Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
Dienstag, 27. Juni 2006
Tapas-Terror, Türsteher, Tenorio. Eine Suche. ( Beeing Jürgen Klinsmann)
herr paulsen
08:52h
Stelle Sie sich vor sie wären zu Gast in Deutschland und es gäbe in Deutschland ausschließlich nur Restaurants, in denen ausschließlich nur Matjes, Eisbein, Bratwürste, Schwarzwälder Schinken, Sauerkraut und Königsberger Klopse in kleinen Schälchen serviert würden. In unterschiedlicher Qualität aber überall: Matjes, Eisbein, Bratwürste, Schwarzwälder Schinken, Sauerkraut und Königsberger Klopse. Da wird Esskultur zur Speisekarte kulinarischer Langeweile und die Sehnsucht nach Kochkunst steigt. So ging es mir, während der beiden letzten Tage in Barcelona. Die Tapas-Kultur ist wunderbar, nährt aber den kulinarisch Interessierten nicht unbedingt drei Wochen lang. Ich meine, wer kann sich ernsthaft drei Wochen von Fritiertem, Schinken, Blutwürsten und sauer eingelegtem Fisch ernähren und dabei täglich in Freudentaummel ausbrechen? Für den Abschluss meines Barcelona-Aufenthaltes sollte es ein schönes Restaurant sein, gerne mit heimischen Spezialitäten und am Liebsten noch mit einem Koch, der Angesichts der hochwertigen Grundprodukte seines Landes inspiriert wurde. Ich gebe zu, ich war schlecht vorbereitet. Ich dachte, ich gehe los und finde was. Ich fand Tapas. Auf meinen gewaltigen Fußmärschen durch diese wunderschöne Stadt, fand ich aber auch gelegentlich die seltenen Restaurants in denen echt gekocht wurde. Statt nur Tapas wahlweise heiß zu machen und zu portionieren, wurden Menüs angeboten, Speisekarten voller lukullischer Verheißungen. Dort scheiterte ich schon an den Türen. Dem Alleinreisenden wird scheinbar grundsätzlich der Zutritt zur katalanischen Kochkunst verwehrt. Unfreundlich wurde ich zwei Nächte lang überall abgewiesen. Ich war gut gekleidet, Sommeranzug, teures Hemd, elegantes Schuhwerk und trug zudem die Absicht, überdurchschnittlich viel Geld auszugeben, wenn ich nur nicht noch mal Ensalada Russa essen müsste. (Ein populärer Tapas-Bar-Salat aus tiefgekühltem Mischgemüse das mit Mayonnaise verrührt wird, für mich die dunkel Seite der Tapas-Kultur) Es half alles nichts und es war besonders die durchweg herablassende Art der Türwächter, die meiner Suche etwas zutiefst Demütigendes gab. Ein Bittsteller an den Türen der Gastronomie, die eigentlich Gastfreundlichkeit verkörpern sollten. Der Höhepunkt dann vor dem Restaurant „Tragaluz“ in der Pasage de la Conception. Dort macht man schön bunt auf Rizzi und pflegt zumindest äußerlich die Multi-Kulti-Leichtigkeit. Die Karte liest sich aber großartig. Die auf Englisch vorgetragene Bitte um einen Tisch verlief hier zunächst ins Leere. Es folgte ein Vortrag auf Català, den ich nicht verstand. Ich sprach Fetzen auf Spanisch, hakte nach, bekam noch mal den eben schon gehörten Vortrag, bat dann den verstummten Maitre mir doch bitte vielleicht auf Englisch zu antworten. Daraufhin wurde mir der Tisch in fließendem Englisch abgesagt: „What I told you two times, is the fact, that we don´t have a table for one person only.“ Ich hätte dem Herren gerne die Nase gebrochen, bin aber ein höflicher Mensch. Ne passa nada. In der zweiten Nacht meiner Suche nach Tellergerichten landete ich schließlich vor der Braseria Tenorio, direkt am Cassa Battló von Antoní Gaudi gelegen. Zweifelsfrei, allein schon wegen der Lage sicher eine Touristen-Verarsche. Es war aber schon halb Elf und mit alles egal. Ich bitte die Dame am Eingang um einen Tisch auf der Terrasse (voll frech!). Da müsse sie aber den Geschäftsführer holen, platzt es patzig aus der Dame. Geschäftsführer kommt, lässt sich erweichen, na guuuuut. Der asiatische Kellner bringt die viersprachige Karte. Oh weh. Liest sich aber gut und ich bestelle einmal alles mit einer Flasche „Cresta Rosa“, einem katalanischen Rosé der zu meiner Überraschung moussiert. Und korkt. Mist, jetzt kann ich meine neuen Freunde schnell wieder verlieren. Ich sorge mich aber um meinen morgigen Schädel und reklamiere vorsichtig. Anstandslos wird eine neue Flasche gebracht, gemeinsam mit dem Kellner ein Probeschlückchen verhaftet und der Mann macht große Augen: „Yes! What a difference!“ Puh. Dicke Streifen alten Manchegos werden gereicht, Olivenöl, Meersalz und knuspriges Tomatenbrot. Der Kabeljausalat auf lauwarmen Tomaten wird von grünem und „schwarzem“ Olivenöl begleitet und macht sofort glückselig. Das Carpaccio habe ich bestellt, weil es eines meiner Lieblingsgerichte ist und mein persönlicher Restauranttester. Diese hier ist hocharomatisch, das Fleisch schmeckt nussig nach schwarzem Pfeffer und einer deutlichen Note Estragon. Toll! Dazu werden Baguettscheiben gereicht, die aussehen als wären sie drei Tage alt und total vertrocknet. Sind sie aber gar nicht, butterzart krümeln die Scheiben, die an luftigen Zwieback erinnern. Grandios! Die gegrillte Bratwurst vom Schwein mit weißen Bohnen ist würzig und saftig und wir mit Chiliöl gereicht. Zum Dessert habe ich ein Mousse von Crema Catalan bestellt, die eigentlich eine ganz normale Créme Brulée ist. Nur hier versteckt sich unter krachendem Karamel und gesüßter, gestockter Eiermilch noch ein lockerer Bisquitboden. Die Köche des Tenorio retten in dieser Nacht die kulinarische Ehre dieser Stadt. Und als ich auf Anfrage auch noch erkläre ich käme aus Hamburg, Germany, da wird das Personal für meinen Tisch noch mal, von mittlerweile zwei, auf drei Kellner aufgestockt und alle beglückwünschen mich zur Deutschen Nationalmannschaft als sei ich Klinsmann persönlich. So ist es doch noch ein schöner Abschluss geworden, die Arbeit hier ist vorerst beendet und El quiosco schließt versöhnt seine Pforten bis Anfang August. Bis dahin gibt es wieder den Kiosk aus Hamburg und ich habe mir vorgenommen derweil an meinem Spanisch zu arbeiten, emsig zu recherchieren und vorab telefonisch zu reservieren. Die sollen mich kennen lernen! Und ich freue mich darauf, nächstes Mal die Gastronomie Barcelonas endlich kenne zu lernen.
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