Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Mittwoch, 28. September 2005
Im Kochbuchdschungel

Es ist eigentlich ganz einfach. „Kochen,“, pflegte mein Lehrmeister zu sagen, „Kochen ist Physik und Glückssache“. Mit der Physik, meinte er das Wissen über Aggregatzustände, Struktur - und Molekülveränderungen sowie die Auswirkungen von Hitze und Kälte auf alles Essbare. Das wünschenswerte Quentchen Glück beinhaltete ein leichtes Händchen, eine Zunge, eine Nase, Kreativität und Leidenschaft. Dinge, die einem der Herrgott mitgegeben haben sollte, auf den Weg in die Küche.
Nun ist das so eine Sache mit dem Glück, ein Physikstudium knifflig und langwierig und eine Kochlehre führt meistens in finanzielle und geistige Armut, man verliert seine Freunde und einige Jahre später auch den Verstand.
Wer trotzdem Schönes zaubern möchte und von leuchtenden Gesichtern und dankbaren Mienen in seiner Küche träumt, der kauft sich ein Kochbuch, oder zwei, oder drei.......welcome to the jungle, baby.

Der Kochbuchmarkt ist ein krisensicheres Umsatzmonster, hier tummeln sich Selbstdarsteller, Nepper, Schlepper, Hobbyköche-Fänger, Zeitgeistjäger, Trendausrufer und Nichtskönner. Und Sie alle wollen nur ihr Geld.
Hier und da verstecken sich aber die seltenen, echten Perlen, lehrreiche Kochbücher mit schöner Fotografie, machbaren Rezepte mit dem gewissen Schlenker, liebevoll gestaltet und funktional. Nur mit dem Auffinden dieser scheuen Exemplare, ist es so eine Sache.

Eine echte Hilfe ist schon mal der Blick auf den Preis, Sie können billige Kochhilfen kaufen, allerdings umsonst. Glauben Sie ernsthaft, diese preiswerten, inflationären Drehkarussell-Schlabberheftchen für ein paar Euro bringen Küchenglück in Ihr Heim? Vergessen Sie es. Unterbezahlte Lohnrezepteschreiber, kleistern da am Schreibtisch Rezepte zusammen, die nicht lohnen und meistens auch nicht funktionieren. Für ein bisschen mehr Geld gibt es öfter auch ein bisschen mehr, sorgfältig erarbeitete Rezepte.

Kaufen Sie bitte auch keine Pasta-Bücher denen Cds mit Rossini-Opern beigelegt sind, oder Bände die sich „Moodfood“ oder „Kochen nach Farben“ nennen. Bei solchen Büchern tourettiere ich immer schon gerne direkt im Buchladen und nehme, unter den besorgten Blicken der Buchhändlerinnen, schlimme Worte in den Mund.

Sollten Sie in Mailand, Paris und New York arbeiten und sich ausschließlich von Reis-Crispinos ernähren, dann haben Sie wahrscheinlich Freude an großen Prachtbänden wie den Donna Hay-Büchern oder dem wunderschönen Rizzi-New York-Kochbuch. Die können Sie dann unauffällig in der Wohnung verteilen, direkt neben Ihren gesammelten Wallpaper-Ausgaben und Ihren Lounge-CDs. Wunderbare Bücher fürs Sofa, nicht für die Küche.

Kaufen Sie auch erstmal keine Bücher von großen, berühmten Küchenchefs, es sei denn, Sie möchten nur mal so gucken und schwelgen. Die Küche der Stars ist selten nachvollziehbar. Oder haben Sie größerer Mengen Demi-Glace aus 20 Kilo Rinderknochen, Hummercarcassen und Fischfond im Haus und mal eben drei Tage Zeit für eine feine Vorspeise? Eben. Außerdem lassen die Götter absichtlich Zutaten und Arbeitsgänge weg, wäre ja noch schöner wenn Hans und Franz plötzlich kochten wie Hans Haas und Franz Raneburger.

Ausnahme ist hier Fernsehkoch Tim Mälzer dem es gelingt pubertierende Bravo-Leserinnen und bejahrte Kaffeeklatsch-Tafeln gleichermaßen in Extase zu versetzen. Sein erstes Kochbuch „Born to cook“ dominierte monatelang die Bestsellerlisten, demnächst erscheint der zweite Band mit dem einfallsreichen Titel „Born to cook II“ (Goldmann) und auch diesmal serviert Mälzer wieder seine raffinierte, nachvollziehbare Küche. Mehr Vorbestellungen hat der Deutsche Buchmarkt derzeit nur mit dem neuen Harry Potter und ich weiß aus sicherer Quelle, das fehlerhafte oder fehlende Angaben, wie sie hier und da im ersten Band zu finden waren, in der zweiten Ausgabe menschenmöglichst vermieden wurden. (19,90 € )

Ebenfalls für Anfänger wie Fortgeschrittene empfiehlt sich ein Griff zum sechshundert Seiten starken „Kochen! Das gelbe von GU“. Die Anschaffung des gelben Backsteins aus dem Hause Gräfe&Unzer lohnt, 1.295 Rezepte, schwarz auf weiß, ohne schnickschnack, keine Bilder dafür erprobte Rezepte die funktionieren. Sollten Sie sich nur ein einziges Kochbuch anschaffen, ist dies die erste Wahl. (12,95 € )

Weil ich aber Bilder und Fotos liebe nimmt seit Jahren die Kochbuchreihe „Culinaria“ ihren gewichtigen Platz in meiner Kochbuchsammlung ein. Die bis zu 600 Seiten starken Bände präsentieren Länderküchen von Italien bis zur Karibik und Südostasien. Der Doppelband „Europäische Spezialitäten bringt es gar auf knapp 800 Seiten. Alle Bände sind aufwendigst gestaltet, namhafte Fotografen haben Länder, Menschen und Speisen fotografiert, bekannte Food-Redakteure die informativen und fundierten Texte geschrieben. „Klasse für die Masse“, dachte sich damals der Könemann-Verlag aus Köln, scheute keine Kosten bei der Produktion und hoffte auf gigantische Abverkäufe. Den Könemann Verlag gibt es darum nicht mehr, dankenswerter Weise hat aber der Tandem Verlag die Erbschaft angetreten und die kulinarischen Sofa-Reisen gibt es nach wie vor am Wühltisch ihrer Buchhandlung. ( zwischen 15-30 € )

Wer dazu noch was Ordentliches trinken will, dem erklärt Matt Skinner die Wein-Welt im eben erschienen „Wine-just a drink“ (Gräfe & Unzer). So unaufgeregt wie der Titel ist auch das Buch gehalten, klare Worte, klare Empfehlungen, fernab vom sonst üblichen, elitären Weingeschwafel zeigt der Sommelier von Jamie Olivers Restaurant „Fifteen“ wie unkompliziert Weingenuss sein kann. (19,90 € )

Die Machete hilft wenig im Kochbuchdschungel, mit dem Skalpell muss man sich umsichtig durchs Dickicht bewegen. Oder sie fragen einfach andere Menschen die sie im Dschungel treffen, denn Kochbücher, die possierlichen Tierchen mit den bunten Farben, lassen sich leider erst ganz sicher nach der Erprobung wirklich empfehlen.