Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Mittwoch, 1. März 2006
Dieses Blog zerstört sich selbst in 10..9..8..

Am vergangenen Samstag saß ich mit der Schriftstellerin Natalie Balkow beim Lieblingsgriechen und wir unterhielten uns über das Wegwerfen. Sie werfe viel weg, erzählte Natalie Balkow, ganze Geschichten, Texte, Skizzen. Wenn etwas nicht gut ist, kommt das weg. Befreiend sei das, sagte sie, und meinen Einwand, dass doch vielleicht wenigstens ein guter Satz in jedem Text stünde, ließ sie nicht gelten: „Wenn da ein guter Satz war, dann hab ich den im Kopf“. Diese Radikalität im Umgang mit Geschriebenem begeisterte mich sofort. Nun bin ich weder Schriftsteller noch Autor, ich blogge. Und plötzlich schwebte da hell und klar ein funkelnder Gedanke über meinem Eis beschlagenen Ouzo:

Das sich selbst zerstörende Blog.

Bloggen an sich ist ja schon eine recht eitle Sache, die eigene Gedanken-und Erlebniswelt für so interessant zu halten, dass man damit die Öffentlichkeit belästigt. Das ist im besten Falle unterhaltsam und anregend, hat aber in den meisten Fällen eine sehr begrenzte Halbwertzeit. Und das ist ja auch richtig und gut, das ist die Stärke des Bloggens, die unmittelbare Aktualität. Doch dann? Muss denn wirklich alles archiviert werden, wer soll das denn bitte alles noch lesen? Irgendwann legt sich der Datenmengen-Mantel gnädig über den alten Kram. Es gibt wirklich wenige Blogs die als Gesamtkunstwerk zu sehen sind.

Wie wäre es damit: jetzt sofort anfangen und für jeden neuen Blogbeitrag hinten einen alten Beitrag löschen! In meinem Falle wären dann nur die Beiträge des letzten Jahres noch greifbar und schon das ist eigentlich zuviel. Die Selbstdarstellung wäre auf einen Zeitraum begrenzt. Jeder und alles befindet sich doch ständig im Wandel, die alten Entgleisungen, Meinungen und Termine sind doch schnell überholt. Auch der Grundgedanke eines Online-Tagebuches ist doch absurd. Wenn überhaupt bedeutet Bloggen doch lediglich, ein eigens vorzensiertes Tagebuch ins Netz zu stellen, keiner ist doch so blöd hier alles zu veröffentlichen, wahrlich und ehrlich. Die wirklichen Kracher des Lebens sind zu einer Veröffentlichung sowieso nicht geeignet, die Angst vor mitlesenden Arbeitgebern und der eigenen Courage schränkt das ganze doch stark ein. Das wirkliche Tagebuch des Lebens ist in Kopf und Herz.

Trotzdem macht Bloggen ein bisschen gläsern, wer möchte kann anhand eines Blogs doch schon sehr viel über den Schreibenden erfahren und wer in seinem Blog nicht zur totalen Kunstfigur verkommt, macht sich im wahrsten Sinne des Wortes lesbar. Auch hier hilft das sich selbst zerstörende Blog, denn lesbar ist dann immer nur ein halbwegs aktueller, begrenzter Zeitraum der eigenen Gedankenwelt und niemand kann einen für Dinge verantworten, die man vor Jahren gedacht und geschrieben hat. Ein wirklich befreiender Gedanke.

Sorgen macht mir, dass ich noch zögere, diese wirklich brilliante Idee umzusetzen. Habe ich was übersehen?

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Donnerstag, 23. Februar 2006
Von Klagenfurt zum Baikalsee-KAFFEE.SATZ.LESEN 28


(Foto Axel Klatt)

KAFFEE.SATZ.LESEN 28 im Februar

Vom Ingeborg-Bachmannpreis in Klagenfurt zum russischen Rock´n Roll am Baikalsee

Gleich zwei Teilnehmer an den Tagen der Deutschen Literatur, dem Ingeborg Bachmannpreis in Klagenfurt, lesen beim 28sten KAFFEE.SATZ.LESEN aus ihren neuen Werken. Es sind Natalie Balkow, die Gewinnerin des Ernst-Willner Preises 2005, sowie der Hamburg Autor Andreas Münzner, der sein neues Buch „Geographien“ vorstellt.
Die Journalistin Merle Hilbk („Die Zeit“, „Spiegel“) erzählt in ihrem Buch „Sibirski Punk“ von der russischen Seele im Rock´n Roll. Ebenfalls Rock´n Roll ist Johanna Wack, die derzeit erfolgreichste Frau auf den Hamburger Poetry Slam-Bühnen. Die einzigartige Prosa der Hamburgerin Annette Schwarz rundet die Reise von Klagenfurt zum Baikalsee ab.

KAFFEE.SATZ.LESEN 28
Sonntag, 26.02.06, 16:00 Uhr
Baderanstalt
Hammer Steindamm 62
neben S-Bahn Hasselbrook
im Hinterhof, 5. Stock
5 Euro

mit:


Natalie Balkow *1968
in Köln, lebt in Mönchengladbach und Berlin. Während des Studiums der Sinologie, Anglistik, Germanistik und Theaterwissenschaften galt ihr einziges Interesse in dieser Zeit dem Windsurfen. Es folgten Dramaturgie- und Regieassistenz am Theater sowie zahlreiche Engagements als freie Regisseurin. Natalie Balkow arbeitet heute als Texterin in einer Werbeagentur und als Autorin am heimischen Schreibtisch. 2005 fuhr sie auf Einladung von Klaus Nüchtern zum Ingeborg-Bachmannpreis, den Tagen der Deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Natalie Balkow gewann dort den begehrten Ernst-Willner-Preis.

Merle Hilbk*1969
bereiste nach Jurastudium und Redakteurstätigkeit bei „Spiegel“ und „Zeit“ mit einem Stipendium der „Robert Bosch Stiftung“ im Sommer 2004 dreieinhalb Monate Sibirien dabei entstand ihr erstes Buch: „Sibirski Punk“. Schamanen und Punks, Atomforscher und Nachtklubbesitzer – das ist das Personal dieses Roadmovies aus dem wilden Osten. Liegen die wahren Wurzeln des Rock’n Roll in Sibirien? Und ist diese Suche am Ende gar die Suche einer jeden Generation, die sich inmitten der schlechtesten aller Welten zu einem besseren Leben bekennt? Genau diese Fragen versucht „Sibirski Punk“ zu beantworten.
Der Erzählton des Buches ist sanft-ironisch, die Sprache ist sinnlich und direkt. Gedichte und Liedtexte tauchen auf, Songs sowjetischer Liedermacher und der burjatischen Punkband „Orgasmus Nostradamus“, deren Musik dem Buch seinen Namen gegeben hat: „Sibirski Punk“.


Andreas Münzner*1967
in Mount Kisco (USA) geboren, wuchs in der Schweiz auf und lebt heute in Hamburg. Er arbeitet als freier Autor und Übersetzer. Sein Roman „Die Höhe der Alpen“ erschien 2002 und wurde unter anderem mit dem Literaturförderpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und dem Irmgard Heilmann Preis ausgezeichnet. 2004 hat er an den Tagen der deutschsprachigen Literatur, dem Wettbewerb um den Bachmannpreis in Klagenfurt teilgenommen, im November 2005 wurde ihm der Ernst-Meister-Förderpreis für Lyrik der Stadt Hagen verliehen. Im September 2005 kam „Geographien“ in der Verlagsbuchhandlung Liebeskind heraus. Eine Sammlung aus Prosaminiaturen, „in der die Entfernungen zwischen Orten geringer werden und die Abstände zwischen den Menschen größer“. (aus der Verlagsvorschau). Geographisch verortete Lebensläufe („Geographien“) werden in kurzen, konzentrierten Texten von kaum mehr als ein, zwei Seiten Länge erzählt.


Annette Schwarz*1964,
die Hamburger Autorin ist eine sorgfältige Beobachterin des Lebens, in knappen Sätzen gelingt es Ihr Großes zu erzählen. Sie studierte Betriebswirtschaft in Wismar und Reutlingen. 2000 erhielt Sie ein Stipendium Künstlerhaus Kloster Cismar. Zahlreiche Veröffentlichungen in bella triste, Am Erker, Hamburger Ziegel u.a.

Johanna Wack* 1979
Ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Sie studiert Ökotrophologie in Bergedorf. „Das ist manchmal interessant, oft langweilig und immer unkreativ“, sagt sie. Deshalb habe sie irgendwann mit dem Schreiben angefangen und die dabei entstandenen Texte regelmäßig auf Poetry-Slams gelesen. Kaum einem Hamburger Slamer gelang es im letzten Jahr so viele Wortschlachten zu gewinnen wie Johanna Wack. 2005 hat sie zusammen mit Xochil A. Schütz den zweiten Platz im Team-Finale der deutschen Poetry Slam Meisterschaft belegt.

Mehr über die redereihamburg und KAFFEE.SATZ.LESEN gibt es im Internet

unter http://www.redereihamburg.de

Dort kann man die KAFFEE.SATZ.LESEN-Anthologie bestellen, dort gibt es Texte von allen Autoren, dort kann man den Newsletter abonnieren oder sich für einen eigenen Auftritt bewerben.

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Mittwoch, 22. Februar 2006
Eklat im Literaturhaus. Hellmuth Karasek vor Auftritt geflohen.

Gestern öffnete das Hamburger Literaturhaus seine heiligen Hallen erstmals der Clubliteratur. Die Schischischo, bekannt für höchst komische, leicht anarchistische Literatur-Unterhaltung, feierte Premiere im Prunksaal der Hochliteratur. Geladen waren als Gäste die Sängerin Jasmin Wagner (Blümchen), sowie Professor Hellmuth Karasek. Erstaunen und gespannte Erwartung sorgten für ein restlos ausverkauftes Haus. Die begnadeten Veranstalter taten was sie am besten können, weitestgehend sinnfrei die Zwerchfelle des Publikums schütteln. Nach dem Absingen der Schischischo-Hymne, einem Kinderlied über den Namen gebenden zwei Meter großen Hasen, gab es kurze, komische Texte der Autoren Weins und Posch, dazu ein sehr schönes Interview mit Jasmin Wagner, die sich als durchaus Humor begabt entpuppte und anschließend recht belanglos-schön ein Lied von ihrer neuen Platte zum besten gab. Eher albern dann die Kindergeburtstagsnummer„Literatur-Karaoke“. Menschen aus dem Publikum spielten und lasen aus Groschenromanen. In der Pause fragte uns eine ältere Dame, was denn „das alles soll?“. Wir zuckten die Schultern.

Zu diesem Zeitpunkt bezweifelten viele im Saal die Anwesenheit Karaseks, es schien nach der ersten Halbzeit unvorstellbar, dass Karasek dem Literaturzirkus beiwohnen würde. Doch dann wurde der Stargast mit einer liebevoll gestalteten Dia-Show angekündigt, die sein Leben darstellen sollte. Vergilbte Fotos aus dem Deutschland der vierziger und fünfziger Jahre, dazu frei erfundene Kommentare der Veranstalter („Hier Frau Karasek auf der Flucht im Gebirge, der kleine Hellmuth steckt in der Tüte neben ihr. Hinter Frau Karasek steht die Wehrmacht.“). Als Moderator Amtsberg eine Geschichte von Karaseks Katze erzählte, („Sie wurde gevierteilt. Mutter Karasek bastelte dem Bub aber aus Hackfleisch und Fellresten Ersatz.“), da sah ich Hellmuth Karasek zum ersten und letzten Mal an diesem Abend. Er war tatsächlich da gewesen, verließ aber in diesem Moment aufgebracht den Saal, die Veranstaltung, das Haus. Ihm hinterher, ebenfalls in Wallung, der Literaturbeauftragte der Stadt Hamburg. Im Foyer aufgebrachte Diskussionen, im Saal ging es einfach weiter. Ersatz für Hellmuth Karasek wurde eine Zuschauerin Namens Helga. Der Saal fiel in sich zusammen wie ein Soufflé am geöffneten Küchenfenster, eher schleppend der zweite Teil ohne Stargast.
Es blieb eine gewöhnliche, wenn auch sehr unterhaltsame Club-Literatur-Nummer, ein enttäuschtes Publikum, ein verärgerter Karasek und entsetzte Vermieter. Ob der angedachte Jahresvertrag zwischen Schischischo und Literaturhaus zustande kommt ist fraglich. Ebenso fraglich ob es Karaseks Empfindlichkeit oder die Unempfindlichkeit der Veranstalter war, die diesen Abend letztendlich scheitern ließ.

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Dienstag, 21. Februar 2006
Stöckchen mit Musik

Ami wirft ein Stöckchen, ein perfides. Nur einen Track pro Frage, das ist wirklich schmerzhafte Ausgrenzung! Weil aber Frau Ami sich zur Zeit nicht aufregen darf und mir ausserdem sehr schmeichelte, in dem sie mich einen "Musikfreak" nannte, habe ich das Stöckchen, nach zweitägiger, gedanklicher Findungsphase, dann doch ausgefüllt:

01. ein track ... aus deiner frühesten kindheit!
Hast nen Fehler gemacht? Sei nicht traurig!-Bibo
(Sesamstrasse auf Platte! Großartig! Mein Lieblingslied war damals der sozialkritische 68er-Track: Ihr Beruf,Verkäuferin)

02. ein track ... den du mit deiner (ersten) großen liebe assoziierst.
There is a light that never goes out - The Smith
(die Atombombe unter den Liebsesliedern, schrieb unlängst Tobias Thomas in der Spex. Recht hat er.)

03. ein track ... der dich an einen urlaub erinnert.
Loco - La Gran Orquesta Republicana
(Mallorquinische Götter, 12 Mann spielen entfesselten LatinSkaFunkReggaePunk. Live erlebt in einer Halle im Industriegebiet von Palma mit 1500 total ausrastenden Einheimischen. Unvergessen!)

04. ein track ... von dem du in der öffentlichkeit eigentlich nicht so gerne zugeben möchtest, dass du ihn eigentlich ganz gerne magst.
Rhythm is a dancer - Snap!

05. ein track ... der dich - geplagt von liebeskummer - begleitet hat.
Night Swimming - R.E.M.
(Ich schwimme gerne durch dieses Lied. Es gibt auf dem „Free Tibet“-Sampler des von den Beastie Boys organisierten gleichnahmigen Festivals (New York,1997) eine Live-Version, nur Michael Stipe und Mike Mills am Piano. Wer da nicht Augenkniepern bekommt müsste tot sein)

06. ein track ... den du in deinem leben vermutlich am häufigsten gehört hast.
Loser - Beck

07. ein track ... der dein liebstes instrumental ist.
Sliced Tomatoes - Just Brothers
(das Original zu Fat Boy Slims „Funk Soul Brothers“)

08. ein track ... der eine deiner liebsten bands repräsentiert.
Today - The Smashing Pumpkins

09. ein track ... in dem du dich selbst wiederfindest oder in dem du dich auf eine gewisse art und weise verstanden fühlst.
Love, Music, Wine & Revolution - The Magnetic Fields

10. ein track ... der dich an eine spezielle begebenheit erinnert (& welche das ist).
Waiting Room - Fugazi
(bei einem Fugazi-Konzert, Mitte der Achtziger, wollte ich bei diesem Song mal einer Schönheit imponieren, krabbelte also auf die Bühne, ich, der geilste Stagediver der Welt. Ich sprang ab...und die ganzen Arschlöcher da unten gingen plötzlich gleichzeitig Bier holen.)

11. ein track ... bei dem du am besten entspannen kannst.
Slow Country (Strictly Rubbadub) - Spacemonkeys vs. Gorillaz

12. ein track ... der für eine richtig gute zeit in deinem leben steht.
Cannonball - The Breeders

13. ein track ... der momentan dein lieblingssong ist.
Tekitoi? - Rachid Taha
(seit Fathi Akins Film „Crossing the bridge“ bin ich auf der Suche nach moderner, irgendwie „orientalisch“ gearteter Musik. Da gibt es sensationelle Sachen, viele großartige Crossover-Geschichten! Rachid Tahas „Tekitoi?“ ist gerade meine Nummer eins.

14. ein track ... den du (d)einem besten freund widmen würdest.
Cookin´(in the kitchen of love) - Ringo Starr
(für Oli)

15. ein track ... bei dem du das gefühl hast, dass ihn außer dir niemand gerne hört.
Crasping Claw - Headset
(das müssen Sie sich mal bei iTunes anhören, ist WIRKLICH gut!)

16. ein track ... den du vor allem aufgrund seiner lyrics magst.
Bring den Vorschlaghammer mit - Element of crime

17. ein track ... der weder deutsch- noch englischsprachig ist und dir sehr gefällt.
Où sont Ils donc? - Les Rita Mitsouko avec l´Orchestre Lamoureux

18. ein track ... bei dem du dich bestens abreagieren kannst.
You should talk - Pothead

19. ein track ... der auf deiner beerdigung gespielt werden sollte.
Die Vorbereitungen zu meiner Beerdigung laufen schleppend. Es zieht sich! Zur Zeit musikalischer Favorite: The other side of this life - David Byrne

20. ein track ... den du zu den besten aller zeiten rechnen würdest.
Crawling King Snake - John Lee Hooker

Sonst vermeide ich es ja meistens, aufrechte, arbeitsame Blogger mit Stöckchen zu bewerfen, in diesem Fall interesiert mich das aber sehr und ich bitte:

Mequito
JochenausBerlin
Trockendock

um Beantwortung.

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Montag, 20. Februar 2006
Betrunkene Autoren. So was Ähnliches wie ne Lesung.

Erstmals wird mir dieses Jahr die Ehre zuteil, mich gemeinsam mit vielen exzellenten Hamburger Autoren für einen guten Zweck hammerhart zu betrinken. Und dabei vorzulesen. Die "Betrunkene Autoren"-Lesung ist legendär. Wer mich also mal live und lallend erleben möchte, der hat dazu an diesem Freitag, 24.02.06 im St. Pauli Clubheim die Gelegenheit:

"Langsam erhebt sich die Theke..."
Dichter an der Flasche

Schriftsteller haben zu allen Zeiten eine enge Beziehung zur Flasche.Die Reihe der durch Alkohol zu Tode gekommenen Autoren sind kaum zu zählen. Auch vortragen können Autoren oft nur, wenn sie sich vorher ein wenig in Stimmung bringen. Dies hat an diesem Abend Methode.

12 Hamburger Autoren treffen sich im St.Pauli Clubheim:

Sven Amtsberg, Robert Cohn, Lars Dahms, Jan Deichner, Dierk Hagedorn, Wiebke Lorenz, Benjamin Maack, Herr Paulsen, Alexander Posch, Tina Uebel, Michael Weins, Markus Wiese.

Ab 20 Uhr wird im Fünf Minuten Takt vorgetragen und getrunken so lange es geht. Der Promillegehalt wird laufend gemessen. Die Autoren verzichten auf ihr Honorar. Alles geschieht zu einem guten Zweck. Der Erlös der Veranstaltung geht an den St.Pauli Kurverein für die Unterstützung sozialer und kultureller Projekte.

Und vielleicht, so hoffen wir, ist es die beste Methode vom Alkohol los zu kommen, ihn zugleich im Übermass zu konsumieren. Es führt animierend und warnend durch den Abend: Gunter Gerlach.

Freitag, 24.02.06
20:00 Uhr St. Pauli Clubheim,
Auf dem Heiligengeistfeld 1, direkt neben dem Stadion
Eintritt: 5,- Euro

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Samstag, 18. Februar 2006
150 Kilometer New Wave (der dicke Patschulke und ich)

Rauchgrauer Dunst hängt träge zwischen den Kränen der Hafenterminals als ich aus dem Elbtunnel auftauche, es wird nur zögerlich Tag und auch ich entknittere nur langsam auf meinem Weg zum nächsten Job. Raus aus der Stadt, 150 Kilometer liegen vor mir, ich schiebe die Selbstgebrannte in den Schlitz und drücke den Pfeil. Ein schwerelos schwebendes Glockenspiel, dramatisches anschwillendes Gewaber, ein kristalliner Synthesizer, eine schneidende Stimme:

Here in my car
I can only receive
I can listen to you

Großartiger Song und Gary Numan hat Recht. Ich höre am liebsten Musik im Auto, im Auto bin ich am empfänglichsten für Musik, höre wirklich hin und zu. Auch wenn Gary Numan was anderes gemeint hat.

Bauhaus. „She´s in partys“. Ich beschleunige gänsehäutig. Neulich ein Bericht auf ras.antville vom Bauhaus-Konzert in Berlin. Ich saß Abends vor dem Computer und hatte plötzlich eine unglaubliche Hörsucht nach Bauhaus. Es muss ja heute niemand mehr aufstehen für Musik, jeder Song dieser Erde ist nur Mausklicks entfernt, im Wohnzimmer welkt die Plattensammlung zur staubigen Gedenk-Deko. Und ein großer Mp3-Anbieter machte es mir an diesem Abend noch einfacher. Unter dem hochstapelnden Namen „Essentials“, können dort Musiksammlungen zu jeder denkbaren Musikrichtung und Geschmacksverirrung abgerufen werden. Unter der Überschrift „New Wave der Achtziger“ kaufte ich 17 große Hits. Erinnerung für 16,83 Euro. Einiges 15, 20 Jahre nicht mehr gehört. Schnell gebrannt und dann warten. Auf die nächste Autofahrt.

Mein Vordermann verliert eine Radkappe, ich weiche aus, Sirenen, monotones Maschinengestampfe, „Collapsing new people“ von Fad Gadget. Mein Gott, wie frisch das klingt, wie neu gehört und ich bleibe völlig unsentimental als noch mal Gray Numan zurück kehrt um zu fragen: „Are friends electric“. Ich habe keine Ahnung, die Freunde von damals sind verschwunden. Ich habe ein großes Herz, aber ich habe auch gelernt mich radikal von Lebenssituationen und Lebensumständen zu trennen. Sentimentalität bremst. Ich höre hier nur Musik.

Wir waren aber auch ein blöder Haufen. Empfindlich, oberflächlich, selbstverliebt, schlecht in der Schule, ganz vorne beim Saufen. Rotwein-Cola-Gemisch aus Benzinkanistern vor der Disko inhalieren, aber gleich am heulen, wenn der Kajalstift mal verrutscht. Anne Clark singt „Our darkness“. Die habe ich mal live gesehen. Mit dem dicken Patschulke, irgendwo im Pott. Den dicken Patschulke (Name geändert!) mochte ich, ein introvertiertes Walross in Schnabelschuhen, immer leichenblass. Ungeschminkt! Mein bester Freund damals. Und tanzen konnte der Patschulke! Ne, der hat nicht getanzt, der hat um sich getreten und zugeschlagen. „Our darkness“ war sein Lieblingslied und er hat mir dazu noch 1996, bei einem sentimentalen Erinnerungstreffen in einem überlebten Gruftschuppen im Schanzenviertel, beim Altherren-Pogo den linken Fußknöchel gebrochen. Das war damals das Ende meiner doch sehr anstrengenden Marathonläufer-Laufbahn. Da muss ich dem dicken Patschulke eigentlich dankbar sein.

Zu „Being boiled“ von Human League kann man sehr schön, sehr schnell Auto fahren. Ein unglaublich präziser Song, elegant, kühl. Kühl. Nicht kalt. „Diese ganzen Electroclash-Hasen können jetzt mal schön nachhause gehen!“, ruft Opa Paulsen vom Rücksitz. Und ich muss schon wieder Gas geben. Seit wann haben eigentlich auch die kleinsten Spielzeugautos die Berechtigung mit Lichthupe die Linke Fahrbahn zu besetzen. Selbst Transporter sind mit den Jahren zu rennstarken Boliden heran gewachsen, ich komm da nicht mehr mit. Ich fahre 180, mehr geht nicht. „We fade to grey“, Visage, eigentlich fliege ich bereits, der Transporter-Van hinter mir lichthupt im Rhythmus von „Safety dance“. Wie kommen denn bitte die Men without hats auf die Cd? Wie uncool! Macht aber großen Spaß das Ding, ich brülle den Text fehlerlos mit und fahr rechts rüber für Joy Division, der coolsten Band aller Zeiten. Von der ganzen Welt. Nicht mal zehntausend Coverversionen haben „Love will tear us apart“ töten können. Ha!

Ach Du meine Güte, „Tempel of Love“! Schnell wieder auf die Überholspur, kommt auch gerade hinten keiner. Vor drei oder vier Jahren war ich doch tatsächlich blöderweise auf einem Sisters of Mercy-Konzert. Ein Freund von mir studierte Lehramt, verkaufte also Nachts auf Konzerten Brezeln. Das war klasse, ich bin immer mit ("der trägt die Kasse") und wir konnten alle Konzert für umsonst sehen. Um der alten Zeiten willen sind wir dann auch Sisters of Mercy kucken gegangen. Wir waren schon früh in der Halle und mein Freund Alex hatte gerade seine Brezel-Beleuchtungslampe über seinen Korb an so einem komischen Kabel aufgehängt, da riss das blöde Ding, ein Blitz, Alex ging schreiend zu Boden und die gesamte „Große Freiheit“ lag in absoluter Dunkelheit. Schon nach zwanzig Minuten gab es wieder Strom und die ersten Fans der Sisters schlurften in die Halle. Ein Gruselkabinett aus hängen gebliebenen Grufties und Büroangestellten in Piratenblusen. Einer sah ganz hart aus, fette Sonnenbrille, wie Andrew Eldritch, dazu eine Collegejacke in Gold mit weißen Puffärmeln (!) und raspelkurzen, platinblonden Haaren. Wir haben sehr gelacht. Und das bei einer Körpergröße von geschätzten 1,50 Meter. Dreißig Brezeln später, Donner und Rauch auf der Bühne, irgendwer stolperte ans Schlagzeug, sonst nur noch ein Dat-Rekorder zu sehen. Dann kam das lustige sonnenbebrillte Männlein von vorhin, ging ans Mikro und sang:

With the fire from the fireworks up above me
With a gun for a lover and a shot for the pain at hand
You run for cover in the temple of love

Ich fahre von der Autobahn runter und ärgere mich, dass sich bei „Pretty in Pink“ von den Psychedelic Furs plötzlich Molly Ringwald neben mich setzt. Kino kann so grausam sein. Dabei habe ich den Song geliebt. Einmal saß ich mit dem dicken Patschulke am Kanal, wir haben schweigend eine sehr dicke Zigarette geraucht und auf dem Kassettenrekorder zwanzig Mal hintereinander „Pretty in Pink“ gehört. Spulen, rauchen, spulen, rauchen, spulen, rauchen. Irgendwann musste der dicke Patschulke dann heim zum Abendessen und Mutter Patschulke hat gesagt: „Na, Jungs, habta wieda gesoffen, ganz rote Glotschen habta, kommt ma rein, Du auch Paulsen, gibt Abendbrot, das baut auf!“ Mutter Patschulke fand ich wahnsinnig souverän. Beim Essen reichte mir der alte Patschulke plötzlich die Wurstplatte, so total zu schnell für mich und sagte: „ Na, Paulsen, möchtest Du noch Wurst?“. Ich hab Herrn Patschulke ganz lange schweigend durch üppig kolorierte Nebelwände angesehen, und dann mit fester Stimme geantwortet:
„Danke, gleichfalls.“

Als ich auf den Parkplatz vor dem Foto-Studio anhalte, fällt mir ein, dass ich irgendwo noch Fotos aus dieser Zeit besitze, in einem Fotoalbum. Fotografiert von einem Freund, der damals immer bunt gestreifte Pullover mit V-Ausschnitt an hatte, eine randlose Brille trug und in seiner Freizeit Modezeitschriften las. Er hörte die Bangles und Fun Boy Three. Wir mochten ihn trotzdem und er fotografierte ständig, „ich werde später Mode-Fotograf“, sagte er immer.
Wenn ich zuhause bin, geh ich mal auf den Dachboden und suche das Fotoalbum, denke ich und ziehe den Zündschlüssel ab. Herrlich, diese Ruhe.

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Samstag, 11. Februar 2006
Blog-Kochevent Risotto: Mein Beitrag

Die kochende Blogwelt ist angetreten, zu ermitteln wer den nun das feinste Risotto anrührt. Host des Wettbewerbs ist Frau Mutant, die Rezepte aller Teilnehmer finden Sie bei Kochtopf, dort kann auch ab dem 15.Februar jeder für sein Lieblingsrisotto abstimmen.
Da kann ich mich ja wohl nicht lumpen lassen und so habe ich heute den Herd angeworfen, hier ist mein Wettbewerbsbeitrag:

Parmesan-Risotto mit geschmortem Kopfsalat, Garnelen und Parmaschinken-Chips

Basis ist ein einfaches Risotto-Grundrezepte, die Raffinesse entsteht durch die Kombination mit drei weiteren Zutaten. Kopfsalat, roh relativ geschmacksneutral, entwickelt beim Garen eine feine, nussige Note, die sehr gut mit den nussigen Garnelen und dem knusprigen Parmaschinken harmoniert, der wiederum einen schönen Kontrast zum cremigen Risotto bildet. Diese Rezept ist programmatisch für mein Verständnis moderner Küche: die Kombination weniger differenzierter Zutaten und klarer Aromen die perfekt harmonieren, leicht nachvollzieh- und nachkochbar, schnell und doch überraschend. Ich hoffe, das ist mir in diesem Fall gelungen, probieren Sie selbst:

Parmesan-Risotto mit geschmortem Kopfsalat, Garnelen und Parmaschinken-Chips

Für 2-4 Personen

Zutaten:
120 g Schalotten
1 Knoblauchzehe
60 g Butter
200 g Risotto-Reis
Salz
Pfeffer aus der Mühle
100 ml Weißwein
450 ml heiße Gemüsebrühe
150 g Kopfsalatblätter
50 g Parmesan
6 Scheiben Parmaschinken
6 Garnelen mit Kopf und Schale
4 El Olivenöl

Zubereitungszeit: 30 Min.

Zubereitung:
1. Schalotten und Knoblauch pellen, fein würfeln und in einem Topf in schäumender Butter mit dem Reis glasig dünsten. Mit Salz und Pfeffer würzen und mit Weißwein ablöschen. Kurz aufkochen und 50 ml Brühe zu geben. Den Reis bei milder Hitze, unter Rühren schmoren, bis alle Flüssigkeit verdampft ist. Erneut etwas Brühe zugießen und weiter schmoren. Diesen Vorgang wiederholen, bis alle Flüssigkeit verbraucht und der Reis gegart ist (ca. 20-25 Min., siehe Tipps).
2. Nebenbei den Kopfsalat waschen und trocken schleudern. Parmesan fein reiben. Parmaschinken auf ein Backblech mit Backpapier legen, mit einer weiteren Schicht Backpapier belegen und mit einem zweiten Backblech beschweren. Im heißen Ofen, bei 220 Grad, auf der ersten Stufe von unten 8 Min. knusprig backen.
3. Garnelen im heißen Öl 6 Minuten braten, mit Salz und Pfeffer würzen. Kopfsalat, Knoblauch und Parmesan unters Risotto rühren und noch 2 Min. weiter schmoren. Risotto, evtl. nochmals mit Salz und Pfeffer würzen, mit Garnelen und Paramschinken-Chips anrichten.

TIpps und Anmerkungen:

- Die Garzeiten von Risotto-Reis verschiedener Anbieter variieren. Einige Risotto-Reissorten haben Garzeiten von 15-20 Minuten, andere brauchen 25-30 Minuten. Beachten Sie bitte die empfohlene Garzeit auf Ihrer Verpackung. Muss der Reis länger garen, erhöhen Sie einfach die Flüssigkeitsmengen um 50-100 ml.

- Besonders zu empfehlen ist Arborio-Reis der traditionelle, klassische Risotto-Reis der in den Qualitätsstufen fino und superfino angeboten wird.

- Die Brühe für die Risottozubereitung muss immer heiß sein. Wird mit kalter Brühe aufgegossen „erschrickt“ der Reis, das Risotto wird matschig statt cremig.

- Risotto gart am besten in einem mittelgroßen Topf, sehr gut geeignet sind Töpfe mit Teflonbeschichtung, da brennt so schnell nichts an.

- Risotto sollten traditionell etwas Biss haben, al dente sein. Prüfen Sie den Reis gegen Ende der Garzeit öfter, so finden Sie ihren "Lieblingsbiss".

- Risotto sollte immer frisch zubereitet und sofort serviert werden, da es schnell nachzieht, Biss verliert und dann klebrig wird. Der Gast wartet auf das Risotto, nicht umgekehrt!

- Die erste Testesserin des Kiosks sagte, von ihr aus könnte man die Garnelen auch weg lassen, das schmeckt so schon sensationell, die Chips sind aber ein Muss.

-----------------------------------------ratsch.
Links zum Thema:

Kochtopf

Frau Mutant

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