Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Dienstag, 4. September 2007
Hier stinkts!

Ich bin ein sozialer Außenseiter. Willensschwach. Rücksichtslos. Ein kultureller Versager. Beruflich erfolglos. Überfordert. Unterschicht. Stand neulich so in der Zeitschrift Stern (Nr.34). Die kennen mich gar nicht beim Stern. Woher die das wissen? Na weil ich Raucher bin!

Ich gewöhne mich nur langsam an die derzeit allgegenwärtige Diskriminierung von Rauchern, diesen polemische Ton, die Verallgemeinerungen, die Tatsache das ein Drittel der Deutschen jetzt eine zu maßregelnde Minderheit darstellen, ein Drittel der Deutschen passt nicht mehr in die neue gesundheitsorientierte Gesellschaft.

Nichtraucherschutz finde ich prima, mich stört das dogmatische, undifferenzierte Gebell. Im Übrigen völlig überflüssiges Gebell, die Gesetze sind auf den Weg gebracht, Deutschland kann bald flächendeckend aufatmen. Vielleicht aber auch nicht so richtig, wie ich gerade bei einem Ausflug ins bereits rauchfreie Niedersachsen erfuhr.

Gestern Abend saß ich mit meinem lieben Freund Mikeybar in einem hannoveranischen Restaurant und er berichtete von einem erstaunlichen, olfaktorischen Nebeneffekt der Nichtraucherei, von dem ich bislang in den Debatten noch nichts gehört hatte. Mikeybar beklagte den Geruch anderer Menschen. Ein Konzert sei keine wahre Freude mehr, die Luft sei besser, ja, aber es rieche jetzt streng nach Nachbar. Billiges Duschzeug, süße Parfums und Schweiß. Viel Schweiß. Interessantes Einzelschicksal eines Nasenwunders, dachte ich noch, und wurde heute in einem hannoveranischen Fotostudio eines Bessern belehrt. Der Kontakter einer Werbeagentur erzählte unaufgefordert, er als Nichtraucher habe sich Anfangs sehr gefreut über das neue Gesetz. Er ging früher gerne in einen kleineren Club in Hannover, in dem so stark geraucht wurde, dass spätestens ab Mitternacht Tränenfluss einsetzte. Jetzt geht er gar nicht mehr in den Club. Spätestens ab Mitternacht seien die Ausdünstungen der Tanzenden nicht mehr zu ertragen, dieser beißende, essigsaure Schweißgeruch, den Mann bislang nur aus Männerumkleiden in Mucki-Buden kannte und der bislang gnädigerweise rauchummantelt war. Ihm wird schlecht, ab Mitternacht.

Neujahr 2008 stirbt per Gesetz auch in Hamburg kein Nichtraucher mehr auf dem Dancefloor oder im Restaurant. Dann ist Schluss mit Passivrauchen. Dann können wir uns wieder richtig gut riechen. Echt lustige Nebenwirkung.

In der oben zitierten Stern-Propaganda-Schrift wirft der Konsumforscher Wolfgang Ullrich übrigens noch einen Blick in die nahe Zukunft, die Zeit nach den durchgesetzten Nichtrauchergesetzen: als nächstes, so Ullrich, seien „die Übergewichtigen dran“. Da gäbe es ja etliche Parallelen zwischen Fettleibigen und Rauchern!

Wau. Ich finde das konsequent weiter gedacht. Und wenn man das konsequent noch weiter denkt und auf weitere Personengruppen ausweitet die, irgendwie, nicht in die „Körper als Fetisch“-Gesellschaft passen…dann ist irgendwann der Schweißgeruch das kleinste Problem der Deutschen.