Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Samstag, 7. März 2009
Konzert Review: Phillip Boa & the Voodooclub, Markthalle, Hamburg, 06.03.2009

„Komisch, ich hab seine Stimme irgendwie schneidender, kräftiger in Erinnerung“, sagt die Liebste. Ich nicke mit dem Kopf und kucke stirnrunzelnd auf das Youtube-Video von „Container Love“. Der Indie-Mega-Monster-Smash-Hit von 1988 klingt auch sonst insgesamt eher wie eine rumpelige Polka-Nummer. „Und da gehst Du also heute Abend hin.“, stellt die Liebste fest. Ich zucke mit den Schultern und klicke schnell auf „Kill Your Ideals“. Das kennt die Liebste schon nicht mehr, klingt aber auch sehr verwaschen. Seufzend mache ich mich auf den Weg zu meinem sechzehnten Boa Konzert.

Leicht ergrautes Haar, ein bisschen mehr Bauch (Lovehandles), man trägt Schwarz und interessante Brillen, unsere Frauen sind immer noch schön. Unaufgeregtes Rumstehen, gedämpfte Gespräche, noch ein Astra. Da: die Vorband kommt auf die Bühne, traditionell beweist Boa stets Stil, Händchen und Geschmack bei der Auswahl seiner Vorbands, auch diesmal, mit der Hamburger Band Lovehandles. Die Viererband rockt angenehm britisch, erinnert gar an „Pulp“, manchmal an die „Psychedelic Furs“. Klasse! Die Lovehandles spielen am 11. März im Grünen Jäger. Hingehen!

Die Markthalle ist jetzt voll, Licht aus, es ertönt das Intro des Bauhaus-Klassikers „Bela Lugosi´s Dead“. Wau! Nahtlos spielt sich der Voodoclub ins Stück, die Musik dreht, das Konzert beginnt mit „Fine Art In Silver“. Was für ein großer Auftakt. Der Meister erscheint, er scheint nicht älter zu werden, irgendwas ist da im Wasser seiner Wahlheimat Malta, Boa, ein zwei Meter großer Dorian Gray im Anzug mit Halstuch, wirft das Haar dramatisch nach hinten, große Gesten, raumgreifend stolziert er getrieben auf und ab. Alle Bühnen waren schon immer zu klein für Phillip Boa.

Da ist Pia! Pia Lund, graublond in einem wunderschönen schwarzen Kleid, unnahbar wie immer, keine Miene zum lauten Spiel. Ich finde Pia Lund immer wahnsinnig tragisch. Es ist sicher nicht leicht ein Leben mit dem resoluten Egomanen und Arbeitstier Boa zu teilen, ich weiß nicht was die beiden für Probleme haben und hatten (und Probleme hatten die beiden reichlich) und wer sich einmal die Mühe macht die komplette Geschichte zur Nichtveröffentlichung von Pia Lunds zweitem Soloalbum durchzulesen, der findet eine ganz traurige Geschichte aus der Plattenindustrie, Erwartungen, Verletzungen, Hoffnung und Ignoranz. Fakt aber ist: die Fans verehren Pia Lund und ihre einzigartige Stimme, Stücke ihres Soloalbums "Lundaland" wurden von Rockers Hifi, den Sofa Surfers und Hans Nieswandt remixt und im Verständnis der Voodoclub-Fans ist Pia genau die Hälfte von Phillip Boa, sie ist die Schöne ohne die es das Biest gar nicht gäbe. Das Tragische ist: ich glaube Pia Lund weiß das gar nicht.

Das Biest ist jedenfalls bester Laune, stimmlich so gut wie nie zuvor, der stets jugendfrische, weil regelmäßig ausgetauschte, Voodooclub in Spiellaune. Schon beim dritten Lied tanzen wir noch mal Pogo („This is Michael“), ich kann das nicht glauben, aber es fühlt sich gut an und die im Dunkeln sieht man nicht. Live sind die Stücke vom neuen Album „Diamonds Fall“ noch kraftvoller, die Band spielt in Perfektion, da stehen großartige Musiker, man merkt es bei den leisen Stücken besonders.

Natürlich gibt es auch Hitparade: Kill Your Ideals (natürlich mit der traditionellen, gegenseitigen Arschloch-Bezichtigung), And Then She Kissed Her, Container-Love tatsächlich (Null Polka, schneidende Stimme!) und als Annie Flies The Love Bomber erklingt, berührt mich das ungewöhnlich stark und ich habe plötzlich eine Mücke im Auge. Pias Soli werden allesamt frenetisch beklatscht, nach „The Ballad of Pia And Toett“, mit deutschem Text, vom neuen Album, will der Applaus nicht enden. Der Meister macht schon energisch-genervte Handbewegungen und ich denken: die können alle mal schön nachhause gehen, die ganzen neuen, deutschen Fräuleinwunders, Mia, Juli, Silbermond. Wenn Pia singt können die aber alle mal sowas von nachhause gehen.

Noch eine Zugabe und noch eine und am Ende „Diana“ vom ersten Boa Album. Das neue Album liegt, handsigniert und als saftiges Doppelalbum mit zweimal 180 g schwerem Vinyl zum Preis von 18 Euro am Ausgang bereit. Dankeschön auch dafür.

Bis nächstes Jahr. It must be love.

http://www.phillipboa.de/

http://www.myspace.com/phillipboaandthevoodooclub