Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Sonntag, 6. November 2005
Testesser Paulsen berichtet. Heute: "Schauermann"

Im Frühjahr 2004 erlebte ich im Restaurant „Brücke“ in Hamburg einen kulinarischen Abend der Superlative. Die Aufzeichnungen von damals tönen begeistert, von lukullischem Glück ist da die Rede, von einer Sensation und am Ende der Restaurantkritik gehe ich sogar in die Knie vor der großen Kochkunst, die ich an diesem Abend erleben durfte. Die „Brücke“ gehörte zumindest damals zu den Restaurants die es nicht für nötig halten den Namen ihres Koches auf die Speisekarte zu setzen, einen Umstand den ich in diesem Blog schon an anderer Stelle anprangerte. So erfuhr ich erst später den Namen des Kochkünstlers: Stefan Mario Niese.

Heute kocht Stefan Mario Niese im „Schauermann“. Das Schauermann liegt nur einen Steinwurf von der einst Schlachten umtobten Hafenstrasse entfernt und ist gerade das angesagteste Restaurant Hamburgs. Die Kritiker überschlagen sich und der famose Blick über den nächtlichen Hafen wird nur in Nebensätzen erwähnt, es ist die sensationelle Küche von der gesprochen wird. Don´t belive the hype denke ich und gehe trotzdem hin, heimlich auf eine Wiederholung des kulinarischen Glückes von einst hoffend.

Es ist 19:30 Uhr und wir sind die einzigen Gäste im Schauermann. Durch den Raum wabbert anstrengender, synthetischer Geräuschpudding, der an Jean Michel Jarre erinnert und in seiner meditativen Monotonie sofort eine bedrückende Stimmung zaubert. Die klaren Lichtlinien, dunkles Holz und besonders die supergemütlichen Thonet-Stühle, die hier nach jahrelangem Einsatz im einstigen Fernsehturm-Restaurant, frisch bezogen ein zweites Leben beginnen, stimmen versöhnlich und ja, der Blick über den nächtlichen Hafen ist wunderschön.

Dann kommen auch schon Kellner und Karte. Ersterer empfiehlt als Aperitif eine Riesling-Schorle mit Aperol, munter bimmeln die Eiswürfel im erfrischenden Drink und wir beugen uns über die übersichtliche Karte. Je drei Vorspeisen, Hauptgänge und Desserts künden von Konzentration in der Küche, entlocken aber meinen Begleitern ein geseufztes: „Also irgendwie springt mich da jetzt nichts so richtig an.“ Das ist der Nachteil von kleinen Karten, da ich aber weiß, das die Vorteile kleiner Karten überwiegen, rufe ich gemeinsam mit dem Kellner zu mutigen Entscheidungen auf, irgendwann hat dann tatsächlich jeder irgendwas gefunden und der Wein kann ausgesucht werden. Unser Kellner entpuppt sich als leidenschaftlicher Weinkenner, bringt ungefragt viele kleine Probeschlücke, weiß über die Weine viel zu berichten und wir sitzen mitten in einer lehrreichen Weindegustation von Format. So großartig wie großzügig!

Wir entscheiden uns für den 2004 Kalkmergel Riesling aus Rheinhessen vom Weingut Schneider, eine einzelne Dame am Tisch weiß zu berichten, der Winzer sähe „umwerfend gut“ aus. So schmeckt dann Gott sei Dank auch der Wein ( 24€), besonders zum Thunfischtatar auf Gurkensalat (10€), einer nicht gerade innovativen Kombination, die hier aber präzise abgeschmeckt den Gaumen fordert, mit süßer Vinaigrette, butterzartem Thun und scharfer Daikonkresse.
Die getrüffelten Kartoffelravioli (15€) kommen mit einer dicken Ascheschicht von gehobelten Sommertrüffeln und kommen ohne Trüffelöl aus. Nur Ravioli, Butter, Trüffel, Salz und Pfeffer. Ja!

Laut ist es geworden, brechend voll, Jean Michel Jarre hat sich ausmeditiert und es läuft jetzt der übliche Lounge-Kram in wenig störender Lautstärke über die lautstarke Gästeschar. Man sieht sich!

Zum Hauptgang trinken die Damen immer noch vom Weingut Schneider, mittlerweile hat es sich rumgesprochen, wie umwerfend gut der Winzer aussieht und die schöne Weindegustation vom Anfang war vergebene Liebesmüh. Zumindest ich lasse mir zum Hauptgang noch einen kräftigen Shiraz bringen, der am Ende nicht auf der Rechnung erscheint und meine geschmorten Kalbsbäckchen (19€) elegant schwimmen lässt. Vor den Kalbsbäckchen hatte der Kellner gewarnt weil er es leid sei „dass sich die Gäste immer beschweren“, denn die Kalbsbäckchen seien doch sehr durchwachsen. Also mit Fett. Das schreckt mich nicht, rufe ich und bereue tatsächlich später nichts. Sensationell zart sind die Bäckchen in einer kräftigen Gremulatasauce, dazu gebratenes Gemüse und keine Beilagen. Keine Beilagen? Ja, zum Bäckchen wird noch mal Brot serviert.
Zur rosa gebratenen Lammhüfte (18€) gibts Kartoffelpüree und Pied de Mouton, kräftig schmeckende Pilze, die an Pfifferlinge erinnern. Das ist perfektes Handwerk, es schmeckt hervorragend, gradlinig ohne Schischi.

Zum Dessert aus Walnussknödeln auf Fruchtsauce (6€) vermag ich nichts zu berichten, die Damen seufzten jedenfalls selig und schlugen die Augen zur Decke, während ich mir bei einem weiteren Glas Rotwein die Rohmilchkäseauswahl schmecken lies.

Arm aber satt und selig verlassen wir das Schauermann, eine Adresse für risikoloses Essen auf hohem Niveau, mit wunderschöner Aussicht und einem eloquenten Kellner zum verlieben, der an diesem Abend gegen Herrn Schneider verlor. Schauermann, der verdiente Hype, den man im Auge behalten sollte, denn für die nächste Zeit sind Deutsche Klassiker angekündigt. Das wäre dann auch noch spannend.

......................................ritsch.

Link zum Thema:

http://www.restaurant-schauermann.de/