Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
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Samstag, 29. Januar 2005
Herr Paulsens erbauliche Sonntagspredigt. Folge IV: Der Guide Michelin, Testeralarm & die Ostend Queen
herr paulsen
17:02h
(Immer Sonntags macht sich Herr Paulsen an dieser Stelle Gedanken über die Unzulänglichkeiten der Welt. Aus aktuellem Anlass diesmal schon Samstags) Unglaublich was sich der Guide Michelin in seiner Benelux-Ausgabe für 2005 leistet. In der roten Gourmetbibel wurde das Restaurant Ostend Queen in Ostende empfohlen. „Sorgfältig zubereitet und preiswert.“ Blöd nur, das zum Zeitpunkt der Bewertung noch gar nicht geöffnet war. Kein einziger Tester hatte je dort gegessen, das Restaurant wurde erst Anfang Januar eröffnet. Offenbar vertraute der GM auf den Sternekoch Pierre Wynants, der dort für die Karte verantwortlich zeichnet. Ex-Tester Pascal Rémy sagte der belgischen Zeitung "La Dernière Heure", es sei keine Seltenheit, daß die Experten nicht jedes Lokal testeten. Restaurantbesitzer Fernand David hat inzwischen eingestanden, sich bereits im November mit den Gourmet-Experten auf die positive Wertung "verständigt" zu haben. Damals war das Restaurant noch eine Großbaustelle. Wer sich in den Ring begibt, mit Einsatz, Elan und der richtigen Motivation, der muss mit allem rechnen von beißender, sogar ungerechter Kritik bis zur schmeichelnden Lobhudelei ist alles drin. Das gilt für den Koch wie für den Schriftsteller, den Musiker, den Schauspieler oder Regisseur. Der entscheidende Unterschied für den Koch liegt aber darin, daß er immer nur von ein, zwei, drei Testern beurteilt wird, es gibt kein weites Feld der Einschätzung und Meinungen für ihn, sondern die Wertungen in den Bibeln GaultMillau und Michelin sind verbindlicher Richtwert, wie in Stein gemeißelt. Und das für ein Jahr. Und das macht Angst. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, den großen Führern einen Brief zu schreiben und auf ihre Besuche zu verzichten. Das tun immer mehr Gastronomen, die sich auch den erheblichen finanziellen Mehraufwand den der Sternezirkus kostet, nicht mehr leisten können und wollen. Und die einfach nur in Frieden kochen wollen, ohne Druck, für ihre Gäste. Wer aber mitmacht im Sterne-Reigen, der braucht einen langen Atem und ein dickes Fell. Und muß sehr, sehr aufmerksam und ausgeschlafen sein. Tester-Alarm! In meinen sechs aktiven Jahren habe ich bestimmt an die zweihundert Tester-Alarm-Abende mitgemacht. Der aufmerksame Service eines Sternerestaurants ist immer angewiesen, mögliche Tester zu melden. Alleinsitzende Herren mittleren bis hohen Alters, die, mit Notizblöcken bewaffnet, Querbeet essen sind verdächtig, Testeralarm wird ausgelöst. Auch sehr verdächtig sind Menschen, die darum bitten, die Weinkarte doch bitte während des gesamten Essens am Tisch zu lassen. Um diese sehr einfachen Regeln wissen auch reisende Geschäftsleute und machen sich einen schönen Abend, sie spielen „Tester“ und können Höchstleistungen erwarten. Testeralarm wirft die gesamte Küche in einen Modus äußerster Aufgeregtheit, die ich nie verstanden habe. Wir kochten doch auch sonst ganz ansehnlich. Doch bei der Testeralarm plusterte sich plötzlich das Amuse geul zur Vorspeise auf, jeder Teller wurde zehnfach geprüft, bevor er in den Speisesaal ging, zahlreiche „Zwischengänge“ tauchten aus dem Nichts auf. Verunsicherung pur und 15 Pralinen zum Kaffee. Köche sind aber auch nicht ganz blöd. In vielen Regionen Deutschlands gibt es Telefonketten von Haus zu Haus. Ist ein Tester erstmal wirklich als Tester entlarvt, setzen sich die Köche ans Telefon und informieren ihre Kollegen im größeren Umkreis. Es werden Autonummern und Fahrzeugtypen durchgegeben, Personenbeschreibungen werden gefaxt (das ist kein Witz!). Die Serviceteams ganzer Landkreise und Bundesländer starten daraufhin die tägliche Rasterfahndung im Restaurant, Karten werden eilig umgeschrieben und die Küchenmannschaft hat Urlaubssperre für mehrere Wochen. Insgesamt so entwürdigend wie nötig, den, sie erinnern sich, es geht ja um alles und das für ein Jahr. Habe ich noch was vergessen? Ach ja, die seltenen Fälle von freundschaftlichem „Testen“. Da meldete sich vor Jahren zum Beispiel der Chef eines großen deutschen Restaurantführers immer an, im Sternerestaurant, aß aufs Beste, plauderte anschließend beim teuren Prickel mit dem Küchenchef, ein schöner Männerabend folgte. Natürlich lies es sich der Tester-Chef nicht nehmen die Bewertung dann auch selbst zu schreiben. Alles in allem also eine recht unappetitliche Angelegenheit für alle Beteiligten, die Testerei. Der Guide Michelin hat dem Ganzen mit der Ostend-Queen-Sauerei ein schimmliges Sahnehäubchen aufgesetzt und musste jetzt, erstmals in seiner Geschichte, eine Ausgabe zurückziehen. Das Restaurant Osten Queen ist ausgebucht auf Wochen. Reservierung empfohlen. ..................................ratsch. Links zum Thema: Was ist eigentlich der Guide Michelin?: http://de.wikipedia.org/wiki/Guide_Michelin Ex-Guide Michelin-Tester Pascal Rémy packt aus: http://www.mysan.de/article6926.html ... Link Freitag, 28. Januar 2005
Testesser Paulsen berichtet. Folge II.: Tibet
herr paulsen
08:25h
Wenn kalter Schneeregen von allen Seiten in den Mantel nieselt und Tageslicht Mangelware ist, dann empfehlen bunte Lifestylemagazine Wellnessbäder und Massagen gegen die Winterdepression. Wir gehen essen. Gemütlich ist es im Tibet, sanft klingt leise Musik, warme Erdfarben umhüllen uns, wir entspannen schon bevor wir langsam trocknen. Entspannungsfördernd auch der spanische Rueda Do, ein frischer Weißwein (15 €), der golden in den Gläsern funkelt. Erste Glücksgefühle bei den in zwei Gängen servierten Vorspeisen (7€ p.P.). Scharfer, knackiger Rettich, Sesamspinat und exotisch gewürzte Kartoffeln zuerst, dann würzige Momo-Teigtaschen, knusprige Gemüsetempura, Pakora und heiße Frühlingsrollen mit vier göttlichen Dips. Wir schweben ein bisschen. Die Käsesuppe mit Huhn, Chura Thang (4€) öffnet Schnupfennasen und Sinne, wohlig wärmt Jyaauya Thang, die kräftige Hühnerbrühe mit vielen Pilzen (3,75€). Die Hauptgänge (je 12,75€) Khasi Ko Ledo, Lammfleisch mit Knoblauch und Ingwer und Hangha Tapas, eine knusprige Ente, süß-sauer, sind perfekt gewürzt. Hellwach sind wir bei der Süßspeise, Kheer Ra Ras-Bari, einem cremigen Milchreis mit Nüssen und unbeschreiblichen Molke-Bällchen (3,50€). Großer Frieden überfällt uns auch beim Bezahlen der Rechnung und als wir in die Nacht hinaus treten, erscheint uns der Schneeregen plötzlich viel wärmer und weniger nass. Freundlich winken wir den Taxifahrern am Wegesrand zu und gehen zu Fuß nachhause. Tibet: http://www.tibet-restaurant.de/ ... Link Donnerstag, 27. Januar 2005
Ich habe einen Traum, Kampfhunde & Hundephobiker
herr paulsen
08:25h
Ich habe einen Traum! Den träum ich, wie mir scheint, schon ein Leben lang, immer wieder mal, immer wieder scheiße. Ich stehe, wo man so steht, an Bushaltestellen, auf der Strasse, im Park, im Schwimmbad, im Büro, ich stehe da also wahllos irgendwo rum. Mein Traum ist da nicht wählerisch. Dann kommt er, um mich zu beissen. Ein großer Hund. Ein gefährlicher Hund. Auch bei der Auswahl der Hunderasse ist mein Traum äußerst schlampig und sprunghaft, orientiert sich aber im wesentlichen an der Kampfhundeverordnung Nordrhein-Westfalens, und achtet darauf das der Hund mindestens einen halben Meter hoch, oder aber mindestens zwanzig Kilo schwer ist. Das wird nie langweilig und meine Traumpartner tragen klingende Namen wie: Pitbull Terrier Mir ist, als habe sich schon die halbe Hundewelt in mich verbissen und es ist eine gute Nacht, wenn sich mal einfach nur ein deutscher Schäferhund in mich verbeisst. Ich steh da also so rum, Hund kommt, sagt nix und beisst sich an mir fest. In den Arm, da hängt er dann so runter oder in die Hand, oder in die Wade und in ganz schlechten Nächten auch gerne mal in Körperteile an denen Mann es so gar nicht gebrauchen kann. Wir stehen da jetzt also zu Zweit und ich rufe: aus und pfui und platz und nichts passiert. Mit den Jahren habe ich mich, auch im Wachzustand, zu einem weinerlichen Hundephobiker entwickelt, Joggen im Stadtpark ist mir nicht mehr möglich. Selbst einfachste Spaziergänge schaffe ich nur noch im Slalom, panisch und mit schreckensgeweiteten Augen hetzte ich durch die Strassen unserer Stadt. Die gleichen Leute die solche Fragen stellen, sind auch die, die in Gefahrensituationen rufen: „der will doch nur spielen!“, „der macht doch nix“ und wenn ihre degenerierten Großstadt-Tölen dann doch mal dem Blutrausch verfallen, rufen sie: „komisch, das hat er noch nie gemacht.“ Mir wurde klar, sie waren viele, ich alleine und wollte ich etwas ändern, an der Situation, müsste ich bei mir anfangen. Bei meinem Traum. Ich suchte Hilfe in der Esoterik Ecke der Stadtbücherei. Zwischen Körner-fressenden Latzhosenträgern gefangen im Körper Don Quichotes, zwischen warmherzig-mütterlichen Holzketten-Ursulas gehüllt in Selbstgewebtes, dort, ja, dort fand ich ein Buch mit dem Titel: „Dream Catcher-Beherrsche Deinen Traum“. Das Rezept war sehr einfach. Die Autorin riet, Träume immer sofort nach dem Aufwachen in ein Traumtagebuch einzutragen. Erst, so versprach sie, würde man deutlicher träumen, später wäre es dem geübten Dreamcatcher sogar möglich, mit seinen Traumfiguren in den Dialog zu treten. Ich war begeistert ! Das war eine tolle Vorstellung: der Hund kommt, ich wende mich ihm zu, sehe ihm fest in die Augen, stelle mich meiner Angst und rufe beschwörerisch: „Wer bist Du?. Und der Hund würde mit tiefer Stimme irgend etwas tiefgreifendes, total entlarvendes, antworten, zum Beispiel „ich bin dein Vater, Paulsen“, oder es wäre ein Hund mit Humor: „Hallo, ich bin dein Gewissensbiß.“ Endlich! Die Offenbarung würde folgen. Nach all den Jahren! Motiviert befolgte ich die Übungen im Buch und schon nach einem halben Jahr waren die Hunde verschwunden. Ich träumte überhaupt nicht mehr. Das lag daran, daß ich eigentlich auch nicht mehr schlief. Mehrmals in der Nacht, kaum eingedöst, schreckte ich hoch. Hatte ich geträumt? Ja und was nur? Moment, wo ist denn mein Traumtagebuch? Mist der Kuli schreibt nicht, im Wohnzimmer liegt glaube ich noch ein Bleistift, ich geh mal kurz, also ich hätte schwören können das hier noch ein Bleistift..... ............Gott sei Dank, die Bücherei mahnte dreimal schriftlich, dann riefen sie täglich an, ich beugte mich und brachte das Buch zurück. Jetzt schlafe ich wieder und träume und führe das langweiligste Traumtagebuch überhaupt. Hund beißt mich, steht da. ... Link Mittwoch, 26. Januar 2005
Nur mal ganz kurz: Luxus-Probleme
herr paulsen
11:55h
Beim Friseur. 40 Minuten Selbsthass im Spiegel. Warum soviel Leid? Dünne Haare die ergrauen. Ein Friseur der allergisch ist gegen Haarpflegeprodukte. Eine Praktikantin die meinen Wollmantel in die abgeschnittenen Haare eines anderen Kunden fallen lässt. Merke: Luxus-Probleme rocken den Tag und stärken die Abwehrkräfte gegen den Weltschmerz. Prima. Mehr davon! ... Link Dienstag, 25. Januar 2005
Tote Großeltern, familiäre Plünderungen & Uromas 101ter Geburtstag
herr paulsen
11:35h
Ich war noch nie in einem Altersheim. Sind alle weggestorben, meine Großeltern. Oma Paulsen zuerst, ein zartes Vögelchen, sie duftete nach Rosen und sammelte Porzellanfiguren. Ich war für weitere Erinnerungen zu jung. Als Opa U. starb, hätte es mich fast zerissen, ich kann noch heute kaum sein Grab besuchen ohne in Tränen auszubrechen, den Mann habe ich geliebt und ich war alt genug für Erinnerungen. Gorßvater U. hat im Krieg die Soldaten zusammen geflickt und mir die Fotoalben gezeigt. Er schlug Seite um Seite auf, und deckte dann die schlimmeren Bilder mit seinen großen, zarten Chirurgenhänden ab. Aber ich wusste ja in welchem Schrank die Alben liegen. In Opa U.s Praxis gab es die dicksten, saftigsten Gummibärchen, die werden heute nicht mehr hergestellt. Opa U. konnte toll vorlesen und ich saß immer parallel zu ihm auf seinem Schoß, und umfasste seine gigantische Birnennase, die ich in der Sportversion geerbt habe. Opa U. klang dann sehr näselnd, aber die Nähe war wichtiger. Als Opa U. starb, folgte ihm Oma U. ziemlich schnell. Bevor sie starb, sah sie Sachen und Dinge die nicht da waren. Das fand ich sehr gruselig. Einmal beschwerte sie sich, Opa U. würde sie überhaupt nicht mehr zum Essen ausführen. Dabei hat Oma U. immer selbst gekocht. Ich weiß kaum was von ihr, sie war immer nur in der Küche, legte gigantische Schinkenplatten mit Dosenspargel, kochte Suppen, Ragouts und Pudding, wir mussten immer sehr viel essen bei Oma U. und ich fand das prima. Stundenlang saß ich auf einem Barhocker in der Küche und sah ihr beim Kochen zu, nachdem ich an der Küchentür gemessen worden war und mein Wachstum mit einem Prilblümchen für die Ewigkeit festgehalten wurde. Schön war auch der Eiskeller im Haus, hinter einer schweren Stahltüre lagerten tonnenschwere Torten, Frankfurter Kranz, Sahneschnitten. Nachdem auch Oma U. gestorben war wurde ich Zeuge eine beispiellosen „Geschwister plündern das Elternhaus“-Aktion. Abends saß ich mit meiner Mutter zusammen, müde, erstaunt und verwirrt bat ich sie um einen Gefallen: „Mutsch, wenn Du mal stirbst, ich will nix, nur die Beatles-Platten und die Songbooks“ Zuletzt starb Opa Paulsen. Man redet nicht viel über Ihn und noch weniger Gutes. Ich habe Ihn leider nie selbst befragt. Wenn ich höre und sehe, dass Menschen in meinem Alter noch Großeltern habe, kann ich das immer nicht glauben, bin erstaunt und neidisch. Das kann doch nicht sein. Wie geht das denn bidde? Seit zwei Jahren habe ich auch wieder Großeltern. Die Großeltern der Liebsten haben mich adoptiert, es sind tolle Großeltern, Sie sehen aus wie Großeltern und sie schenken mir ohne zu fragen Liebe und Anerkennung. Und Socken und Geld. Zu Oma darf ich sogar Oma sagen, Opa nenne ich gerne und respektvoll Herr P. Es ist nicht dasselbe, Leihgroßeltern, aber es ist schön wieder mit älteren Leuten zu sprechen, Herr P. erzählt sehr schön und Oma kocht richtig schön Norddeutsch, das kenne ich gar nicht. Die beiden sind agil, Reisen viel und nehmen am Leben ihrer vier Kinder und acht Enkel teil. Ich bin mir sicher. Sie werden niemals sterben. Oder zumindest so alt wie Urgroßoma. Deren Enkel wiederum bilden auf Geburtstagsfeiern einen imposanten Chor in dem jetzt auch ich mitsingen darf. Sonntag wurde Uroma 101 Jahre alt und ich kann darüber genauso lange nachdenken wie über die Unendlichkeit und es ist genauso unfassbar. Am Sonntag ging ich also zum ersten Mal in ein Altersheim. Es riecht nicht schön da, es riecht nach Tee, Metall, schwerem Parfum und leicht nach Pipi. Gleich am Eingang sitzt der Platzhirsch und begrüßt uns brüllend. Der alte Herr ist umringt von weiblichen Fans um die Achtzig, die ihn anstrahlen, während er uns ungefragt eine Wegbeschreibung zur Feierlichkeit zubrüllt. Wir danken und gehen durch die Gänge zum „Kaminzimmer. Da sitzt Uroma mit ihren Gästen. Jetzt brüllen wir. Gratulieren und sagen dazu wer wir sind. Uroma scheint mich zu erkennen und schenkt mir ihr sonnigstes Lächeln. An ihrem hundertsten Geburtstag hatte sie ein donnerndes Machtwort gesprochen, was mich angeht. Sie nahm damals die Liebste beiseite und wollte wissen „ob er schon gefragt hat?“. Als die Liebste verneinte, winkte Uroma sie ganz nah zu ihrem Mund und flüsterte der Liebsten ins Ohr: „Wenn der nicht bald fragt, dann sagst Du zu ihm: tschüss ich such mir jetzt einen anderen.“ Alle mampfen Kuchen, trinken Blümchen-Kaffee aus Thermoskannen und Sekt und ab und zu brüllt jemand Uroma an, die nickt dann gewichtig oder schüttelt den Kopf, wie das sonst nur Eulen können. Uroma weiß, was sie will. Draußen auf dem Flur bricht der Mantelständer zusammen, ein Zeichen für den Aufbruch. Uroma sträubt sich, weggebracht zu werden, klammert sich am Sekt fest und trinkt das letzte Glas auf Ex. Herrlich. Durch die Katakomben geht es zu ihrem Zimmer unterwegs treffen wir auf Personal das brüllt: „Ja hallooooooo, Im Zimmer angekommen, glaubt Uroma, wir seien Pfleger und gibt raunzend Befehle, wo Geschenke und Blumenschmuck aufzustellen seien. Dann knöpft sie sich energisch die Bluse auf, Feierabend, ich verlasse das Zimmer. Beim Rausgehen brüllt uns der Platzhirsch noch mal gute Wünsche hinterher, die Golden Girls grinsen. Super Party! Ich freue mich auf den 102 Geburtstag von Oma und sage noch mal: „Herzlichen Glückwunsch, schön, dass ich das noch erleben darf!“ ... Link Montag, 24. Januar 2005
In eigener Sache: Kaffee.Satz.Lesen & die redereihamburg
herr paulsen
11:32h
Im Frühjahr 2003 gründeten mein Freund Sven und ich den "redereihamburg e.V.". Wir starteten die Lesereihe "Kaffee.Satz.Lesen" um endlich Nachwuchsautoren eine Bühne zu bieten. Autoren, denen nur 5 Minuten beim Poetry-Slam zur Verfügung stehen oder die sonst unbekannt blieben, bieten wir einen professionelle Bühne, eine ebenso professionelle Werbung, 15 Minuten Lesezeit und keine Beschränkung in der Auswahl der Texte. Dazu laden wir immer einen schon bekannten Autor aus der Hamburger Literaturszene oder aus anderen Städten ein. Kaffee.Satz.Lesen konnte sich schnell fest in der Hamburger Literaturszene etablieren. Regelmäßig besuchen im Schnitt 80 Besucher unsere Veranstaltungen. Die Nachwuchsförderung klappt hervorragend. Viele neue Talente, die zum ersten Mal bei uns auftraten, schreiben mittlerweile professionell, haben Preise gewonnen, veröffentlichen in Anthologien und Literaturzeitschriften und sind Gäste auf verschiedenen Lesebühnen. Manche haben auch einfach nur den Mut und das Selbstvertrauen gewonnen, weiter zu schreiben. Auch namhafte Autoren lesen gerne bei uns. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir 2004 gleich zwei Teilnehmer des Ingeborg Bachmann Preises 2004 bei uns präsentieren konnten, Wolfgang Herrndorf und Andreas Münzner. Ebenfalls ein Highlight war der Auftritt von Almut Klotz und Reverend Ch.Dabeler, die bei uns ihren Roman „Aus dem Leben des Manuel Zorn“ sowie Material ihrer neuen Musik-Cd bei uns vorstellten. Dieses Programm gab es so nur im Deutschen Schauspielhaus in Berlin und eben bei uns zu sehen. Autoren wie Tex Rubinowitz, Benjamin Maack, Nico Spindler, Mareike Krügel, Klaus Cäsar Zehrer und Gunter Gerlach stellten bei uns ihre neuen Bücher vor. Eine Tribüne mit 108 Sitzplätzen wurde errichtet, eine professionelle Lichtanlage sorgt für den theatralen Rahmen. An einem Büchertisch können unsere Gäste die Bücher der Autoren gleich erweben und signieren lassen. Hierfür konnten wir die Hamburger Buchhandlung Cohen & Dobernigg gewinnen. Unser Konditor Richard serviert frisch gebackene, hausgemachte, Kuchen. Autoren und Publikum fühlen sich bei uns gleichermaßen wohl. Jetzt schnell die Kalender raus und notieren, nächsten Sonntag starten wir ins dritte Jahr unseres Bestehens: Kaffee.Satz.Lesen 17 mit Sven Amtsberg, geb. 1972 ist Schriftsteller, Verleger und Literaturveranstalter. Herausgeber verschiedener Anthologien. Chef des Schwamm-Verlags. Unterzeichner des Hamburger Dogmas. Gründungsmitglied von Macht e.V., sowie Mitveranstalter der gleichnamigen Lesungen im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses. Literaturförderpreis der Hansestadt Hamburg 2001. Einzelveröffentlichungen, sowie zahlreiche Beiträge in Zeitschriften und Anthologien. Im Februar 2002 erschien im Rowohlt-Verlag die Kurzgeschichtensammlung „Das Mädchenbuch“. Und Kenner wissen: Besser als Amtsberg zu lesen ist eigentlich nur noch Amtsberg lesen zu hören.
Katrin Dorn,
Tilla Lingenberg, Anja Kümmel, Stevan Paul, geb.1969, lebt in Hamburg. Er arbeitet als Foodstylist, Redakteur und kulinarischer Berater für Zeitschriften, Werbung, Film und Fernsehen. Er schreibt Kurzgeschichten, Erzählungen und Kolumnen. Veröffentlichungen in: „Dichterschlacht“, schwarz auf weiß, Anthologie zum German International Poetry Slam 2003, Ariel Verlag 2003, „Der Stint“, Zeitschrift für Literatur, Shopping, 2004, „Poetry Slam Jahrbuch 2003/2004“, Rotbuch 2004, „Vokalpatrioten“, Anthologie, U-Books, Augsburg 2004.
..........................................ratsch! Links zum Thema: Geschichten aller Gastautoren zum Nachlesen, Infos, Bilder, Presse: http://www.redereihamburg.de/ Newsletter bestellen!: info@redereihamburg.de Wer selbst mal lesen will, kann sich hier mit Texten für einen Auftritt bewerben: text@redereihamburg.de Buchhandlung Cohen &Dobbernigg (tollste Buchhandlung von der ganzen Welt, findet Herr Paulsen): http://www.codobuch.de/ ... Link Samstag, 22. Januar 2005
Herr Paulsens erbauliche Sonntagspredigt. Folge III.: Autonomer Kampf im Schanzenviertel
herr paulsen
14:38h
(Immer Sonntags macht sich Herr Paulsen an dieser Stelle Gedanken über die Unzulänglichkeiten der Welt. Morgen wird Uroma 101 Jahre alt, darum wird heute vorab gepredigt.)
Neulich besuchten mich meine, im wörtlichen Sinne, reizenden Eltern in Hamburg um mal nach dem Rechten zu sehen. Das ihr Sohn im Schanzenviertel wohnte, das wussten sie aus „Spiegel-TV-Reportage“, war extrem gefährlich. Mutter mahnte bei ihren sonntäglichen Anruf aus der Provinz, die Gefahren der offenen Drogenszene an und beschwor mich, niemals die „Rote Flora“ aufzusuchen, bei meinem Faible für den linksradikalen Untergrund, könne ich da schnell in schlechte Kreise geraten. Mein angebliches „Faible für den linksradikalen Untergrund“, bezog sie auf einen, Jahre zurückliegenden, Besuch einer 1.Mai-Demonstration in Berlin, Kreuzberg. Als merkbefreiter Tourist war ich damals dort in einen Kessel geraten und verbrachte drei Stunden, blind vom Tränengas im Hausflur einer netten türkischen Familie. Fürsorgliche schwäbische Autonome wuschen mir später die dicken Augen mit Wasser aus der Schwanenhals-Petflasche und gaben rührende Tipps: „du, wenn du jetz naus gosch, no net renne, koi Panik, dia Wasserwerfer sin viel langsamer wie du.“ Soviel Engagement rührte mich und ich blieb der autonomen Idee immer sehr verbunden. Mit den Jahren bin ich älter geworden, etwas weiser vielleicht, müde auch, Politikverdrossen sowieso. Nimmermüde sind jungen Autonomen aus der Nachbarschaft. Nimmermüde werden sie, Bettlaken mit lustigen Aufschriften zu bemalen. „Wohnst Du schon, oder fährst Du noch?“. „Alles umsonst für alle!“ fordern die ausrangierten Tücher zwischen Schmutzflecken und getrockneten Körperflüssigkeiten. Bettlägerige Schenkelklopfer der ansonsten humorbefreiten Brigaden. Informativ auch die Schaufenster des Infoladens mit Fotos von Polizeispitzeln und Aufrufen zu immer neuen Demos gegen alles Mögliche. Tief verwurzelt sind ihre Gedanken und Ideen im Viertel, bis in die Köpfe der Kinder reichen die ausgerufenen Parolen. Neulich zum Beispiel traf einen Freund von mir fast der Schlag, als er seine sechsjährige Tochter von der geschiedenen Mutter abholte, die, sagen wir mal höflich, sehr alternativ lebt. „Gegen Gesetzte, für mehr Bauwagenplätze!“ forderte seine Tochter lautstark auf dem gutbürgerlichen Kinderspielplatz. Oder am Martinstag! Da traf ich auf einen Laternenumzug. Sie erinnern sich? „Ich geh mit meiner Laterne, rabimmel rabammel rabum.“ Die laternenbestückten Zwerge im Schanzenviertel brüllten lautstark: „Bullen verpisst Euch, keiner vermisst Euch!“. Die Kindergärtnerinnen lächelten dazu gequält, die zwei Polizisten die den Umzug begleiteten schwitzten tatenlos. Momentan haben die Autonomen echt viel zu tun. Der Wasserturm im Schanzenpark soll zu einem Mövenpick Hotel umgebaut werden. Ist so schön nah am Messezentrum gelegen. All das wird nicht mehr stattfinden. Das bestreitet Mövenpick. Das glaubt kein Mensch der noch alle Tassen im Schrank hat. Und darum gibt’s Rabatz. Meine Wohnung steht seit Wochen unter Polizeischutz. Ich parke jetzt in einem anderen Viertel weil bei mir vorm Haus die Wasserwerfer parken. 100 Polizisten bewachen Tag und Nacht den Park und die Baustelle. (Was das kostet ! , ruft empört der kleine Mann von der Strasse). Die Autonomen haben neue Bettlaken bemalt, demonstrieren und informieren. Problem dabei: interessiert keine Sau. Ein Großteil der Hamburger Presse hat sich eingeschossen: knapp 1000 Demonstranten sind keine Meinung, bei 1,7 Millionen Hamburgern. Das sind die üblichen Krawallmacher, das ist nicht Volkes stimme, kucken sie sich doch nur mal an, wer da so demonstriert! Und irgendwo ist das beinahe richtig, denn es sind nicht die türkischen Großfamilien, die sozial schwachen Unterschichtler mit Kind & Kegel die da auf die Strasse gehen. Es sind Autonome, die zum Teil vermummt, für alle auf die Strasse gehen. Da gibt es dann Platzverweise, Keilerei, nächtelanges Fang-mich-doch mit der frustrierten Staatsmacht. Was dabei rauskommt und das ist das zweite Problem: Nichts! Nichts! Der prima Standort, das Geld, es wird kommen das Hotel im Schanzenpark. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass SPD und GAL, damals noch in Amt und Würden in Hamburg, für den Hotelbau waren und sich mit einem Euro Kaufpreis und einer Million Euro-Spende für den Stadtteil zufrieden gaben. Die Tinte unter den Verträgen ist staubtrocken, die Bauarbeiten haben mit Verzögerung begonnen, politisch ist da nix mehr zu machen. Die autonomen Schanzenspiele laufen weiter. Chaotisch in der Planung, weltfremd in der Zielsetzung. Und was die Sprecher der Autonomen Fraktion so im Radio ablassen, ist manchmal mehr als peinlich. Trotzdem gehört ihnen meine ganze Sympathie, denn es ist schön, das sie dafür sorgen, das der kleine, wichtige Park in unserem Viertel, den Mövenpickeln nicht kampflos und selbstverständlich überlassen wird. Ich bin zu sehr Realist für den Scheiß, zu alt vielleicht und auch ein bisschen zu ängstlich um heute Abend da raus zu gehen. Link zum Thema: Infos zu Aktionen, Geschichte, Forum, umfangreiche Linksammlung unter: http://www.schanzenturm.de/ ... Link ... Nächste Seite
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