Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Dienstag, 2. Oktober 2007
„Rauchend bekommen ihr mich nie, ihr Furzköppe!“ - Herr Paulsen gibt auf.

Am Samstag den 29. September 2007 um 16:30 Uhr entsorgte ich auf einer Raststätte hinter Fulda meine letzten Zigaretten. Kaltstopp nach 25 Jahren Rauchen. Die Pforten der Entzugshölle öffneten sich vier Stunden später für mich.

Niemand kann einen darauf vorbereiten. Wer behauptet es sei einfach lügt oder hat zumindest nicht so lange und so viel geraucht wie ich. Der Nikotin-Entzug ist die Härte. Ich mache das ohne Hilfsmittel wie Nikotinpflaster oder Medikamente, ich wollte es auf die harte Tour, ich bekam es auf die harte Tour. Die ersten Stunden waren ein Kinderspiel. Dann setzte ich mich mit einem BIER vor den COMPUTER. Erinnern Sie sich an den Film „Alien“? Wie das Alien in die Körper der Astronauten fährt? Genau so. Ich weiß, dass Zigaretten ungesund sind. Ich weiß, dass Zigaretten abhängig machen. Ich habe nicht mal geahnt was Letzteres für mein Leben bedeutet. Erkenntnis: Ich bin ein jämmerlicher Junkie. Das Selbstwertgefühl sauste in den Keller. Nachts träumte ich ununterbrochen nur davon zu rauchen. Schön.

Sonntagmorgen ging es mir besser. Leichte Euphorie. Geil! Nach dem Duschen setzte ich mich mit einem KAFFEE vor den COMPUTER. Riesenfehler. Tränen schossen mir in die Augen,
Schweißausbrüche, eine große Wut stieg in mir auf. Das war der Moment, in dem ich wirklich für immer aufhörte zu rauchen, in dem mir klar wurde, dass ich das hier kein zweites Mal haben will.

Der Besuch der Lesung am Nachmittag war hilfreich, viele liebe Menschen, Gespräche, Ablenkung. Abends Autorenessen: Kneipe, Raucher, Alkohol. Viele Entwöhnungsprogramme warnen vor dieser Situation in den ersten Tagen. Ich will es hart. Wunderbarer Abend, so viel gelacht, noch mehr getrunken und erstmals tatsächlich keine Lust auf eine Zigarette. Absurd.

Seit gestern geht es mir gut. Die Arbeit geht leicht von der ruhigen Hand, ich bin überhaupt nicht mehr nervös. Ich habe sogar das Gefühl entspannter zu werden. Fiel mir schon Sonntag auf: ich hatte rund um die Lesung mehr Zeit für Gespräche, musste nicht Backstage zum Rauchen, war ruhiger als sonst, trotz Entzug. Regelmäßig flackert der Wunsch nach einer Zigarette auf. Arbeit am Computer, Fernsehen, Essen, Bier, Kaffee, alles noch sehr schwierig. Das Schlimmste ist aber wohl überstanden.

Der Kaltstopp, ohne medizinische oder therapeutische Betreuung, gehört übrigens zu den Entwöhnungsmethoden mit der geringsten Erfolgsaussicht. Ich schaffe das. Aufgehört habe ich wegen der vielen guten Gründe, die jeder kennt. Hocherfreut bin ich aber über die Tatsache, dass ich den radikalen Gesundheitsfetischisten und anderen rauchfeindlichen Fundamentalisten entkommen bin. Wenn die ihre Interessen ab 1. Januar auch in Hamburg per Gesetz durchsetzen dürfen, ist mir das egal. Ich muss mir das affektierte, genussfeindliche Gelaber der selbstverliebten Lebensfreuden-Abstinenzler nicht mehr reinziehen. Ist natürlich ein kleiner Selbstbetrug. Wie ein Krieger, der Angesichts eines übermächtigen Heeres den Freitod wählt: „Rauchend bekommen Ihr mich nie, ihr Furzköppe!“ Gewonnen habe ich aber sowieso.