Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Montag, 12. September 2005
Eine Postkarte aus. Heute: Frankfurt

Vier Menschen stehen vor dem Wolken kratzenden Turm eines Lebensmittel-Giganten und rauchen als ginge es um ihr Leben. Es sind nicht die Zigaretten die einen süchtig machen, es sind die Abstände zwischen den Zigaretten. Feuerzeuge klicken, es rauchen Senior Art Buyer, Creative Concept Leader, die Fotografin und ich. Der erste Zug, ein Jubelschrei der bald zu Husten werden wird, doch erstmal rettet uns Pavel vor dem Raucherbein. „Hallo, ich bin Pavel, bin ich geflogen oder was?“, fragt Pavel, der Kutscher des vor Sekunden in der Empfangshalle bestellten Taxis. „Aaaach, was komm ich gerrne her, immeer die Leute so gut angezogen, jedemal aus der Türr, die Frauen so scheen und die Männerr alle in teurre Anzuge, herrrliche Bild, Mooment scheeen Frau nehm ich ihnen das ab!“. Die Senior Art Buyerin möchte das Päckchen gerne bei sich behalten, Pavel grinst, entblößt weiße Zähne und russischen Charme und sagt: „Halte ich nurr in meine Hände, bis sie eingestiegen sind, gnädig Frau!“ Wirkt sofort.

Wir fahren in die Agentur. Wir unterhalten uns über den Verlauf der voran gegangenen Besprechung, da sagt Pavel: „Zwei tote Mäännerr.“ Wir recken die Hälse, sehen auf die Fahrbahn, ein schrecklicher Unfall vielleicht. Pavel fährt fort: „Zwei tote Mäännerr treffen sich. Sagt der eine, worraan bist du denn gestorrben? Sagt derr andere, am Glick bin ich gestorben. Wie geht das denn? Na, ich komm früh zuhause, denk ich meine Frau betrugt mich, sehe unter das Bett und keiner ist da! Ich war so glicklich, da bin ich gestorrben. Da sagt derr eine, derr wo erfroren war, Mensch hättste mal in Kuhlschrank geschaut, dann wäärn wer beide noch am Leben!“. Totenstille im Taxi. „War der gut oder was?“, fragt Pavel in die Stille. „Mrrrm.“, macht die Senior Art Buyerin. „Öh.öh.öh.“, macht der Creative Concept Leader. „Mmmh.“, macht die Fotografin. „Krchkrchhuhukrch.“, mache ich. Ich sollte nicht soviel rauchen.

„Macht ja nix!“, strahlt Pavel, öffnet eine große Lade und ruft: „Bonbons! Wer will Bonbons!“ Alle wollen Bonbons. „Müsst ihr mehr nehmen, macht ihr spätär Leute glucklich, die ohne Bonbons!“, ruft Pavel, gibt üppig und erklärt „ und zuhause immer in den Kuhlschrank kucken, Mäännerr!, wenn ihr zuhause kommt!“. Dann lacht Pavel laut und es klingt als rauche auch er zuviel.

Vor der Agentur verabschiede ich mich von den Mitreisenden und setze mich nach vorne, neben Pavel, denn „vorrne ist Raucherzimmer! Hinten keine Aschebescher!“ Zum Bahnhof bitte, sage ich und Pavel fährt los. Über eine Brücke. Er zeigt nach links: „Daaaa! Vorne Haus, normale Nutten, schöne Fraun in vorne Haus, dahinter, schau mal, da ist Klassiker! Sauna, alle Frauen laufen nackig, die Japaner kommen mit Reisefuhrer, alle dahin, relaxen! Die Stadt will das abreißen, geht aber schlecht, weil ist es in japanische Reiseführer, so bekannt in der gaanzen Welt. Du wohnst nicht hier? Nächstes Mal gehst du relaxen! 30 Euro für halbe Stunde! Musst ja nix machen. Nur relaxen, scheene Frauen kucken und Appetit bekommen für eigen Frau! Gunstig! Jetzt soll da Bank hin, aber sollen sie doch stehen lassen wenigstens de Sauna, können de Banker relaxen in Pause!“

Ein schrecklich orange gespritzter Mercedes mit Hanauer Kennzeichen drängt uns von der Spur. „ Herrjeminee, haste gesehn? So ein schöner Wagen, war teuer, aber schrecklich gespritzt!“ Waruuum! Ist ein Verbrechen so Wagen und dann so Farbe! Aber andere Frage, wann kommt dein Zug?“ Ich erkläre Pavel, dass ich in einer halben Stunde fahre und vorher gerne noch was essen würde. „ Ohje, Auswahl groooß! Was ist Dein Lieblingsspeis? Da gibt alles, MacDonald, Burgerking, Nordsee, Tahiländisch, Japan und Metzgerei mit warme Theke! Aber besterr Tipp, wenn ich hier fahre, kaufe ich Fisch, nicht bei Nordsee, sondern in Sylt, wie heisst richtich?“ Gosch, sage ich. „Ja genau, frische Fsch und knusprig Brot, wenn ich hier fahre, kaufe ich Fisch, bei Sylt. Gosch. Da sind wir, du brauchts Quittung, hab ich schon an letzt Ampel ausgefullt, kannst du noch mit viel Zeit essen, 10 Euro, gute Reise mein Freund und bis zum nächste Mal.“ Und noch nie hat ein Taxifahrer zu mir, bis zum nächsten Mal gesagt und darum glaube ich das Pavel und ich freu mich schon drauf. Und jetzt kuck ich mal Kuhlschrank.