Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
Donnerstag, 13. Januar 2005
Nachtnachschlag. Herr Paulsen geht aus. Folge I:
Henry Rollins, Shock & Awe
herr paulsen
12:18h
Am vergangenen Dienstag hätte ich fast für Henry Rollins gekocht. In der dunklen Zeit, vom pupertärem Wahnsinn geschüttelt, gab es für mich nur einen Gott und sein Name war Henry Rollins. Vor ein paar Monaten trug es sich zu, da saß ich, mittlerweile gottlos, mit den Machern des „Macht Club“, (Hamburgs größter, regelmäßiger Leseveranstaltung) bei Bier und Bier zusammen in einer Bar und lauschte der Verkündung: am Dienstag, den 11.Januar 2005 würde Gott im Deutschen Schauspielhaus sprechen. Die Musikbox spielte La Paloma, die Glücksspielautomaten klingelten und aus dem Meer verrauchter Fußballfan-Schals die von der Decke hingen, verbreitete sich ein gleißendes, weißes Licht. Ein Engel schwebte auf mich herab, drückte mir ein weiteres Bier in die Hand und sprach dann: "Siehe, Paulsen, versoffener Nichtsnutz vor dem Herrn, Staub bist Du und zu Staub wirst Du, zuvor aber bist Du noch ganz schnell auserwählt, Gott zu bekochen. Gehe hin und koche für Henry Rollins, meide aber das Fleisch und alles Fleischliche, und meide den Rauch und den Suff, sonst erzürnest Du den Herrn!". War ja klar. 15 Leute am Tisch und keiner außer mir hatte den Engel gesehen. trotzdem belehrte ich die Unwissenden und bot meine Dienste als Vegan-Vegetarischer Caterer an. Die Reaktionen waren gemischt, ich war euphorisch und begann zu recherchieren. Dabei entdeckte ich Entmutigendes: Rollins ist kein Vegetarier. Vegetarier sind für ihn "pussies who are afraid of food". Überhaupt schätzt Rollins den Backstagerummel überhaupt nicht, es langweilt ihn jede Art von sinnlosem Gerede, er möchte einfach nur seine Arbeit machen und hat ansonsten "eine viel spannendere Zeit, wenn ich alleine bin." Zum Glück. Dienstag 11.Januar 2005, Deutsches Schauspielhaus Hamburg 20:45 Die 1200 Sitzplätze sind fast alle besetzt. Bleichgesichtige Veranstalter blicken fiebrig ins Nirvana und kratzen an ihren Nikotinpflastern. Aus der Gründgens-Loge hört man in kurzen Abständen nervös die Toilette rauschen. Kurz vor Beginn ein kleiner Eklat. Das Rollins Management, in Form eines beleibten Menschen mit umwerfendem Körpergeruch, verkündet, dass Herr Rollins abreisen würde, wenn die „Vorband“, das Slamteam St.Gallen (Dani Göldin & Etrit Hasler) aus der Schweiz, auch nur eine Sekunde überziehen würden. Monatelang hatten die Veranstalter mit dem Rollins Management gerungen, damit die begabten Jungs überhaupt auftreten dürfen, Rollins teilt sonst niemals die Bühne mit irgendwem. 21:00 Uhr Das Slamteam St.Gallen rockt 14:43 Min. das Haus. Interessiert keinen, freundlicher Applaus, ein paar Buhrufe, alle wollen Henry. Der Manager aus Amerika riecht noch ein wenig strenger und verkündet, so ginge das ja alles gar nicht, es sei jetzt eine 15 minütige Pause zu machen. Knapp 1200 Menschen sitzen im dunklen Saal uns starren zwei Mikrophone an. 21:30 Uhr „Henry!Henry!Henry!“ Da kommt er! Die Liebste ist im Textilhandel tätig und analysiert trocken: „Ach du liebe Güte, die Hose! Total billo! Das Shirt geht, kann er aber meinetwegen auch ausziehen. Die Schuhe gehen gar nicht, auch billig! Aber geil sieht er aus!“ Rollins schleimt sich ein, ja Hamburg sei die tollste Stadt in Deutschland, wir alle hier sowieso die größten, überhaupt die Deutschen finden Bush doof, das findet Henry großartig. Dann erzählt Henry, wirklich sehr lustig und unterhaltsam, eine Stunde lang wie doof Bush ist. 22:30 Uhr Die zweite Stunde ist den Ramones gewidmet. Henry erzählt, wirklich sehr lustig und unterhaltsam, wie geil die Ramones sind. Es ist brütendheiß im Saal, ich schwitze und in meinem Mund stirbt eine Maus, verwest in sekundenschnelle und ich würde gerne was trinken. Auch Wasser zur Not. Aber Henry trinkt ja auch nix. 23:30 Uhr Es geht in die dritte Stunde, Henry nimmt einen großen Schluck aus der Wasserflasche und erzählt dann, wirklich sehr lustig, von Afghanistan, dem Irak ( I saw no dead people, but the Nighthawk-Fly was like woha!), William Shattner und Ben Stiller. Ich versuche nicht zu sterben. 00:15 Uhr Grenzbereich Todeszone. Ich wanke aus der Sauna, bestelle drei Bier und zünde mir zwei Zigaretten an. Wir gehen in die Schauspielhauskantine um mit den Veranstaltern weiter zu trinken. Durch die Rauchschwaden erkenne ich kalkweiße Gesichter, blutunterlaufene Augen sehen mich matt an. Biere werden in windeseile inhaliert. Gerne hätte ich noch heiße Insiderinfos aus dem Backstagebereich gehört, den Veranstaltern war aber nichts zu entlocken. Sie müssen Schreckliches erlebt haben. „Henry?“ „Vergiss den, Paulsen, vergiss den.“ ...........................................ritsch! Machtclub: http://www.macht-ev.de/ Das Hamburger Abendblatt erzählt: http://www.abendblatt.de/daten/2005/01/13/386434.html Henry Rollins-Site/Tourdates: http://21361.com/
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