Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
Samstag, 26. Mai 2007
„Ich zieh mich dann mal aus.“ - DJ Paulsens letzter Auftritt.
herr paulsen
10:26h
Die Wahl eines Hochzeits-DJs gehört zu den größeren Herausforderungen die das Leben für einen Mann bereit hält. Wenn man dann noch, wie ich, den eigenen Musikgeschmack für den ausgesuchtesten der Welt hält und selbst auf eine DJ-Laufbahn zurückblickt, ist das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Freudlos war die Suche. Mit dem ersten Bewerber lieferte ich mir ein halbstündiges Namedropping obskurer, musikalischer Eintagsfliegen, der Verlierer rächte sich mit einem unbezahlbaren Preisangebot, satt vierstellig plus Technik. Ich durfte mir Sätze anhören wie: „Nein, die Achtziger sind erstmal kein Problem, sondern ein Jahrzehnt.“ Jahrelang legte ich Platten in den unbekanntesten Trinkstuben der Hansestadt auf, bis sich die Wirte erbarmten: „Komm, lass ma, da kommt jetzt keiner mehr.“ Langsam dämmerte mir damals, dass mein Musikgeschmack eher in die Einsamkeit als auf den Dancefloor führt und ich zog mich beleidigt aus dem Nachtleben zurück. Meinen letzten Auftritt als DJ hatte ich 2004. Ich folgte der Einladung einen Abend lang die Lesereihe Transit zu beschallen. Ich mag die Leute die das machen und ich mag das Konzept von Transit. Dort ist der DJ Künstler, genau wie die auftretenden Autoren auch. Es wird großen Wert auf individuelles und thematisches Auflegen gelegt und das Publikum macht mit, egal ob Country, Electro, Punk, es wird fröhlich zugehört. Das nur zu meiner Entschuldigung. Ich also mit zwanzig Kilo Rocksteady-Platten bewaffnet den Laden bespielt. Kein dummes Gefrage, dankbare Kopfnicker. Herrlich. Plötzlich stand sie vor mir. Eine hübsche, sich aber offensichtlich im Drogenrausch befindliche, junge Frau. Ob ich schon wüsste, dass Hamburg im Bombenhagel Bin Ladens brennen wird? Ich zuckte mit den Achseln und studiere angestrengt die Plattenrillen der nächsten Scheibe. "Ich zieh mich dann mal aus." sagt sie plötzlich und zog sich aus. Schmuddeliges T-Shirt, schwarzer Spitzen-BH, raus aus den Klamotten. Sie stützte sich auf den DJ-Pult, ihre kleinen Brüste schwebten über dem Plattenteller, direkt vor meiner Nase. "Und?" fragte sie und blies sich dabei eine blonde Locke aus dem Gesicht. "Jetzt Du!" sagte sie, "los, T-Shirt aus!". Ich schüttelte den Kopf, und erzürnte damit die Barbusige. Sie trat zwei Schritte zurück, zeigte mit dem Finger auf mich und brüllte: "das Arschloch will sich nicht ausziehen, immer muss ich mich ausziehen, Scheißmänner, alles Scheißmänner, der Arsch hier weigert sich!" Gerne möchte ich an dieser Stelle noch von einem DJ berichten dessen Lösung der Publikumswunsch-Problematik, nun ja, zumindest gewöhnungsbedürftig ist. Andy, ein ganzkörpertätowierter Mensch der nur aus Knochen, Adern und Sehnen besteht, kaum mehr Zähne im Mund hat und damals halbnackt im BP1 auflegte. An guten Abenden trug er eine Hose oder ein Hemd, selten beides gleichzeitig. Permanent beschimpfte er alle Gäst als Arschwichser und Schleimmösen, verteilte großzügig Obszönitäten und fiel auch schon mal besoffen von der Kanzel. Dazu spielte er Elvis, Motorhead, Sex Pistols, Johnny Cash, Exploited und so. Einmal reichte ihm eine Studentin im selbst gewebten Wallawalla-Kleid eine CD von "Wir sind Helden" und bat ihn, doch bitte "Denkmal" zu spielen. Er beugte sich zu ihr vor, brüllte: "Hast Du heute Geburtstag?".
|
Online for 8314 days
Last update: 04.03.10, 19:50 status
Youre not logged in ... Login
recent updates
Gern gelesen:
Ami
Gern gehört:
Audioporncentral
Gern dabei:
NutriCulinary
|