Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Sonntag, 13. April 2008
Saturday Night Life (und wo genau?)

I.

„Ich hab ja neulich in der Zeitung XY gelesen dass…, ist ein Satz der langsam ausstirbt im Hause Paulsen. Früher konnte ich mich nämlich an die Zeitungen erinnern, die ich gelesen hatte und in welcher Zeitung ich was gelesen hatte. Auch heute lese ich noch Zeitungen, aber eben auch Blogs und überhaupt Internet. Es ist nicht so, dass ich alt und vergesslich geworden wäre (das auch), aber am Ende eines langen Tages, zum Beispiel bei einem abendlichen Sofa-Plausch mit Freunden, sehe ich mich immer öfter außer Standes, mitteilungswürdige Neuigkeiten oder Zitate ihren Quellen zu zuordnen. Ich habe keinen Schimmer wo genau ich was gelesen habe. Das entwertet und entkräftet die Neuigkeiten und Zitate, lässt mich alt und vergesslich erscheinen.

II.

Obwohl ich schon sehr alt bin, bin ich noch vorzeigbar, habe Rhythmus im Blut und keine Kinder. Ich möchte noch ausgehen, ich könnte noch ausgehen. Jedenfalls bis nach dem Essen. Gestern wieder: bei Freunden gegessen, Pasta Rustico mit Tomaten, chilischarfen Hackbällchen, Borlotti-Bohnen und Fenchel-Grapefruitsalat. Dazu schwerer katalanischer Rotwein. Ich weiß noch genau, dass ich danach in den schicken HipCat-Club im Thalia Nachtasyl wollte, zu Beat, Soul und Funk das Tanzbein schwingen. Allein es ging nicht.
Lieblich schnurrte die Espressomaschine, gemeinsam zogen wir alle zur augenrollenden, neunjährigen Tochter der Gastgeber aufs Riesensofa, Bohlens Migranten-Stadl* kucken. Süßes italienisches Gebäck wurde gereicht. Herrlich. Ich schaff das einfach nicht mehr.

*den Ausdruck „Bohlens Migrantenstadl“ als scherzhafte und leicht despektierliche Umschreibung der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ habe ich irgendwo gelesen. Ich erinnere mich nur nicht wo genau.