Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Donnerstag, 6. Januar 2005
Der Big Mäc, die Literatur & Sergeant Hartman

Nachdem ich gestern noch viele Stunden gespannt den Feierlichkeiten zur Kioskeröffnung folgte, trieb mich der Hunger vor die Haustür, durch den Niesel, zum Bahnhof Dammtor und dort direkt zu meinem Lieblings-MCDonalds. Ich halte gelegentliche MCDonalds Besuche nicht für verachtenswert, nein ich zitiere da immer gerne den Bayrischen Sternekoch Alfons-the Wamperl-Schuhbeck, der in einem TV-Spot auf die Frage: „Immer die besten Schmankerl und dann Wurst?“, mit vollen Backen in die Kamera knödelte: „jo,eben,drum.“

Der MC im Bahnhof Dammtor ist nicht etwa mein Lieblings-MC, weil dort die Burger besser belegt wären, die Belegschaft freundlicher und frische Blümchen auf dem Tisch, nein, der Bahnhof Dammtor mit dem darin befindlichen MC steht in fußfreundlicher Entfernung zu meinem Heim. Ein weiterer Vorteil ist der Zeitschriftenladen im Bahnhof Dammtor. Wer schon mal in einem MC saß ohne was zu lesen dabei, der weiß was ich meine. Die Lektüre der ausliegenden Kino-News (alle Filme supergeil!) oder der Nähwerttabellen für Burger & Co (alles Essen superleicht!), wirkt zumindest auf mich nicht sehr anregend und kauend Leuchtreklame zu hypnotisieren, bringt einen nicht wirklich weiter auf der Welt.

Also husch, rein in den Zeitschriftenladen. Dort erstand ich für 10 Euro die werbefreie Literaturzeitschrift „Der Freund“, herausgegeben von Christian Kracht. Ich bestellte mein Lieblingsmenü eincheeseburgereinbigmacnixzutrinkenkeinepommesjazumhieressen und nahm Platz. Beim Durchblättern der Zeitschrift blieb ich sofort auf Seite 68 hängen.

Drei MCDonalds Gerichte zum zuhause kochen,

stand da. Ja, so lob ich mir doch eine Literaturzeitschrift. Immer am Volk! Und höchst interessant: man erfährt, das zum Beispiel der Fischmäc 1963 in Cincinnati, Ohio erfunden wurde, damit Katholiken auch Freitags mal vorbeischaun. Oder das Chicken McNuggets in einer dreijährigen Entwicklungsphase zur Vollendung gebracht wurden. Der Big Mac, las ich erstaunt, ist ein Jahr älter als ich, also schon sehr alt, und das Rezept zum Nachkochen besteht aus 22 Zutaten. Ich werde die Rezepte alle mal ausprobieren und dann an dieser Stelle darüber berichten. Wer übrigens gerne isst und nicht nur bei McDonalds, dem sei im selben Heft das fiktive Gespräch zweier Restaurantkritiker empfohlen. (...neulich, Meraner Kellerstuben, Traubensoufflé aus der Panzerottischnecke, was find ich in meiner Backentasche? Eine Hundemarke!)

Ich selbst kann auch noch was beitragen zum McDonalds-Mythos-Enthülling. 1995 habe ich mich mal in ein McDonalds-Ausbildungslager verlaufen und damals darüber einen Text geschrieben, den ich jetzt hier einfach noch anhänge:

McDonalds bildet aus

Kurz nach meinem achten Geburtstag, antwortete ich auf die Frage was ich den einmal werden möchte, mit geradem Blick und fester Stimme, wahrheitsgemäß: Verkäufer bei Mc. Donalds. Tanten, Onkels, Omas und Opas waren nur verhalten begeistert. Was wussten die schon! Die Entdeckung und Erweckung meines Berufswunsches geschah am 13.03.1977, zum Geburtstag hatte ich mir einen Besuch bei Mc. Donald gewünscht, mit der Option soviel essen zu können wie möglich. Und so machten sich meine Eltern und ich am Geburtstagsmorgen früh um Sechs auf den Weg zum nächstgelegenen Mc Donalds Restaurant. Das lag in dieser dunklen Zeit noch 300 km von meiner Heimatstadt entfernt und wir fuhren viele Stunden in Mamas Fita 500 gen Bodensee, setzten mit der Fähre über und waren zur Mittagszeit bei Mc.Donalds in Konstanz, einer von damals elf Mc.Donalds-Filialen in Deutschland.

Ich aß mit großem Appetit drei Burger, einmal Pommes und eine Apfeltasche und war sehr enttäuscht über die doch überraschend eingeschränkte Aufnahmefähigkeit meines Magens. Zu allem übel, erbrach ich bei der Rückreise auf der Fähre das teure Gut, über die Reling gebeugt direkt auf das stolze Wappen des Schiffes „Meersburg“. Als wir anlegten war vom Ufer aus nur noch „Meurg.“ zu lesen an der weißen Schiffswand.

Auf der Rückfahrt überlegte ich dann, welche Möglichkeiten es gäbe, unbegrenzt an die Burger zu gelangen, ohne danach jedesmal zu kotzen und als wir zuhause in die Garage fuhren war mir klar, ich würde dort arbeiten müssen für den vollen Geschmack!

Ronald Mc Donald und ich wuchsen beide recht schnell in den nächsten Jahren und die flächendeckende Erhältlichkeit der Klopsbrötchen rund um die Uhr milderten meinen Berufswunsch. Trotzdem sah ich immer noch gerne dem emsigen Treiben hinter den Bedienungstresen zu und träumte davon im Schutz der Pommesfrites-Maschinen den Mundraub an meinem Arbeitgeber zu begehen.

Vor ein paar Wochen hatte es sich dann schlagartig ausgeträumt. Ich besuchte einen Freund in London, dort trieben mich Hunger und wahrscheinlich auch ein wohlmeinender Wind der Erkenntnis in eine McDonalds-Filiale.

Es war um die Mittagszeit, viele Leute in langen Schlangen, nur der Schalter ganz rechts war wenig besucht und ich stellte mich an. Es ging auch sehr schnell. Und es war auch sehr laut. Schuld an beidem war ein hochgewachsener, glatzköpfiger Koloß, seine Muskeln zeichneten sich Adern-genau unter seinem knappen McDonald´s-Hemd ab und er brüllte ununterbrochen die junge Frau am Schalter an:

„hurry, hurryyyy, times runnin!, whacha think yo doin here, hurry, hurry, times runnin, these people waaaait, tooo long, toooo loooong!“

Jetzt bemerkte ich auch das gelbe Plastik-Absperrband und als ich es erreichte, zwei Personen noch vor mir, riss der Sergeant eine seiner drei umgehängten Stoppuhren hoch, lächelte mich entrückt an und schrie :

“ two to go, six minutes to show!“,

drückte den Schalter der Stoppuhr und mir wurde klar, ich war in der Full Metal Jacket Filiale der McDonald´s Company gelandet und Sergeant Hartman würde diese Frau töten, wenn ich nicht in sechs Minuten dran wäre. Leider fiel der jungen Frau beim Bedienen meines Vordermanns ein Teil des Wechselgeldes auf den Boden und ich ereichte die Kasse mit zweiminütiger Verspätung. „One Big Mäc , please“, flüsterte ich.
Sergeant Hartman bekam einen Herzanfall, sein roter Kopf brüllte aus dem Hemdkragen:

„ young Lady, you wastet two Minutes of HIS life“,

er zeigte auf mich,

“I gave you six, tell me what gives you the right to waste Two! Expensive! Minutes! Of! This! Nice! Gentleman´s! Life!“

Dann drehte er sich zu mir, drückte mir meinen bestellten Big Mäc in die Hand und schrie:

„she wasted two minutes of your life, Sir, so sorry about this, this one is for free.“

Ich ging mit der beeindruckenden Erkenntnis, daß zwei Minuten meines bescheidenen Lebens genau einen Big Mäc wert sind und dem Vorsatz, nie mehr einen McDonalds aufzusuchen.

Das Fleisch ist schwach.