich kaue langsam, dann im Moment der Erkenntnis schneller. Krachend beiße ich auf Schild und Oktopuszähne (ja, die haben Zähne), es knirscht ganz fürchterlich. Soviel Wein kann ein Mensch gar nicht trinken. Schwester, Skalpell, das will ich mir doch mal genauer ansehen! Es muss so sein: Irgendwo in der Fischkonservenfabrik „Dani“ in Barcelona, arbeiten ehrliche, genügsame, spanische Arbeiterinnen in der Abteilung „Chipirones“. Den abgekochten Tuben entreißen sie, in nicht Enden wollenden Schichten (und Rauchen darf man seit neustem auch nur noch draußen), Kopf und Innereien, nur um, und jetzt wird’s rätselhaft, das gesamte Gelöt sofort wieder in die toten Tiere zu stopfen. Rein in die Dose, Öl drauf, fertig. Nun hab ich ja Früher, in der schweren Zeit, durchaus auch mal den Bub mit Dosenfisch durch entbehrungsreiche Winter gebracht und aus jener Zeit stammt auch das folgende Rezept, welches jedweden Fisch, so er nur in Öl eingelegt war, gefügig macht und in eine schmackhaften Mahlzeit für junge Menschen verwandelt. Den Fisch aus der Dose nehmen und alles Öl in einem Sieb abtropfen lassen. Mühsam, unter Einbeziehung größerer Mengen Spülmittels, das Spülbecken putzen. Die Fischstücke mit Liebe auf einem Teller anrichten (das Auge isst mit!). Eine halbe Zwiebel, noch besser eine kleine Schalotte, sehr fein würfeln und über den Fisch streuen. Mit Salz und grobem, schwarzem Pfeffer aus der Mühle großzügig bedenken. Mit Balsamessig und Olivenöl beträufeln und mit Baguette genießen. Das gesparte Geld für gute Weine ausgeben. Hier in meiner spanischen Kemenate, scheiterte ich sogar mit diesem, göttlichen, Rezept an den Chipirones, es war aber noch Mackerel da und Kartoffelchips können die Spanier aber so was von gut! ... Link Sonntag, 11. Juni 2006
Señor Paulsen geht aus: Gay in Sitges
herr paulsen
22:32h
Samstag. Ich muss hier raus. Ich spreche schon mit mir selbst. Lagerkoller, nach einer Woche. Jeden Tag zwölf Stunden Arbeit, danach todmüde ins Gästehaus. Es geht mir nicht gut, ich bin erkältet. Seit Tagen. Unsere Freiluftlocation steht am Berg, mitten im Massif de Garraf, zwischen Gipfelkreuz und Meeresstrand. Eiskalte Winde wehen beständig von allen Seiten. 25 Grad? Don´t belive the hype! Ich wechsle ständig von der mollig-warmen Küche hinaus ins böhige Gebirge, Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Die Winde wehen jede Kräuterdeko von den angerichteten Tellern ins Panorama, wir haben schon versucht dem Kunden die fliegenden Minzeblätter als „state of the art“-Bewegungsunschärfe zu verkaufen. Sie glauben uns nicht. Sechs Minuten in ein anderes Leben. Eine Stadt! Menschen! Und die Sonne scheint. Weil hier die Berge endlich im Meer verenden, gibt es in Sitges auch Abends noch Sonne, während zur selben Zeit im kleinen Dorf schon der Schatten des Hausberges alles erschlägt. Ich scheiß auf Berge! Immer schon. Teile meiner Kindheit verbrachte ich, ungefragt, verschleppt und unglücklich, in der Dunkelheit des Bregenzer Waldes in Österreich. Meine Eltern liebten sinnloses Wandern in dunklen Wäldern, meist goss es dazu aus Kübeln, wahlweise drohte ich bei sengender Hitze auf steinigen Bergkämmen zu kollabieren. Von Pferdebremsen zerstochen, blinzelte ich durch brennende, pollenverkrustete Augen auf unscharfe Gebirgskettenzüge und beantwortete, asthmatisch röchelnd, die Fragen meines Vaters nach den Namen der noch zu erklimmenden Gipfel. Meine Daumen waren dunkel gefärbt von einer ätzenden, braunen Tinktur. Nicht mal Daumen lutschen durfte ich, in höchster Not. Berge? Da scheiß ich drauf. Unter weicher, warmer Abendsonne lasse ich ein eiskaltes Bier über meine rauhen, brennenden Bronchen laufen und stelle fest: auch Schwule sind nur Pärchen. Gezicke am Nachbartisch, da sitzen zwei George Clooney-look-a-likes und kucken gemeinsam beleidigt ins Abendrot:„MUSST du jetzt NOCH ein Bier bestellen?“ „Ja, muss ich, ich bin nämlich im Urlaub.“ „Aber wir wollen doch gleich noch zu Pepe, ich finds ekelig, wenn du da schon WIEDER am frühen Abend mit einer Bierfahne auftauchst!“ Unsoweiterundsoweiter. Ich bestelle sofort noch ein Bier, ich darf das, ich bin nämlich hier auf Arbeit und dieser Pepe ist mir völlig unbekannt. Überhaupt, ich habe heute Lust mich zu betrinken. Hunderte von Bars und Restaurants locken, doch Krankheit und die katalanische Sonne zermürbten mich. Schon nach dem dritten, kleinen Bier bin ich eine ordentliche Feuereule, wie Arne Rautenberg den guten Rausch in seinem lesenswerten Buch „Der Sperrmüllkönig“ (2002, Hoffmann und Campe) nannte. Ersmawasessn. Sitges sei, so erzählt zumindest das Internet, die Hochburg (hier häufen sich ja die Hochburgen!) der katalanischen Kulinarik. Meine Rundgänge durch die historischen Gassen bestätigen diesen Eindruck, es gibt alles. Nationales unter Neonlicht, Folkloristisches in kerzenbefunzelten Kemenaten. Es gibt auch Sushi, Pizza, Burgerking, aber dazwischen immer wieder beeindruckend schöne Restaurationen, in einem Laden wird sogar Jahrgangsschinken angeboten, Bellota, einige sagen, der beste Schinken der Welt, frisch vom Schweinebein Jahrgang 2002. Ich komm nur leider nicht rein. Kein Platz für EINE Person. An den erkennbar guten Restaurants haben sich Schlangen gebildet, katalanische Großfamilien warten neben graumelierten Herrenpärchen in Businesshemden auf einen freien Platz. Kein Platz für alleinreisende Genusssucht, nach dem dritten Mal Schlange stehen gebe ich auf (es hätte dort Hähnchen gegeben, die vor einer züngelnden Feuerwand gebraten werden!). Ich finde dann doch noch eine Tapas-Bar die mich gnädig aufnimmt, im „Talino“ weist man mir mürrisch das letzte freie Tischlein zu, direkt unter dem Fernseher auf dem das WM-Spiel Argentinien gegen Elfenbeinküste in Hamburg läuft. Sehr schön, alle Gäste sehen mir beim Essen zu, derweil ich skeptisch die Schrauben der Fernseh-Halterung über mir beobachte. Das Spiel wird natürlich in spanischer Sprache kommentiert, das macht mir aber nichts, ich verstehe sonst auch nicht mehr von Fußball. Das Essen ist Gott. Die Calamares butterweich in knusprigem Weinteig, die Croquetas, eigentlich eine Zumutung, erinnern mich glückselig an gute Kindheitstage (panierte Pilztaschen aus der Tiefkühltruhe von Iglo), der gegrillter Fleischspieß (Pincho Moruno) ist saftig und zart. Ein letztes Bier dazu und als Krönung meinen ersten Carachio, ein starker Kaffee den man wahlweise als Carachio mit Whiskey oder als Carachio mit Brandy bestellt. Da ich meinen Whiskey lieber ohne alles trinke, nehme ich die Brandy-Version. Die Feuereule breitet ihre Schwingen aus und macht sich glücklich auf den Heimweg. Zug weg. Ich nehme ein Taxi. Gute Wahl. Die Heimfahrt dauert fast 25 Minuten, denn während sich der Zug durch alle blöden Berge bohrt, kurvt das Gelbe durch Spaghetti-Serpentinen, dass einem schön schlecht werden könnte, sähe man nicht aus dem Fenster über die Leitplanken aufs Meer. Aus sternenklarem Himmel wirft der volle Mond ein breites Band aus geschmolzenem Blei über die dunkle See und befriedet mit der vergangenen Woche. ... Link Freitag, 2. Juni 2006
Sprachlos in Barcelona II (Das Schweigen geht weiter)
herr paulsen
11:00h
Die vergangenen Tage verbrachte ich mit einer Stunden füllenden Aufgabe. Aus englischsprachigen Rezepten generierte ich große Excel-Tabellen mit alphabetisierten Zutatenbezeichnungen auf Deutsch und auf Spanisch. Regelmäßige Leser meines Blogs wissen um die Bedeutung dieser Tatsache, denn Tatsache ist, dass meine Spanischkenntnisse eher unzureichend sind. Das ich jetzt im Besitz des wohl umfangreichsten deutsch-spanischen Wörterbuches der Kulinarik bin, verdanke ich aber wohl gerade der Tatsache, dass mein Spanisch so schlecht ist. Es hat wohl einigen Menschen sehr gefallen, dass Herr Paulsen seine Arbeit macht und ansonsten einfach mal die Klappe hält. Anders ist es nicht zu erklären, das ich nochmals und diesmal gleich für drei Wochen an die katalanische Küste gebucht wurde. Leben und arbeiten werde ich in einem ehemaligen Fischerdorf vor den Toren Barcelonas, ich werde dort die Einwohnerzahl auf 168 in die Höhe treiben. Das Dorf schmiegt sich eng an die aus dem Meer steigenden Berge, steile Serpentinen-Wege führen hinunter zum Strand, an den Bahnsteig. Der Zug ist die Lebensader des kleinen Örtchens, denn es gibt nicht mal einen Supermarkt. Vor Jahren, so erzählte man mir, habe einmal ein Bäcker eröffnet und gleich wieder geschlossen, denn sämtliche Bewohner des Ortes kaufen in Barcelona ein. Es gibt aber drei Restaurants. Alle drei hatten während meines ersten Besuches im Mai geschlossen. Drei Restaurants für 167 Menschen? Das Geheimnis ist der Zug. Der kippt in den Sommermonaten täglich bis zu 2000 (!) erholungsbedürftige Bürger Barcelonas an den sehr langen, sehr breiten Strand, 25 Minuten dauert die Fahrt ins städtische Freibad. Spannend wird auch die nähere Zukunft dieses Blogs. Hoffnungsfroh hab ich schon mal das Schild über dem Kiosk ausgewechselt und ich habe auch Internet und Flatrate am neuen Arbeitsplatz (das habe ich als allererstes gecheckt, das können Sie mir aber glauben!). Ich befürchte aber, es wird eine arbeitsreiche Zeit und ich schreibe ja grundsätzlich nie konkret über meine Arbeit. Gerne will ich natürlich von den neusten kulinarischen und musikalischen Trends berichten, allerdings ist die Erlebniswelt in einem 167 Seelen-Dorf begrenzt. Auch ob die WM-Begeisterung der Spanier an meinen Playa schwappt ist fraglich. Verschonen möchte ich Sie mit Blog-Einträgen dieser Art: „Heute Grillrezepte fotografiert. Abends am Strand schweigend vier Dosen Bier getrunken. Gelernt was `rotgesichtiger Deutscher mit weißen Beinen` auf Spanisch heißt. Morgen fotografieren wir noch mehr Grillrezepte.“ Es könnte also sein, dass sich die ohnehin schon schwache Schlagzahl meiner Beiträge in den folgenden Wochen nochmals reduziert. Trotzdem, bleiben Sie mir gewogen und schauen Sie mal wieder rein beim Quiosco de Señor Paulsen. ... Link ... Nächste Seite
|
Online for 8310 days
Last update: 04.03.10, 19:50 status
Youre not logged in ... Login
recent updates
Gern gelesen:
Ami
Gern gehört:
Audioporncentral
Gern dabei:
NutriCulinary
|