Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
Donnerstag, 3. März 2005
Internorga-Kickoff
herr paulsen
22:14h
7:00 Uhr aus den Federn, dabei ist heute garnochnicht Messe. Aufbautag, heißt das in der Fachsprache der tausenden Arbeiter die die Hallen bevölkern und babylonische Bauten aufziehen für die der Herrgott nur durch ein Nasenloch pusten müsste, dann wär Ruhe. Eine Stadt aus Pressholzplatten. Die Strassen übersäht mit Sägemehl, Sperrholzplatten, Planen und Dreck. In wattierte Jacken gehüllt, stemmen unzählige Menschen Metallfluzeuge in die Höhe, errichten Diskotheken, Bars, Kaufhallen. Es wird gebohrt, Faxzugänge werden gelegt, Öfen angeschlossen, Wasserfälle lernen laufen, Soundcheck, Licht. Vom gestrigen Bericht ist nichts mehr übrig. Völlig anders ist es auf der anderen Seite, nicht mehr Gast und Käufer sondern Gastgeber und Verkäufer sein. Diese neue Sicht beginnt für mich in der schneidenden Kälte eines explodierenden, überproportionalen Bastelkellers mit dem Ausladen von 2,5 Tonnen Fleisch und Salaten. Slalomlauf mit genervten Lastwagenfahrern, man nennt mich "Junge" und der Aufzugführer droht, mir den Finger abzuschneiden, sollte ich nochmal "zweimal nach dem Ding anklingeln.". Ich lern ja schnell. Oben angekommen tu ich was ich immer tu. Ich nehme ca. zwei Kilo von den 2,5 Tonnen Lebensmitteln, füge noch ein bißchen Mitgebrachtes hinzu, lakiere, häufe, träufel, spraye und fülle gekühlte Glasglocken mit hübschen Gerichten. Viel spannender ist es aber sich umzusehen. Der Mann vom französischen Wein-Stand, hat eine Zeltplane um seinen Stand gewickelt um nicht zu viel zu verraten. Hinter der Plane schreit er den ganzen Tag seine Frau an, die mit geränderten Augen Weinflaschen einsortiert. Die Ökos arbeiten mit einer Wasserwage an der Präsentation ihrer Haferflocken, zu Dritt kämpfen sie um Milimeter. Ein einsamer Däne verkauft Käseverpackungen. Seinen Stand hat er selbst zusammen geschraubt, feierlich drückt er den Lichtschalter, es wird Licht. Zwanzig Minuten schiebt der Däne jetzt Stühle und Tisch unter den Lämpchen hin und her, manchmal setzt er sich, schüttelt unwirsch den Kopf und schiebt wieder. Sein Problem: er möchte nicht, das seine Kunden beim Beratungsgespräch geblendet werden! Der Radeberger-Stand sieht von außen aus wie ein Beerdigungsinstitut. Drinnen gibt es eine Disko mit Licht-DJ. Ich bin gespannt auf Morgen! An unserem Stand ist Ruhe. Meine Kunden sind die entspanntesten Menschen die ich kenne. Lassen sich nicht aus der Ruhe bringen als Messetechniker ihr leinwandgroßes Logo zerschneiden, weil, "dahinter ein wichtiger Sicherungskasten liegt". In drei Meter Höhe. Lieferungen die nicht da sind "kommen halt morgen", ansonsten "noch Nackensteak, Paulsen, wir ham getz Strom!". Gerne würde ich ein wenig ihrer Gelassenheit von dieser Messe mit nach Hause nehmen. Ich habe nämlich während der Arbeit immer den Puls eines Bomberpiloten und werde früher sterben als diese netten Menschen, die an einem Tag zwei Frikadellen, zwei Nackensteak, drei Bratwürste und ein paar Bockwürste ohne Beilagen aber mit Genuß verputzen können. Ham sie ja auch selbst gemacht und es schmeckt. Als ich die Messe verlasse, spricht aus dem Gebälk eine schmeichlerische Frauenstimme zu "allen Ausstellern". Man möge die Müllberge (gigantische Müllberge, überall!) doch jetzt bitte zusammenschieben, denn jetzt kämen die Reinigungswichtel und dann gegen 21:00 Uhr, die Teppichverlege-Mainzelmännchen. Ich hab aber auch einen geilen Job, denke ich und trete in den Schnee. PS: Oh Gott, mein Puls!
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