Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Samstag, 2. September 2006
Im Rückwärtsgang nach vorn: Sebastian Sturms Album "This change is nice"


Foto: Chris Krohm

Da rieben sich German Reggaeheads verwundert die Lauscher: eben noch lief die Platte von Martin Jondo auf heavy rotation, diese dicke, deutsche Wunderscheibe, ein einmaliges Roots-Album, brillant rückwärts gewand. Dass es so was überhaupt gibt, seufzte die dancehallmüde Massive und drückte glückselig auf rewind. Ich schrieb es damals unter meine Besprechung des Jondo Albums „viele Reggaeheads haben nach brachialen Dancehallgewittern, der schändlichen Unterwanderung durch klebrigen R´n´B sowie hektischen Reggaetone-Hüpfburg-Socca-Partys einfach wieder Sehnssucht nach dem puren, minimalen Stoff.“ Der ist aber nicht so einfach zu produzieren wie lärmender Spaß-Reggae aus dem Computer, da braucht es eine große Stimme und echte Musiker. Erstaunlich, das Wunder geht weiter: ein bislang relativ unauffälliger Sänger mit dem bürgerlichen Namen Sebastian Sturm, hat mit der Aachener Band Jin Jin („wir verstehen uns als Buena Vista Social Club des Reggae“) ein weiteres, bombastisch gutes Roots-Reggae-Album veröffentlicht. Den 26 jährigen Sebastian Sturm ein Talent zu nennen, wäre eine Frechheit, der Mann weiß was er kann und er kann es. Schnörkeloser, authentischer Reggae direkt aus den 70ern, eine Gänsehaut-Stimme zu fetten Bässen mit prallen Bläsersätzen, es tuckert und pluckert mitreißend auf der Platte „This change is nice“, die am 15.09.2006 erscheint, bei iTunes aber bereits vorliegt. Ein Meisterwerk.

Sturm verzichtet im Gegensatz zu Jondo auf jegliche Art moderner Einflüsse, hier gibt es „nur“ den puren Stoff, ruhig, deep und cool. Das muss man mögen, wer es mag wird diese Platte lieben! Den vergleich mit Marley schenke ich mir, Sturm selbst eröffnet sein Album mit einer Coverversion von „Kinky Reggae“, ein gewagter Zug, aber was soll ich sagen, „Kinky Reggae“ klang nie dicker, eine äußerst gelungene Verbeugung vor dem, leider tot genudelten, Gott des Reggae. Die übrigen 13 Tracks gehören allesamt zum Besten was es in den letzten Jahren aus der Roots-Rock-Schublade zu hören gab. All killers, no fillers. Im Rückwärtsgang nach vorn. Ein Meisterwerk, sagte ich es schon?

..................Links zum Thema

Sebastian Sturm
http://www.sebastian-sturm.com/

Jin Jin
http://www.jinjin.de/index2.html