Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Mittwoch, 22. März 2006
Nur mal ganz kurz: Ich bin Onkel!

Ich musste mich in den vergangenen Tagen sehr zurückhalten, mein Glück nicht direkt bebildert ins Netz zu stellen, schließlich gebührt die "Erstveröffentlichung" der Mutter, aber jetzt endlich:

Hurra! Ich bin Onkel!

Willkommen kleiner Mann!

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KAFFEE.SATZ.LESEN 29 Premierenstimmung

Premierenstimmung bei der Märzausgabe von Kaffee.Satz.Lesen: der Schweizer Autor Christoph Simon stellt bei uns seinen neuen Roman „Planet Obrist“ vor. Ebenfalls druckfrisch ist der Berlinroman „Aus dem Leben des Manuel Zorn“, vorgestellt von der ehemaligen „Lassie Singers“-Frontfrau Almut Klotz. Neues auch aus Hamburg: Stefanie Schütz, frisch gekürte Trägerin des Hamburger Förderpreises für Literatur 2005, liest aus ihrem preisgekrönten Hörspiel „Potentielle Freunde“. Der Hamburger Blogger Eric Hegmann verrät, „warum Jungs so sind“, und die Hamburger Musikerin und Autorin Softwareherz präsentiert live ihre neue CD.

KAFFEE.SATZ.LESEN 29
Sonntag, 26.03.06, 16:00 Uhr
Baderanstalt
Hammer Steindamm 62
neben S-Bahn Hasselbrook
im Hinterhof, 5. Stock
5 Euro

mit

Christoph Simon
Almut Klotz
Softwareherz
Stefanie Schütz
Eric Hegmann

Christoph Simon *1972

lebt und schreibt in Bern. 2001 erschien sein erster Roman «Franz oder Warum Antilopen nebeneinander laufen», 2003 folgte «Luna Llena», ein Roman rund um eine Gelateria selben Namens. Texte erschienen in Anthologien und Zeitschriften, Kolumnen in Tages- und Wochenzeitungen. Christoph Simon gibt seit 1999 das Kurzgeschichtenblatt «Leuchtelement» heraus. In Christoph Simons neuem Schelmenroman „Planet Obrist“ (2005, Bilgerverlag, Zürich) gibt es ein Wiedersehen mit den Helden seines ersten Romans, Franz Obrist und MC, der Dachs, sind zurück. Mit fünfzehn Franken in der Tasche verlassen sie Bern und machen sich zu Fuß auf den Weg in die Mongolei. Obrist ist ein Vagabund, ein Dieb, ein Taugenichts, vielsagend oberflächlich, großherzig böse, manchmal diebisch, dann wieder vertrauenswürdig. Er beschwatzt Bauern, um eine Mahlzeit zu erhalten, er sucht Mäntel in Garderoben ab, um zu Geld zu kommen. Er führt Selbstgespräche, die als Diskussionen mit seinem Dachs getarnt sind. Franz Obrist kann uns verblüffen - mit seiner Konventionslosigkeit, mit seinem ungestillten Sucherdrang. Ein Individualist ureigenster Prägung. Er sitzt in einem Café in Innsbruck, in Ljubliana und träumt - vielleicht von der Mongolei, vielleicht vom Glück und wie es ohne unnötige Anstrengung zu erreichen ist, vielleicht von Venezuela Lüthi.....
(die redereihamburg e.V. präsentiert Christoph Simon mit freundlicher Unterstützung der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia)

Almut Klotz *1962



im Schwarzwald geboren, lebt und arbeitet seit 1985 in Berlin. Als Sängerin und Songwriterin war sie maßgeblich an der mittlerweile legendären Band Lassie Singers beteiligt. 1998 gründete sie zusammen mit Christiane Rösinger das Musiklabel Flittchen Records. Seit 1997 arbeitet sie als freie Autorin. Im November 2005 erschien das Romandebüt „Aus dem Leben des Manuel Zorn“ (Ventil Verlag, Mainz), das sie gemeinsam mit Reverend Christian Dabeler geschrieben hat.
Berlin ist Hauptstadt und damit in aller Munde - und Deutschland bekommt genau die Metropole, die es verdient ... Das Berlin, das Almut Klotz und Reverend C. Dabeler beschreiben, ist dementsprechend weder die coole Szenestadt aus dem "Polylux"-Think-Tank noch ein Kneipenparadies für Zuwandererkids. Das Berlin dieses Romans ist ein Moloch ohne Prenzlberg-Kuscheligkeit. Der Blick, den die Autoren durch die Augen ihrer Protagonisten auf die Stadt werfen, ist sarkastisch, zugleich aber auch traumhaft versponnen: Der Realität ist so oder so nicht zu trauen, real erscheint nur noch das Geschäft mit dem intensiven Erlebnis. Kein Wunder, dass die beiden nur scheinbar höchst unterschiedlichen Protagonisten in einer Agentur aufeinander treffen, die Erinnerungen gegen Cash anbietet - der "Agentur für Schlüsselszenen".

Stefanie Schütz *1968
studierte Bühnenbild an der "Hochschule der Künste Berlin".
Es folgten Engagements als Bühnen- und Kostümbildnerin an verschiedenen Theatern Deutschlands. Seit 1991 lebt sie als freie Autorin in Hamburg. Es entstanden zahlreiche Drehbücher für Spielfilm, Dokumentar-, Kurzfilm und Zeichentrick, realisiert u.a. von WDR und NDR, sowie den Produktionsfirmen Euro-Arts-Entertainment und Toons ’n’ Tales.
Für ihr Hörspielmanuskript „Potentielle Freunde“ erhielt sie den Hamburger Förderpreis für Literatur 2005.

Eric Hegmann

wurde am 6.6.66 in Würzburg geboren und versucht seitdem vergeblich, der Magie der Zahl 6 zu entkommen. Nach sechsjährigem Aufenthalt in München, einer Schauspielausbildung und einem journalistischen Volontariat, zog er in der schönsten Stadt Deutschlands in die für ihn einzig passende Ecke, nach St. Pauli. Er arbeitet als Autor und Kommunikationstrainer, wobei er sich erwartungsgemäß auf die privat-zwischenmenschlichen Themen konzentriert. Im Goldmann Mosaik Verlag erschienen seine beiden Ratgeber „Online-Dating“ und „Dating Regeln“. Seine Eltern bezeichneten ihn nach dem Erscheinen der Geschichtensammlung „Jungs sind so!“ bei Eichborn empört als „Sexmonster“, was er bei seinem Geburtsdatum als reine Erblast interpretiert. Für seine Erzählung „Heldenfrühstück“ wurde er 2004 für den Literaturpreis der Schwulen Buchläden nominiert.

Softwareherz

"Die Einsamkeit der Dörfer ist Kopfeinsamkeit. Die Einsamkeit der Städte ist Körpereinsamkeit."
Eins oder Null. Binärcode und Herzware. Kopie oder Original? Zarte Vögel in digitale Samples zerlegen. Elektronische Poesie für leere Herzkammern. Und alles wieder mal in kleine Pixel aufspalten: Die Liebe, das Weltall und den Sand am Meer. Texte, Musik, Beats: Softwareherz. Das Hörspiel der Musikerin und Autorin Softwareherz „Komm, lass unsere Haut Helium spalten“ ist Anfang 2006 im Hamburger Mairisch-Verlag erschienen.

Mehr über die redereihamburg e.V. und KAFFEE.SATZ.LESEN gibt es im Internet
unter

http://www.redereihamburg.de

Dort kann man die KAFFEE.SATZ.LESEN-Anthologie bestellen, dort gibt es Texte von allen Autoren, dort kann man den Newsletter abonnieren oder sich für einen eigenen Auftritt bewerben.

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Mittwoch, 15. März 2006
Die nackte Wahrheit über Foodfotografie

Besucher die regelmäßig mein Blog lesen, wissen es ja schon: ich arbeite als Foodstylist, bin Teil der glitzernden, ja, glamourösen, rasanten, aufregenden Welt der Foodfotografie. Wie funky und hip mein Berufsleben tatsächlich ist, zeigt nun erstmals ein Video, das mir eben von meinem Freund Mike zugespielt wurde. Die nackte Wahrheit, ehrliches Making of-Material, sensationelle Aufnahmen von den absolut üblichen Aftershot-Partys, aber auch die nachdenklichen Momente in unserem Beruf, zeigt dieses schonungslose Video, das keine Fragen offen lässt:

http://www.youtube.com/watch?v=afNIRFCiKEo

Nee, ganz toll Mike. Danke.

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Dienstag, 14. März 2006
Testesser Paulsen berichtet: Piment. Das Wunder vom Lehmweg.

Manchmal muss es eben die ganz große Nummer sein. Gestern hatte ich was zu feiern und erfüllte mir einen lang gehegten Wunsch. Ich durchforstete meine alten Anzüge( „Kuck mal, D-Mark!“), plünderte die Matratze und mein Sparbuch („Wie, ich hab noch ein Sparbuch?“) und machte mich mit der Liebsten auf in den Lehmweg, ins Restaurant „Piment“ zum wohl leisesten Sternekoch Deutschlands. Wahabi Nouri (Eselsbrücke: Wasabi & Nori-Algen) war 2005 Aufsteiger des Jahres im Gault Millau (17 von 20 Punkten, nur 30 Köche in Deutschland sind höher bewertet) und über dem Piment leuchtet ein Michelin Stern. Der Schüler von Eckart Witzigmann und Harald Wohlfahrt kochte außerdem 1990 bei Franz Raneburger im Bamberger Reiter zu Berlin, genau ein Jahr nachdem ich dort meine Kochkarriere beendet hatte.
Wahabi Nouri, 1970 in Casablanca geboren, kombiniert Haute Cuisine mit der raffinierten Gewürzküche seiner marokkanischen Heimat. Nicht nur exzellent, sondern auch spannend, was im Piment auf die Teller kommt.

Leider müssen ja Restaurantkritiken immer mit ein paar Sätzen über das Interior beginnen, ich mach es kurz: meins ist das nicht, die dunkelroten Wände, das dunkelrote Leder, die Kassettendecke und die Plastikpunktstrahler, die wie abgesägte Rohre aus selbiger lugen. Zu sehen gibt es trotzdem was, zumindest für die Damen: der unglaublich leise, dezente und freundliche Service ist ausnahmslos männlich, gertenschlank und gut aussehend. Ich warte aufs Essen.

Zum Champagner werden zwei winzige zartblättrige Zwiebelküchlein serviert, gefolgt von kleinen, luftigen, selbst gebackenen Brotleibchen die warm nach Anis und Kreuzkümmel duften, begleitet von einem Olivenpesto, einem Möhrenpesto und einem Basilikumquark. Sorgfältiges Handwerk. Ich wähle das siebengängige „Nouri-Menü“, die Liebste begnügt sich mit dem kleineren „Piment Menü“. Bei der Weinauswahl ist der Service behilflich, die Weinkarte ist riesig, wir bekommen einen einfachen Deutschen Grauburgunder empfohlen, zurückhaltend und günstig, die richtige Wahl zum folgenden Aromenfeuerwerk. Das Amuse Geule wir serviert, der „Gruß aus der Küche“, ein Rochenflügel in zart schmelzendem Tomatengelee, wir grüßen freundlich zurück.

Dann beginnt das kulinarische Wunder vom Lehmweg mit der Spezialität des Hauses: ein sicherlich hundert Gramm schwerer Block feinster Gänsestopfleber, mit einem Hauch Sherry aromatisiert, durchzogen von einer dünnen Linie süßer Feigencreme. Der Block steht auf einem akkuraten Rechteck aus...Schnee? Die glitzernd-weiße, kühle Pracht ist ein Salat aus fein gehackter Topinambur (Erdartischocke). Ein sensationelles Geschmackserlebnis. Daneben ziehen sich in gerader Linie kleine Häufchen von zuckersüßem Rosinenmus, jedes mit einem halben Pinienkern besteckt. Das Restaurant hat 28 Sitzplätze.

Die Liebste isst andächtig die zartesten Jakobsmuscheln, die ich je probierte, mit schwarzem (Nelken?)-Pfeffer und Zitrone gewürzt auf flockigem Couscous, daneben eine feine Linie von butterweichem Octopus-Salat. Zweiter Gang, ich bekomme eine warme Terrine von provençalischen Gemüsen, zusammmen gehalten von hauchdünnem Nudelteig, daneben bruzelt noch der gratinierte Ziegenkäse mit Thymianöl, das ganze auf einem Spiegel leicht gelierter, warmer, hocharomatischer Kalbs-Essenz. Die Liebste genießt eine Kartoffelravioli mit cremiger Käse-Zwiebelfüllung und einer tiefdunklen Jus, die so stark einreduziert ist, dass sie schon leicht bitter schmeckt. Ein Fehler? Sicher nicht, es schmeckt hervorragend, der feine Bitterton vermählt sich mit der cremigen Füllung in Perfektion! Ich probiere reichlich von der Liebsten Teller, da kommt mein nächster Gang. Die Kartoffelravioli. Ich freu mich!

Jetzt kommt verbrannter Fisch. Die Kräuterkruste auf dem Meeräschenfilet ist rabenschwarz. Der Service beruhigt mich, das gehöre genau so, und tatsächlich die „Gewürz-Holzkohle“ schmeckt hervorragend, leicht rauchig, das Filet ist saftig, die cremige Sauce mit der Zwiebelmarmelade ein Hammer. Ja gut, es Zwiebelt ein bisschen im Menü, das sollte aber auch an diesem Abend die einzige Kritik sein. Die Hauptgänge sind Gott. Die Liebste versinkt in butterzart geschmortem Ochsenfleisch in einer duftenden Jus, Hauptattraktion sind aber die raffiniert gewürzten Kartoffelscheiben, in Kreisform ausgestochen und mit braunem Zucker knusprig karamellisiert. Mein Salzwiesenlamm ist ebenfalls zart, tiefrot, perfekt gegart und daneben liegt ein...mit Puderzucker bestäubtes Strudelteig-Päckchen.
Hä?
B´stilla nennt sich diese marokkanische Spezialität, eine Art Pie aus feinblättrigem, knusprigem Warkha-Teig, gefüllt mit einer Füllung aus Lammhack, fein gemahlenen Mandeln und viel Zucker. Für sich gegessen eine Zumutung, im Zusammenspiel mit dem kräftig, pfeffrigen Lammfleisch und der gehaltvollen Jus ist das eine kulinarische Offenbarung. „Das ist unglaublich, das ist der Hammer, hast Du das probiert, ich dreh durch, das ist DIE Sensation, verstehst Du, eine SENSATION!“, buchstabiere ich euphorisch der Liebsten. Die derart Belehrte macht daraufhin komische Zeichen mit den Augen und wippt seltsam mit dem Kopf, ich drehe mich um und da steht der Kellner und sagt mildtätig lächelnd: „Das freut mich aber sehr, dass es ihnen so außergewöhnlich gut geschmeckt hat.“.

Der Käse ist selbstverständlich perfekt gereift, drei üppige Stücke Rohmilchkäse mit einem Teelöffel Quittenmus, das sehr schön nach Quitte schmeckt, da hätte ich gerne einen Esslöffel von gehabt. Die Topfenknödel zum Dessert sind so luftig, sie schweben von der Gabel, schweben, federleicht direkt auf die gute Anzughose. Der Service kennt mich ja jetzt schon als Verhaltensauffälligen Gast und reicht diskret Papierservietten. Das cremige Sorbet von Äpfeln ist perfekt, es schmeckt nur nach Apfel, aber so richtig nach Apfel, nicht der übliche Apfelbrand als Geschmacksverstärker drin und auch auf Zucker wurde weitestgehend verzichtet. Das Produkt ist hier der Star, ein glänzendes Finale.

Bezahlt haben wir auch. Glück kann man nicht kaufen, an diesem Abend waren wir nahe dran und wir bezahlten gerne. Und die Rechnung war auch eine echte Überraschung. 10 Euro für ein Glas Champagner, das ist geschenkt, das kostet schon ein schlichter Weißwein in der Szene-Bar um die Ecke gerne mal. Mein großes Menü schlägt mit 78 Euro zu buche, das der Liebsten mit 60 Euro. Sie haben gelesen was es dafür gab und 78 Euro, das sind vier Cds oder zwei durchschnittliche drei Gänge Menüs irgendwo, in der Namenlosigkeit. Das Piment ist auch noch unglaublich günstig.

Piment
Lehmweg 29
D-20251 Hamburg
Phone (0049) 040 42937788

Internet:
Wahabi Nouri ist ein scheuer, sehr bescheidener Mann. Bei den Nouris macht Frau Nouri die PR, sie konnte ihren Mann bislang noch nicht von den Vorzügen einer Internetseite überzeugen. Sympathisch.

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Sonntag, 12. März 2006
Herr Paulsen geht aus: Welcome to Jamrock. Das Konzert.

Sohn eines Vaters zu sein ist schwer. Kenn ich. Abnabeln, eigene Wege finden, den Alten lieben lernen, es ist ein Kreuz. Wenn aber der Vater Bob Marley oder John Lennon heißt, dann wird es ganz hart. Die Lennonsöhne sind allesamt daran zerbrochen dem allmächtigen Schatten des toten Vaters zu entfliehen. In Jamaica aber steht die Sonne höher und Damian, David (Ziggy), Julian, Stephen und Ky-Mani, fünf von zwölf offiziell bestätigten Kinder Bob Marleys ( insgesamt behaupten derzeit 46 Menschen Kinder von Bob Marley zu sein) tragen mehr oder weniger erfolgreich das musikalische Erbe des Vaters zu neuen Ufern.

Derzeit am erfolgreichsten ist Damian „Jr. Gong“ Marley, 2005 war das Jahr von „Welcome to Jamrock“. Der Titel gebende Track des gleichnahmigen Albums war weltweit der erfolgreichste Reggae-Tune des vergangenen Jahres. „Welcome to Jamrock“ basiert auf einem Sample des Ini Kamoze-Hits „World A Music“, aus dem Jahr 1985, produziert von Sly & Robbie. Damian Marley hat Teile des Original-Riddims geloopt und einen kraftvollen, lyrischen Song über das, von Gewalt und Mord geprägte, Jamaica von heute geschrieben. Die übrigen 13 Songs auf dem großartigen Album überzeugen allesamt mit Zitaten aus Hip Hop und Dancehall, elegant eingewoben in rootslastigen Rockers-Sound, dazu bildstarke, poetische Texte.

Meilen entfernt von allen aktuellen, musikalischen Strömungen des Reggae, hat Damian Marley seinen eigenen Stil gefunden und ein zu Recht als „Reggae Album of the year“ gefeiertes Werk abgeliefert.

Meterhoch liegt der Schnee auf der Reeperbahn, drinnen im Docks frieren die Musiker, Damian Marleys Band, in dicke Schneejacken gehüllt, bauen ihre Instrumente selbst auf, ruhig und bescheiden, kein großer Auftritt, ein bisschen Tonprobe, dann wird das Licht gedämpft und los geht es mit einer Instrumentalversion von „Jammin´“. Ich bin überrascht, gleich am Anfang dem Vater zu huldigen, damit hatte ich nicht gerechnet, aber eine kollektive Gänsehaut und der textsichere Publikums-Chor rechtfertigen alles. Ein beängstigend großer Dread mit Furcht erregenden Katzenaugen-Kontaktlinsen schwenkt eine große, jamaikanische Flagge mit dem Lion of Judah über den Köpfen der Band. Das wird er während des gesamten Konzertes tun, ernsthaft, ausdauernd und mit Hingabe. Erstmals entsteht der Eindruck, der sich später festigen sollte, das hier ist kein Konzert, das ist ein Gottesdienst.

Welcome to the church of Marley, Damian Marley betritt die Bühne, ein magerer, schlaksiger Typ, seine Dreadlocks reichen bis zu den Oberschenkeln, er trägt ein weißes Hemd, darüber eine lange schwarze Robe, tosender Applaus und ich denke, Mensch Damian, ich sollte mal was Ordentliches für dich kochen.

Damian Marley, der Sohn von Bob Marley und Cindy Breakspear, Miss World 1976 und Marley-Gespielin während seines Londoner Exils, begrüßt das Publikum freundlich, nahtlos flutschen wir in die erste Nummer "Confrontation". Das großartige „We´re gonna make it“ erklingt und ich bekomme schon wieder eine Gänsehaut. Reggae ist definitiv Live-Musik. Dicke Basswellen kitzeln Fußsohlen und Zwerchfell, kraftvoll die staubtrockene Rhythmusgitarre. Irie! Die „Background“ -Sängerinnen stehen genau neben Damian Marley, zwei rundliche Göttinnen, supersexy in wirklich sehr engen Jeans und knappen T-Shirts und die beiden können singen, mein Gott, die I-Threes sind zurück und singen zu zweit für Drei. Es ist unglaublich, die ganze Band, meisterhaft, glasklar, auf den Punkt. Dancehallzeit! „Hey Girl“ erklingt, catchy Drumloop, das Publikum explodiert augenblicklich, aber nix da, Damian Marley, der raffinierte Hund, würgt mit einer kurzen Handbewegung die gesamte Band ab. Totenstille, dann setzen die Drums wieder ein und jetzt explodiert das Publikum wirklich. Das kurze Anspielen einer Platte gefolgt von sofortigem Abwürgen ist ein gängiger Trick auf Dancehalls um die Massive weich zu kochen. Live habe ich das noch nie erlebt. Es funktioniert seeehr gut.

Irgendwann der Moment auf den ich sehnsüchtig gewartet habe. „Move!“ , auf dem Album der einzige klare Verweis auf den Vater, ist ein hartes Stück Sprechgesang unterlegt mit einem „Exodus“-Loop, der unvermittelt abbricht und dann singt Bob Marley himself den Refrain. Dafür hat der begnadetet Damian Marley, der die Platte auch größtenteils selbst produzierte, aber nicht auf die Originalbänder zurückgegriffen, sondern sich eines Samples von der 1997 erschienenen Platte „Dreams of Freedom (Ambient Translations of Bob Marley in Dub)“ bedient.

Bill Laswell und Chris Blackwell haben damals mit Erlaubnis des Marley-Clans 11 Songs von Bob Marley ver-dubt und meiner Ansicht nach einen Meilenstein der Dub-Geschichte abgeliefert. Durch die Verwendung dieses Materials klingt „Move!“ extrem frisch und modern. Doch live ist live und die Übersetzung des Songs gelingt hier durch die perfekte Kopie von Exodus. Und erst da wird mir schlagartig klar, was es mit den uralten Gitarren und dem altmodischen Zweit-Keyboard auf sich hat. Die Band spielt auf Original-Instrumenten aus dieser Zeit, der unnachahmliche Marley Sound ist perfekt. Selbst die wenigen, leicht klebrig R&B angehauchten Nummern des Albums klingen live erdig und warm. Plötzlich wird mir klar, ich befinde mich auf dem bislang besten Reggae-Konzert meines Lebens und grundsätzlich auf einem der besten Konzerte der letzten Jahre (und ich bin da fleissig). Irgendwann schenkt uns Damian Marley eine umwerfende Version von „Could you be loved“. Bewundernswert wie Damian Marley es schafft, sein eigenes großes Werk vorzustellen und ganz selbstverständlich an seine Wurzeln erinnert. Weil das zusammen gehört, weil das eine ohne das andere nicht wäre und Leugnen zwecklos. Das Publikum liebt beide, Vater und Sohn.

Der Saal ist beseelt, ganz hinten auf der Bühne bewegt sich für einen Moment der Vorhang. Bob Marley lugt hervor, lächelt, winkt kurz und ist schon wieder verschwunden auf der „Road to Zion“, ein Lichtermeer aus Feuerzeugen weist den Weg.

......................................ritsch.

Links zum Thema:

Damian Marley:
http://www.damianmarleymusic.com/

Bob Marley:
http://www.bobmarley.com/

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Freitag, 10. März 2006
Massive Attack, Karten für Hamburg: jetzt gleich.

Massive Attack, eine der innovativsten Bands der 90er, ein stilprägendes Kollektiv und nebenbei eine meiner absoluten, ewigen Lieblingsbands, sind zurück. Bislang waren für diesen Sommer nur einige Open-Air-Festivalauftritte zum im März erscheinenden Best of-Album ("Collected", VÖ 24.März) bestätigt.

Eben erhalte ich die Nachricht, dass es nun auch EIN Hallenkonzert (bislang das einzige in Deutschland) geben wird und zwar am Samstag, den 26.08.2006 im Docks in Hamburg. Diese Band einmal in so "familiärer" Clubathmosphäre zu sehen, das ist schon Gänsehaut galore.

Der Haken: Es gibt einen SONDERVORVERKAUF vor dem regulären Vorverkaufsstart und zwar SO ZIEMLICH JETZT GLEICH, in 1 1/2 Stunden. (Freitag, 10.03 von 18 - 21Uhr vor dem Docks). Da ich befürchte, dass es das dann gewesen sein dürfte, breche ich jetzt auf in die Schneehölle. Wünschen Sie mir Glück.

....................................................ritsch.

Links zum Thema:

Massive Attack:

http://www.massiveattack.co.uk/

Neues Video & Video-Archiv:

http://www.intro.de/musik/news/1141916441

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Dienstag, 7. März 2006
BuschBusch&Glück

Heute mal prickelnde Erotik in meinem kleinen Kiosk! Ja-ha! Ich bin schließlich auch nur ein Mensch..nein..äh..Mann, ich hab auch Gefühle, Wünsche, Sehnsüchte. Zum Beispiel wäre ich heimlich gerne Food-Kolumnist. Tja, und vor einem Dreivierteljahr da ruft mich jemand an, ob ich nicht Lust hätte regelmäßig für ein neues Männer-Erotik-Magazin über kulinarische Welten zu schreiben. Schreiben ja, Erotikmagazin nein, dachte ich und sagte sofort zu. Erleichterung dann, als ich den Dummy der ersten Ausgabe per Mail zugesandt bekam. Ein wirklich schönes Heft, wirklich neu und sehr ansprechend. Als ich dann noch die Fotostrecke meines Lieblingsfotografen in Sachen Ausziehen, PeterGorman, entdeckte, da wurde mir ganz warm ums Herz und so. Doch Amor meinte es nicht gut mit mir, kurz nach Andruck des wundervollen Dummy erhielt ich Nachricht, dass das Erscheinen des Heftes auf unbestimmte Zeit zurück gestellt sei, die Redaktion müsse nochmals in Klausur gehen, inhaltliche Fragen klären. Pech für mich, aber Glück für uns Jungs, den die erste Ausgabe von „BuschBusch“ gibt es jetzt im Internet zum kostenfreien Download (PDF, 8 MB).

Noch mehr Glück haben die Mädchen. Für die gibt es jetzt „Glück-Pornoheft für Mädchen“. "Glück" erscheint tatsächlich und kann ab jetzt hier bestellt werden. Der heiße Tipp kommt von Cassandra, die einen Artikel zur ersten Ausgabe beigesteuert hat. Als ich gestern die „Glück“-Homepage betrachtete, schlich sich die Liebste von hinten an, schielte über meine Schulter und fragte mit schneidender Stimme: „Was machst Du denn da?“. Und ich konnte den schönen, aussergewöhnlichen Satz sprechen: „Och, ich bestell grad ein Pornoheft für Dich.“

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