Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Montag, 10. Oktober 2005
Jochen.

Ich komme aus dem Haus und grüße den Polizisten der vor meinem Wagen steht. „Ist das ihr Auto?“. „Ja“, sage ich und überlege angestrengt, was ich wohl nun schon wieder angestellt habe. „Was habe ich denn angestellt?“, frage ich den Wachtmeister. „Nix, da ist ihnen bloß jemand hinten rein gefahren, sehen sie mal:“

„Und jetzt?“, frage ich. „Wir haben den Täter!“, sagt Herr Pom. Er sagt tatsächlich: wir haben den Täter. Nur Übeltäter wäre noch schöner gewesen. Ich darf im Streifenwagen 8 Meter bis zum Ende der Einbahnstrasse fahren in der ich jetzt wohne. Ob er denn mal das Martinshorn für mich einschalten könne, frage ich den Polizisten. Nein, war nur Spaß.
An der Straßenecke steht der Täter, bewacht von Frau Pom. Ein zitterndes, dünnes Würstchen, neben einem großen Bus aus dem fröhlich grinsend sechs Behinderte winken. Ich gebe dem Täter die Hand, bereue sofort, die Patschehändchen meines Gegenübers schwitzen stark. Der ganze Bub bebt. „Zivi?“, frage ich. „Ja.“ ,spricht das Elend und das ihm das sehr leid täte und das Frau Pom ihn auch noch anzeigen will, wegen Verkehrsdelikt und überhaupt.

Was der junge Mann nicht weiß, ich bin ihm überhaupt nicht böse. Zivis sind für mich Helden des Alltags, feine Menschen sind das, Soldaten können auch feine Menschen sein, aber Zivis ganz sicher. Ich war auch mal einer von ihnen. Ich habe damals auch Unfälle gebaut, nicht einfach Stoßstangen angefahren, sondern richtig Menschen in Todesgefahr gebracht.

Damals war ich jung und ungestüm, mein Fahrstil halsbrecherisch und ich entdeckte, dass meine „Behindies“, wie wir sie nannten, ganz besonders die schwungvolle Fahrt in Steilkurven liebten. Ich liebte meine Behindies und tat ihnen gerne den Gefallen. Ein großes Jauchzen und Johlen hub an, jedes Mal wenn ich den Mercedesbus mit Karamba in die Kurven hängte. Meine Fahrgäste spürten wenig im Leben, am wenigsten sich selbst und ihre steifen Körper, die Fliehkräfte aber berührten sie im Innersten.
Meine Aufgabe war es damals, die Behinderten in den Dörfern der schwäbischen Provinz einzusammeln und zum Spielsteine eintüten in die große Kreisstadt zu fahren. Zwischen dem Spielsteine eintüten wurden flächendeckend Lebensmittel in die Werkstatt gespuckt (Danone-Joghurt, Nutella-Toasts und Cola), zwischendurch mussten alle täglich siebzehn Mal auf Klo. Da kam selten was, aber man war weg von den Spielsteinen. Auf eine Zivi kamen zwölf Behinderte, ich habe eineinhalb Jahre meines Lebens auf einer behindertengerechten Toilette verbracht.

Und auf der Heimfahrt dann der Fliehkraft-Scooter! Einmal nahm ich einen fest angestellten, dürren Pädagogen mit, der immer ein Körbchen mit Strickzeug dabei hatte. Richard ahnte nichts von Fliehkraftscooter und machte zwei Fehler. Er schnallte sich nicht an und seine dürren Ärmchen hatten die Beifahrertür nicht fest genug geschlossen. Schon nach der ersten Kurve verschwand Richard. Wie in Matrix beobachtete ich noch eine Weile, das vor der offenen Autotür wirbelnde Körbchen mit Strickzeug und eine einzelne, rotierende Birkenstocksandale. Dann war Ruhe. Gott schützt ja dankenwerterweise Besoffene und dürre Pädagogen. Richard fehlte nichts.

Nur so ist es zu erklären, das ich nicht abließ von meinen Fliehkraft-Tests. Das letzte Mal überwand ich sie in der engen Kurve kurz vor dem Ortseingang eines kleinen Dörfchens. „Jetzt aber!“, rief ich, die Behinderten johlten vorfreudig, ich riss das Lenkrad nach links und beobachtete die begeisterten Reaktionen im Rückspiegel. Im Rückspiegel sah ich auch Jochen. Jochen fuhr früher gern Motorrad. Jochen konnte keine Spielsteine eintüten, Essen war für ihn eine schmerzhafte Qual und die Toilette suchte ich mit Jochen nach Verdacht auf, er konnte mir nicht sagen ob er musste, Jochen konnte nicht sprechen. Jochen konnte nicht mal den kleinen Finger bewegen. Jochen war einfach ein Körper, bewegungslos, sprachlos, mit einem Herzschlag und irgendwo in diesem Körper war Jochen, er konnte sich aber nicht zeigen.

Dieses Geräusch, wenn ein morscher Sicherheitsgurt reißt, das wäre mal was für diese Radio-Geräusche-raten-Gewinnspiele, da käme niemand drauf! Ich höre das Geräusch heute noch. Im Rückspiegel kippte Jochen mit samt seinem Rollstuhl zur Seite, fiel wie ein Stein. Ich stoppte den Wagen, rannte nach hinten und versuchte ihn wieder aufzurichten. Die anderen Fahrgäste klatschten begeistert Beifall. Jochen und Rollstuhl wogen zusammen mehr als ich mit meinen dünnen Armen zu bewegen vermochte. Ich fragte Jochen ob und wo es denn weh täte, suchte nach Blut. Jochen starrte auf die genoppten Fußmatten und schwieg, bewegte sich nicht, wie immer. Eigentlich.

Ich rannte zum nächsten Bauernhof, zitternde gab ich dem Bauern meine schwitzige Hand und bat in dürren Worten um Hilfe. Der Bauer hatte viel erlebt an „seiner“ Kurve und rief: „ich hol den Traktor!“. Ich erklärte genauer und dann hoben wir Jochen gemeinsam zurück ins Leben. Still und starr blickte Jochen aus dem Fenster und konnte mir nicht sagen, ob ich ihn endgültig kaputt gemacht hatte.

Dieser Moment meines Lebens, da auf dieser Wiese vor dem Dorf, gehört für mich zu den schlimmsten meines Lebens.

Jochen wurde untersucht. Ihm fehlte nichts. Gott hatte wohl einen Arm für Jochen frei gehabt. Wenigstens dieses Mal.

Die Erinnerung fährt wie eine heiße Welle durch Kopf und Körper, ich beruhige den zitternden Kollegen, sage ihm, dass sein Arbeitgeber versichert ist und frage Frau Pom, ob das denn sein müsse, mit der Anzeige. Das Wunder geschieht, sie wandelt die Anzeige in eine mündliche Verwarnung.
Das Polizeiauto biegt langsam in die Hauptstrasse ein, dahinter lenkt der Zivi den viel zu großen Bus vorsichtig durch die Kurve. Hinter den Fenstern winken mir die Behinderten begeistert zu.

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Sonntag, 9. Oktober 2005
Polygames Jahreszeitenlauschen (eine Liebes-Erklärung)

Irgendwas stimmt nicht mit mir. Mein eignes, universelles Radio, wie es Nina Hagen nannte, hat seit einigen Wochen sein Programm umgestellt. Wo bis vor kurzem Reggae-Vibes, dicke Bläsersätze, flockige Brasil-Zuckerwatte und eleganter Swing heftig rotierten, drängt mir die Radiostation des Herzens jetzt täglich schwere Gitarren und unterkühlten Electro auf. Aus dem Nichts erschallen obskure Bands wie Queen of Japan, Electronic Cat spielen „Bolantronic“ im Endlosloop, das Musikarchiv im Kopf befiehlt den I-Tunes Download von Fugazis „Waitingroom“ oder empfiehlt eine Woche lang The best of Radiohead. Alte Platten von Monster Magnet werden ausgegraben und für sensationell befunden, gerne höre ich auch plötzlich wieder The Orb, Chemical Brothers und New Order.
Auch beim Erwerb neuer Tonträger verhalte ich mich seltsam, streife an den „Alternative“, „Rock“ und „Electro“-Regalen meines Plattendealers entlang. In den letzten Wochen erstand ich nicht eine ReggaeRocksteadySkaLatinBrasilJazz-Platte, sondern kaufte mir die Alben von Supergrass, Soulwax, Miss Kittin und Goldfrapp. Alison Goldfrapp, das ist die schöne Frau da ganz oben, begeisterte mich derartig mit ihrer kristallinen Stimme und den klaren, kühlen Klängen des neuen Albums „Supernature“, das ich mich vergangene Woche aus dem Studio schlich, mir das rote Damenfahrrad des Fotografen lieh und die erste Fahrradtour seit 1986 unternahm. Ins Kartenhaus, Tickets für die Show kaufen.

Da kam ich dann doch schon ins grübeln. Was mich vor Wochen noch in musikalische Extase versetzte, lässt mich plötzlich völlig kalt, mein missionarischer Eifer in Sachen Reggae & Afro-Cuban erscheint mir rückblickend überzogen, mein Herz gehört plötzlich brachialem Krach und minimalem Electro-Geschubber. Ich kam nach längerem Überlegen zu folgender, erhellender Erkenntnis: Ich mache das seit Jahren so. Ich wechsle Halbjährlich ganze Paletten musikalischer Strömungen kaltherzig aus, mache im Herbst Schluss mit fröhlich Beschwingtem, werfe mich in die starken Arme von unterkühltem Karacho nur um zum Sommeranfang reumütig zurück zu kehren. Sowas wäre ja in der Liebe problematisch. Das stelle man sich mal vor: den Sommer in den weichen, gebräunten Armen von Miss Latin verbringen, sich wohlig im jamaikanischen Sand wälzen, ab und zu mal kurz nach Kuba rüber tuckern und ganz viel bunte, brasilianische Drinks mit Lamettastrohhalmen schlürfen. Ab September dann in den blauen Augen der unterkühlten, blonden Diva aus dem Norden versinken und in sterilen Nachtclubs und verräucherten Rockschuppen an eisbeschlagenen Champagnergläsern und knackenden Bierbechern nippen. Eine gewisse Wahllosigkeit wäre einem vorzuwerfen, zumal die Damen angesichts der Flatterhaftigkeit ihres Liebhabers bestimmt verstimmt sein dürften.

Ist das nicht mit Musik genau so? Bin ich ein widerlich, wahlloser Polygamist, ein herzloser Egomane. Liebe ich überhaupt Musik? Musik ist doch kein T-Shirt, das man nach Saison in einen Wollpulli umtauscht! Oder ein Sommersalat, der kaum verwelkt eine Raclette-Party nach sich zieht. Gilt nicht, was in der Liebe schwierig wäre, auch für die Liebe zur Musik ? Bin ich ein charakterloses Schwein, weil ich nicht wie viele andere Menschen durchgehend die eine Musik in meinem Herzen trage, die Fahne eines Musikstils schwenke? Klar hört man gerne mal situationsabhängig eher Rammstein wenn der Computer schon wieder abgestürzt ist und zieht die Liebste zu den Klängen von Jack Johnson aufs Sofa. Aber eiskalt ganze musikalische Universen im Halbjahresrhythmus verwerfen? Bindungsängste?

Die wichtigste Frage aber: geht das anderen Menschen vielleicht auch so, mit dieser jahreszeitlich bedingten, musikalischen Polygamie?

Tröstlich scheint mir eine abschließende Erkenntnis: bei all dem Rumgehöre, gibt es doch eine musikalische Liebe in meinem Leben, die alle Jahreszeiten überdauert, mich immer wärmt und auch nie eifersüchtig wird, weil sie weiß, wir werden sowieso zusammen alt:

the one and only,

Miss Funk and Soul.

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Samstag, 1. Oktober 2005
Fundstück der Woche: Barbara Klemm & ich

Noch bis zum 8. Januar 2005 zeigt das Haus der Photographie-Deichtorhallen 70 Portraits der großen deutschen Photographin Barbara Klemm. Mehr als 30 Jahre hat Barbara Klemm das visuelle Bild der FAZ geprägt. Woche für Woche überraschte sie in der Tiefdruckbeilage mit ihrer photographischen Sicht auf die Ereignisse. Mit ihren viel beachteten Bildern, sozialkritischen Reportagen und ihrem sicheren, unaufdringlichen Blick ist sie so zu einer der berühmtesten Photographinnen in Deutschland geworden. Viele ihrer Photos gehören längst zum kollektiven Gedächtnis. Sie hatte alle vor der Linse: Simone de Beauvoir, Joseph Beuys, Andy Warhol, Madonna, Simon Rattle, Willy Brand, Leonid Breshnew, Heinrich Böll...und mich.

Ich traf Barbara Klemm 1970 in Frankfurt. Gerade hatte sie dort eine Festanstellung als Redaktionsphotographin mit den Schwerpunkten Feuilleton und Politik bei der FAZ bekommen. Meine Mutter, damals 21, hatte mich auf eine Party mitgenommen und wickelte mich in einem Nebenraum. Barbara Klemm kam dazu, jauchzte entzückt, wartete, bis der Bub wieder vorzeigbar hergerichtet war und schoß dieses Foto, das es nicht in den Deichtorhallen zu sehen geben wird, sondern exclusiv nur hier:


Herr Paulsen, 1970 von Barbara Klemm

Kleines Glück!

....................................................klick.

Link zum Thema:

http://www.deichtorhallen.de/

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Mittwoch, 28. September 2005
Im Kochbuchdschungel

Es ist eigentlich ganz einfach. „Kochen,“, pflegte mein Lehrmeister zu sagen, „Kochen ist Physik und Glückssache“. Mit der Physik, meinte er das Wissen über Aggregatzustände, Struktur - und Molekülveränderungen sowie die Auswirkungen von Hitze und Kälte auf alles Essbare. Das wünschenswerte Quentchen Glück beinhaltete ein leichtes Händchen, eine Zunge, eine Nase, Kreativität und Leidenschaft. Dinge, die einem der Herrgott mitgegeben haben sollte, auf den Weg in die Küche.
Nun ist das so eine Sache mit dem Glück, ein Physikstudium knifflig und langwierig und eine Kochlehre führt meistens in finanzielle und geistige Armut, man verliert seine Freunde und einige Jahre später auch den Verstand.
Wer trotzdem Schönes zaubern möchte und von leuchtenden Gesichtern und dankbaren Mienen in seiner Küche träumt, der kauft sich ein Kochbuch, oder zwei, oder drei.......welcome to the jungle, baby.

Der Kochbuchmarkt ist ein krisensicheres Umsatzmonster, hier tummeln sich Selbstdarsteller, Nepper, Schlepper, Hobbyköche-Fänger, Zeitgeistjäger, Trendausrufer und Nichtskönner. Und Sie alle wollen nur ihr Geld.
Hier und da verstecken sich aber die seltenen, echten Perlen, lehrreiche Kochbücher mit schöner Fotografie, machbaren Rezepte mit dem gewissen Schlenker, liebevoll gestaltet und funktional. Nur mit dem Auffinden dieser scheuen Exemplare, ist es so eine Sache.

Eine echte Hilfe ist schon mal der Blick auf den Preis, Sie können billige Kochhilfen kaufen, allerdings umsonst. Glauben Sie ernsthaft, diese preiswerten, inflationären Drehkarussell-Schlabberheftchen für ein paar Euro bringen Küchenglück in Ihr Heim? Vergessen Sie es. Unterbezahlte Lohnrezepteschreiber, kleistern da am Schreibtisch Rezepte zusammen, die nicht lohnen und meistens auch nicht funktionieren. Für ein bisschen mehr Geld gibt es öfter auch ein bisschen mehr, sorgfältig erarbeitete Rezepte.

Kaufen Sie bitte auch keine Pasta-Bücher denen Cds mit Rossini-Opern beigelegt sind, oder Bände die sich „Moodfood“ oder „Kochen nach Farben“ nennen. Bei solchen Büchern tourettiere ich immer schon gerne direkt im Buchladen und nehme, unter den besorgten Blicken der Buchhändlerinnen, schlimme Worte in den Mund.

Sollten Sie in Mailand, Paris und New York arbeiten und sich ausschließlich von Reis-Crispinos ernähren, dann haben Sie wahrscheinlich Freude an großen Prachtbänden wie den Donna Hay-Büchern oder dem wunderschönen Rizzi-New York-Kochbuch. Die können Sie dann unauffällig in der Wohnung verteilen, direkt neben Ihren gesammelten Wallpaper-Ausgaben und Ihren Lounge-CDs. Wunderbare Bücher fürs Sofa, nicht für die Küche.

Kaufen Sie auch erstmal keine Bücher von großen, berühmten Küchenchefs, es sei denn, Sie möchten nur mal so gucken und schwelgen. Die Küche der Stars ist selten nachvollziehbar. Oder haben Sie größerer Mengen Demi-Glace aus 20 Kilo Rinderknochen, Hummercarcassen und Fischfond im Haus und mal eben drei Tage Zeit für eine feine Vorspeise? Eben. Außerdem lassen die Götter absichtlich Zutaten und Arbeitsgänge weg, wäre ja noch schöner wenn Hans und Franz plötzlich kochten wie Hans Haas und Franz Raneburger.

Ausnahme ist hier Fernsehkoch Tim Mälzer dem es gelingt pubertierende Bravo-Leserinnen und bejahrte Kaffeeklatsch-Tafeln gleichermaßen in Extase zu versetzen. Sein erstes Kochbuch „Born to cook“ dominierte monatelang die Bestsellerlisten, demnächst erscheint der zweite Band mit dem einfallsreichen Titel „Born to cook II“ (Goldmann) und auch diesmal serviert Mälzer wieder seine raffinierte, nachvollziehbare Küche. Mehr Vorbestellungen hat der Deutsche Buchmarkt derzeit nur mit dem neuen Harry Potter und ich weiß aus sicherer Quelle, das fehlerhafte oder fehlende Angaben, wie sie hier und da im ersten Band zu finden waren, in der zweiten Ausgabe menschenmöglichst vermieden wurden. (19,90 € )

Ebenfalls für Anfänger wie Fortgeschrittene empfiehlt sich ein Griff zum sechshundert Seiten starken „Kochen! Das gelbe von GU“. Die Anschaffung des gelben Backsteins aus dem Hause Gräfe&Unzer lohnt, 1.295 Rezepte, schwarz auf weiß, ohne schnickschnack, keine Bilder dafür erprobte Rezepte die funktionieren. Sollten Sie sich nur ein einziges Kochbuch anschaffen, ist dies die erste Wahl. (12,95 € )

Weil ich aber Bilder und Fotos liebe nimmt seit Jahren die Kochbuchreihe „Culinaria“ ihren gewichtigen Platz in meiner Kochbuchsammlung ein. Die bis zu 600 Seiten starken Bände präsentieren Länderküchen von Italien bis zur Karibik und Südostasien. Der Doppelband „Europäische Spezialitäten bringt es gar auf knapp 800 Seiten. Alle Bände sind aufwendigst gestaltet, namhafte Fotografen haben Länder, Menschen und Speisen fotografiert, bekannte Food-Redakteure die informativen und fundierten Texte geschrieben. „Klasse für die Masse“, dachte sich damals der Könemann-Verlag aus Köln, scheute keine Kosten bei der Produktion und hoffte auf gigantische Abverkäufe. Den Könemann Verlag gibt es darum nicht mehr, dankenswerter Weise hat aber der Tandem Verlag die Erbschaft angetreten und die kulinarischen Sofa-Reisen gibt es nach wie vor am Wühltisch ihrer Buchhandlung. ( zwischen 15-30 € )

Wer dazu noch was Ordentliches trinken will, dem erklärt Matt Skinner die Wein-Welt im eben erschienen „Wine-just a drink“ (Gräfe & Unzer). So unaufgeregt wie der Titel ist auch das Buch gehalten, klare Worte, klare Empfehlungen, fernab vom sonst üblichen, elitären Weingeschwafel zeigt der Sommelier von Jamie Olivers Restaurant „Fifteen“ wie unkompliziert Weingenuss sein kann. (19,90 € )

Die Machete hilft wenig im Kochbuchdschungel, mit dem Skalpell muss man sich umsichtig durchs Dickicht bewegen. Oder sie fragen einfach andere Menschen die sie im Dschungel treffen, denn Kochbücher, die possierlichen Tierchen mit den bunten Farben, lassen sich leider erst ganz sicher nach der Erprobung wirklich empfehlen.

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Dienstag, 27. September 2005
Nachlese


Elfriede Jelinek von Tex Rubinowitz

Das war klasse, das Wochenende und die Lesung mit Euch! Blog-Rock, tolle Menschen!

Endlich die wunderbare Martini kennen gelernt und den charmanten Mark von der B.Seite und erneut mein Herz an Miss Caro von Bloggold verloren. Sogar der Großbloggbaumeister gab sich zu erkennen, nachdem ich letztes Mal beleidigt gerügt hatte und Isabo erzählte sensationelle Geschichten von Eisprinzessinen in Monsterschuhen und peinlichen Pyjama-Problemen. Herr Svensson moderierte elegant und Kerstin13 und Axel K. arbeiteten hart an den Kameras. Ich freue mich auf die Fotos, die demnächst auf der Kaffee.Satz.Lesen Seite zu bewundern sein werden. Seid versichert:

"We´d like to take you home with us!"

PS:

Und weil viele Menschen nach Tex Rubinowitzs Vortrag über Eisschwimmen und die nackerte Elfriede Jelinek im Sektglas sicher sehr gerne zumindest Letzteres gerne sehen würden, hab ich das Gemälde mal oben reingestellt.

....................................ratsch.

Links zum Thema:
Martini
http://martinakink.typepad.com/martina_kink/
Mark
http://www.b-seite.cc/
MissCaro
http://misscaro.blogspot.com/
Großbloggbaumeister
http://approx.antville.org/
Isabo
http://xrays.antville.org/
Herr Svensson
http://fischkudder.twoday.net/
Kerstin13
http://lichtblick.blogger.de/
Axel K.
http://axelk.blogger.de/

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Freitag, 16. September 2005
Wieder da! KAFFEE.SATZ.LESEN startet in die neue Saison

KAFFEE.SATZ.LESEN 23

Die Sommerpause ist vorbei und wir starten nächste Woche wieder KAFFEE.SATZ.LESEN, unsere schnuckelige Sonntagslesung, mit einem Programm der Extraklasse. Aus Wien reist der „Titanic“- Zeichner und Autor Tex Rubinowitz an, aus Berlin wird der Querdenker Martin Bartholmy erwartet. Starke Stimmen auch aus Hamburg: Tina Uebel präsentiert ihren gefeierten Roman „Horror Vacui“, Birgitt Utz vom Forum Hamburger Autoren ist zu Gast und für Musik sorgt die Hamburger Band „Heimweg“.

Hier alle Infos zu den Auftretenden und schon mal vielen Dank fürs Vorbeikommen & Weiterempfehlen:

KAFFEE.SATZ.LESEN 23
Sonntag, 25.09.05, 16:00 Uhr
Baderanstalt
Hammer Steindamm 62
neben S-Bahn Hasselbrook
im Hinterhof, 5. Stock
5 Euro

mit

Tex Rubinowitz
Tina Uebel
Birgit Utz
Martin Bartholmy
Heimweg

Tex Rubinowitz, *1964

der Zeichner, Satiriker und Autor („Ich bin ernst und langweilig“), lebt in Wien, zeichnet und schreibt für die„Titanic“, den Wiener „Falter“, den „Standard“ und die „Zeit“. Vor zwei Jahren begeisterte er das KAFFEE.SATZ.LESEN - Publikum mit einer Lesung aus seinem Buch: „ Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen. Listen, die die Welt erklären.“. Diesmal hat Herr Rubinowitz angekündigt, einen exclusiv für uns geschriebenen Text zu lesen: "Wie ich mal mit der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek über kaltes Wasser hin und her gemailt habe". Doch ganz sicher ist das nicht. Eventuell erzählt er auch einfach von seinem Leben als Kampfschwimmer, oder von seinem Hobby, dem Sammeln von Sparbüchern, die er auf entlegenen Inseln eröffnet hat.

Tina Uebel, *1969

Tina Uebel ist Schriftstellerin, Literaturveranstalterin, freie Journalistin, MACHTmacherin, Poetry-Slam-MC, Ex-Verlegerin und Diplom-Illustratorin/-Grafikdesignerin. Sie lebt auf der Reeperbahn in Hamburg-St.Pauli, wenn sie nicht gerade irgendwo auf Reisen ist. Von einer Reise handelt auch Ihr neuer Roman „Horror Vacui“ der im Frühjahr 2005 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist:
Der Südpol, der letzte und tödliche Traum vom Ende der Erde - inzwischen läßt er sich buchen, pauschal, all-inclusive, wie der Everest, wie so viele andere Extreme und Grenzerfahrungen. Für 50 000 Dollar, auf Skiern, in zwei Monaten durch das Eis der Antarktis. Vier Leute machen sich auf diesen Weg, begleitet von zwei professionellen Führern. Der ultimative Selbstfindungstrip. Wenn man denn genug Selbst besitzt, um fündig zu werden. Das Feuilleton war begeistert. Wir auch und wir freuen uns auf Tina Uebel.

Birgit Utz, *1970



ist seit 2000 Mitglied des Forums Hamburger Autoren (www.forumlit.de). Veröffentlicht wurden von ihr bisher der Krimi Alte Bande (Espresso-Verlag, Berlin, 2001) und Kurzgeschichten in Anthologien („Der König vom Camping“, Salbader, Berlin, 2001; „Der Kopierer“, Streulicht, Hamburg, 2003; „Tantengeschichten“, „Bodenhaltung“ und „Waschküche“ bei www.weblesungen.de). Mit ihrem Romanprojekt „Herbstspeck“ nahm sie als Stipendiatin am Klagenfurter Literaturkurs 2002 teil. Lesungen hatte sie auf den verschiedenen Bühnen in Hamburg, außerdem in Freiburg, Ludwigsburg, Karlsruhe, Weimar und Berlin. Sie arbeitet nach abgeschlossenem Amerikanistik- und Soziologiestudium als Schlussredakteurin und Lektorin. Bis zu ihrem 30. Lebensjahr war sie als Dipl. Sozialpädagogin in verschiedenen Kinder- und Jugendeinrichtungen beschäftigt.

Martin Bartholmy, *1965
lebt in Berlin und arbeitet als Journalist und Lektor. Er schreibt Erzählungen, Gedichte, Dialoge und Aufsätze. Er bringt trockene Kleinstgedichte aus seiner Gedichtsammlung "Mein mittlerer Kochtopf" mit, die sich im Kopf mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. So klein und schnell sind die.

Heimweg

Heimweg sind zwei ganz verschiedene Musiker. Thorsten Passfeld (richtig, der Hamburger Künstler der auch das Hoftheater Vier Linden hinter dem Schauspielhaus zusammengenagelt hat) liebt seine alte Akustik-Gitarre, Mike Lüdde sein High-End-Heimstudio. Thorsten hat eine Stimme wie eine rostige Kastanie, Mike ein perfektes Gehör. Zusammen machen die beiden Hamburger elektronische Musik über die Thorsten dann Geschichten erzählt. Auf Deutsch.Mit Herz und Botschaft. Ohne Kompromisse und Gefasel. Sehr schön.

Mehr über die redereihamburg und KAFFEE.SATZ.LESEN gibt es im Internet

unter

http://www.redereihamburg.de/

Dort kann man die KAFFEE.SATZ.LESEN-Anthologie bestellen, dort gibt es Texte von allen Autoren, dort kann man den Newsletter abonnieren oder sich für einen eigenen Auftritt bewerben.

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Montag, 12. September 2005
Eine Postkarte aus. Heute: Frankfurt

Vier Menschen stehen vor dem Wolken kratzenden Turm eines Lebensmittel-Giganten und rauchen als ginge es um ihr Leben. Es sind nicht die Zigaretten die einen süchtig machen, es sind die Abstände zwischen den Zigaretten. Feuerzeuge klicken, es rauchen Senior Art Buyer, Creative Concept Leader, die Fotografin und ich. Der erste Zug, ein Jubelschrei der bald zu Husten werden wird, doch erstmal rettet uns Pavel vor dem Raucherbein. „Hallo, ich bin Pavel, bin ich geflogen oder was?“, fragt Pavel, der Kutscher des vor Sekunden in der Empfangshalle bestellten Taxis. „Aaaach, was komm ich gerrne her, immeer die Leute so gut angezogen, jedemal aus der Türr, die Frauen so scheen und die Männerr alle in teurre Anzuge, herrrliche Bild, Mooment scheeen Frau nehm ich ihnen das ab!“. Die Senior Art Buyerin möchte das Päckchen gerne bei sich behalten, Pavel grinst, entblößt weiße Zähne und russischen Charme und sagt: „Halte ich nurr in meine Hände, bis sie eingestiegen sind, gnädig Frau!“ Wirkt sofort.

Wir fahren in die Agentur. Wir unterhalten uns über den Verlauf der voran gegangenen Besprechung, da sagt Pavel: „Zwei tote Mäännerr.“ Wir recken die Hälse, sehen auf die Fahrbahn, ein schrecklicher Unfall vielleicht. Pavel fährt fort: „Zwei tote Mäännerr treffen sich. Sagt der eine, worraan bist du denn gestorrben? Sagt derr andere, am Glick bin ich gestorben. Wie geht das denn? Na, ich komm früh zuhause, denk ich meine Frau betrugt mich, sehe unter das Bett und keiner ist da! Ich war so glicklich, da bin ich gestorrben. Da sagt derr eine, derr wo erfroren war, Mensch hättste mal in Kuhlschrank geschaut, dann wäärn wer beide noch am Leben!“. Totenstille im Taxi. „War der gut oder was?“, fragt Pavel in die Stille. „Mrrrm.“, macht die Senior Art Buyerin. „Öh.öh.öh.“, macht der Creative Concept Leader. „Mmmh.“, macht die Fotografin. „Krchkrchhuhukrch.“, mache ich. Ich sollte nicht soviel rauchen.

„Macht ja nix!“, strahlt Pavel, öffnet eine große Lade und ruft: „Bonbons! Wer will Bonbons!“ Alle wollen Bonbons. „Müsst ihr mehr nehmen, macht ihr spätär Leute glucklich, die ohne Bonbons!“, ruft Pavel, gibt üppig und erklärt „ und zuhause immer in den Kuhlschrank kucken, Mäännerr!, wenn ihr zuhause kommt!“. Dann lacht Pavel laut und es klingt als rauche auch er zuviel.

Vor der Agentur verabschiede ich mich von den Mitreisenden und setze mich nach vorne, neben Pavel, denn „vorrne ist Raucherzimmer! Hinten keine Aschebescher!“ Zum Bahnhof bitte, sage ich und Pavel fährt los. Über eine Brücke. Er zeigt nach links: „Daaaa! Vorne Haus, normale Nutten, schöne Fraun in vorne Haus, dahinter, schau mal, da ist Klassiker! Sauna, alle Frauen laufen nackig, die Japaner kommen mit Reisefuhrer, alle dahin, relaxen! Die Stadt will das abreißen, geht aber schlecht, weil ist es in japanische Reiseführer, so bekannt in der gaanzen Welt. Du wohnst nicht hier? Nächstes Mal gehst du relaxen! 30 Euro für halbe Stunde! Musst ja nix machen. Nur relaxen, scheene Frauen kucken und Appetit bekommen für eigen Frau! Gunstig! Jetzt soll da Bank hin, aber sollen sie doch stehen lassen wenigstens de Sauna, können de Banker relaxen in Pause!“

Ein schrecklich orange gespritzter Mercedes mit Hanauer Kennzeichen drängt uns von der Spur. „ Herrjeminee, haste gesehn? So ein schöner Wagen, war teuer, aber schrecklich gespritzt!“ Waruuum! Ist ein Verbrechen so Wagen und dann so Farbe! Aber andere Frage, wann kommt dein Zug?“ Ich erkläre Pavel, dass ich in einer halben Stunde fahre und vorher gerne noch was essen würde. „ Ohje, Auswahl groooß! Was ist Dein Lieblingsspeis? Da gibt alles, MacDonald, Burgerking, Nordsee, Tahiländisch, Japan und Metzgerei mit warme Theke! Aber besterr Tipp, wenn ich hier fahre, kaufe ich Fisch, nicht bei Nordsee, sondern in Sylt, wie heisst richtich?“ Gosch, sage ich. „Ja genau, frische Fsch und knusprig Brot, wenn ich hier fahre, kaufe ich Fisch, bei Sylt. Gosch. Da sind wir, du brauchts Quittung, hab ich schon an letzt Ampel ausgefullt, kannst du noch mit viel Zeit essen, 10 Euro, gute Reise mein Freund und bis zum nächste Mal.“ Und noch nie hat ein Taxifahrer zu mir, bis zum nächsten Mal gesagt und darum glaube ich das Pavel und ich freu mich schon drauf. Und jetzt kuck ich mal Kuhlschrank.

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