Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Montag, 9. Mai 2005
Blogmich05-frierender Neuling berichtet:

Einer vorwiegend virtuellen Gemeinschaft im „richtigen“ Leben zu begegnen ist ein riskantes Unternehmen. Gerade wenn man wie ich, erst eine Weile dabei ist und zudem noch weit entfernt davon, dazu zu gehören. Hinzu kommt die Unfähigkeit in großen Gruppen locker Kontakt aufzunehmen, eine Grundschüchternheit, die ihren Ausdruck im großen Schweigen findet. Wäre da nicht diese Neugier auf Menschen, ich wäre wohl zuhause geblieben.



Als ich das zugige Foyer kreuzte, im Anzug und mit flackerndem Blick, lallte mich als erstes ein rotäugiger, schwitzender junger Mann mit Glatze an: „na, Du bist wohl der Veranstalter hier!“. Ich verneinte, trotzdem lobte der Mensch die „geilste Party, Aller!“, dabei knatterte das Red Bull-Fähnchen im Hallenwind. Von der technoiden Entgleisung jenseits des schwarzen Vorhanges im Erdgeschoss wusste ich noch nichts. Verwirrung die sich erst später löste.

Oben dann Erleichterung und eine erste Erkenntnis: Blogger sehen gut aus! Oder zumindest sympathisch, oder Beides. Schnell ein Namensschildchen an die Brust getackert, es konnte losgehen. Erstmal aber ging gar nichts, das große Schweigen bemächtigte sich meiner, nur unterbrochen von kurzen Gesprächen mit den wenigen Menschen die ich dort kannte. Und dann das große Namensschildchen-Entziffern, der Sport der ersten Stunden. In Kleingrüppchen versammelte Stämme, drehten beständig die Hälse wie das sonst nur Eulen können, um aus Augenwinkeln möglichst unauffällig die Namensschildchen der anderen zu lesen. Ich habe noch nie in meinem Leben Frauen derartig offensiv auf die Brüste gestarrt, es tut mir leid, es ging ja nicht anders. Männer waren unverfänglicher.

Leider sagten mir die wenigen entzifferten Schilder nichts, dafür vermisste ich Schildträger die ich gerne getroffen hätte. Auch Zurufe wie: „Wau, sieh mal Paulsen, dahinten XY!“, oder „und das neben XY ist die berühmte XY!“, vermochten mir nicht die dazugehörigen Blogs vor Augen zu führen.

Die Lesung war dann schon eine Erlösung. Lesungen kann ich. Ich startete in der letzten Reihe, zog dann schnell meinen Plastikgartenstuhl vor die Box um überhaupt was zu verstehen und verfluchte die Hallenkonstruktion in Verbindung mit meiner Disko-Taubheit.
Große Texte waren zu hören, kleine Stücke, treffliche Gedanken und literarische Kapriolen, das es eine Freude war und auch das Bier war immer schön kalt. Dann die Füße. Dann die Beine. Dann alles. Eiskalt. Ich wärmte mich hin und wieder bei den Technokids im Erdgeschoß, trank wenig um nicht zu oft auf die Dixie-Klos zu müssen, die so gnädig wie penetrant den Geruch von Bazooka-Kaugummi verströmten.

Als die Dunkelheit einbrach, passierte ganz schnell ganz viel. Namenschilder waren nicht mehr zu erkennen, meines plötzlich verschwunden und das war ein Zeichen und das war gut. Immer noch fremd und frierend atmete ich Macadamia-Nüsse ein und visualisierte vor meinem inneren Auge ein warmes Restaurant mit gekühltem Wein. Da bimmelte mein Handy und ich wurde in ein warmes Restaurant mit gekühltem Wein gerufen, ja, es gäbe auch noch was zu Essen.

Ich verließ Blogmich05 nach fünf Stunden, um 22:00 Uhr. Nächstes Jahr werde ich wieder kommen und gelobe, bis dahin die Blogwelt zu kennen wie meine Westentasche. Ich werde Kurse für Sozialisation und Smalltalk belegen, ich werde einen Anzug aus wattierter Daune tragen und Notfalls Blogger ausrufen lassen, die ich gerne kennen lernen würde.

Und bis dahin:

Danke an die Organisatoren.

Danke an Isabo, Miss Caro, Cassandra und Don fürs Beiseite stehen. Ick bin valibt in Euch!

Und Danke an die Stattkatze, Kaltmamsell, Frau Julie, Praschel und ak für den warmen Empfang.