Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Sonntag, 7. Mai 2006
Nachlese.

Man sagt mir nach, ich neigte zu Übertreibungen und hätte einen Hang zu Superlativismen. Also werde ich mich jetzt mal sehr zurückhalten und einfach schreiben, dass das gestrige „Blogger Lesen in den Frühling“ in meinen Augen eine unglaublich gelungene Lesung war. Perfekt organisiert von Mequito und MC Winkel, ein riesen Dankeschön dafür ! Auf der schrabbeligen Bühne des Foolsgarden: zwölf geladene Gäste aus der Blogwelt, allesamt mit komisch-klugen, in jedem Fall höchst unterhaltsamen Texten. Meine Befürchtung, ein dreistündiger Lesemarathon könnte das Publikum überfordern, verlor sich in der flirrenden Hitze der Kleinkunstbutze. Erstmals erlebte ich einen Saunaabend mit geschätzten 130 Saunafreunden, allesamt vollständig bekleidet! Schlechter war die Luft wohl nur auf den „Toiletten“ im Keller, sehr praktisch dass ein Großteil der Getränke direkt oben ausgeschwitzt werden konnte.

Sehr zu loben ist auch Wirtin Hanne, die es schaffte sämtliche Gäste allein zu bewirten („Meine Herren, die saufen aber was weg hier, ihr müsst wirklich öfter kommen!“). Bei gelegentlichen Engpässen half dann, zumindest bis zur zweiten Pause, der nette Herr Ling vom Asia-Imbiss nebenan aus, ein sehr kontrollierter Mann, der sich aber ob des unerwarteten Umsatzes die ein oder andere Freudenträne nicht verkneifen konnte und eifrig chinesisches Bier umschichtete („Volne kalte Flassa, hinden wama Flassa“).

Nach der Lesung kurbelte die Blogwelt noch schnell die Wirtschaft sämtlicher umliegender Restaurants und Imbisse an, mein Atem verschlechterte sich kurz nach Mitternacht erheblich (Dönerteller) und ich möchte mich bei allen Menschen bedanken, die sich trotzdem tapfer weiter mit mir unterhielten. Ouzo trinken ersetzt das Zähneputzen nur bedingt, lernte ich. Und ich habe eine Menge neuer Gesichter zu immer schon geliebten Blogs kennen gelernt. In lagerfeuerartigen Kleinst- bis Großgruppen wurde sehr viel gelacht und erzählt, Liveblogging vom Feinsten, mit der schnellsten Comment-Funktion der Welt. Großartig! Danke!

Nachlesen:

Matt Wagner
http://www.mattwagner.de/blog.htm

Donna Vivace
http://www.donnavivace.de/index.php/kulturelles/bloggerlesung

Mequito
http://mequito.org/?p=671

Großbloggbaumeister
http://approx.antville.org/stories/1386537/

Treehuggin´pussy
http://www.treehugginpussy.de/2006/05/07/bloglesung-im-fools-garden/

Tief
http://mymspro.blogspot.com/2006/05/meine-erste-bloggerlesung.html

wirres.net
http://wirres.net/article/articleview/3659/1/6/

budnaked
http://www.bud-naked.de/?p=77

David Luther (mit vielen Fotos!)
http://www.davidluther.com/?p=1026

Merlix
http://www.herzdamengeschichten.de/2006/05/07/blogger-lasen-in-den-fruehling/

MC Winkel
http://www.whudat.de/?p=625

Burnster
http://burnster.de/?p=491

Weltregierung
http://myblog.de/weltregierung/art/3499366#comm

Pop64
http://www.pop64.de/blog/2006/05/07/bloglesung-hamburg-teil-2/

dasnuf
http://www.dasnuf.de/experimente/hamburg-kann-so-schon-sein/

Sauertopf
http://sauertopf.twoday.net/stories/1927825

Desideria
http://desideria.twoday.net/stories/1936229/

Lu
http://derbe.blogger.de/stories/449445/

Nachsehen:

David Luther
http://www.davidluther.com/?p=1026

Slideshow bei MC Winkel
http://www.flickr.com/photos/mcwinkel/sets/72057594128231854/show/

Gurke
http://flickr.com/photos/melle/sets/72057594128346796/

Video ist fertig! Danke an Sprottenblog
http://www.sprottenblog.de/?p=386

Nachhören:

Daniel vom Sprottenblog hat die gesamte Lesung dankenwerter Weise aufgenommen:

http://www.sprottenblog.de/?p=384

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Donnerstag, 4. Mai 2006
Lesung der Woche:

Also da freu ich mich drauf, aber sowas von! Es geht allerdings das Gerücht, es gäbe jetzt schon kaum noch ein Stühlchen und pünktliches Erscheinen verbessere die Chance auf ein solches. Da wundere ich mich ein bißchen, geb das aber mal so weiter und, genau, freue mich auf Sie!

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Samstag, 29. April 2006
Whatever gets you through the night...

20:00 Uhr, Javahouse, Eimsbüttel
Wir haben keine Ahnung, aber macht mal. Kost ja auch nix. Der Laden ist brechend voll, das Eimsbütteler Publikum betritt Neuland. Poetry Slam, da hat man mal was drüber gelesen, das gibt es wohl irgendwo auf dem Kiez. Die Moderatorin erklärt den Ablauf und hat Schwierigkeiten eine Jury zusammen zu stellen. Wie, ich muss hier auch was machen, denken die Menschen, die dem Kommenden in gemütlichen Sofas entgegen dämmern. Nur zögerlich und auf mehrfache Anfrage gehen wenige Arme hoch. Dann lesen vier wackere Autoren durchgehend wundervolle Texte. Nur vier Autoren. Die Gott sei Dank, gaaanz zufällig, jeweils zwei Texte mit im Gepäck haben. Die erste Runde vergeht überwiegend in lethargischer Stille, das Publikum scheint sich verlaufen zu haben. In der Pause aber muss der freundliche Barmann irgendwas in die Gläser gekippt haben, die Meute ist wie ausgewechselt, die Dichter werden ordentlich gefeiert, Lachtränen rollen, Buhrufe für schlechte Bewertungen, der Slam ist angekommen in Eimsbüttel. Etwas gemütlicher, etwas leiser, etwas älter als die anderen Slams, irgendwie ein bißchen Ü-30, aber genau darin liegt die Chance für dieses neue Format. „8 Min. Eimsbüttel“ gibt es wieder am 19. Mai, dann hoffentlich mit mehr mutigen Vorlesern.

22.30 Uhr, Tippel, St.Pauli
St.Pauli hat Wattenscheid geschlagen, 2:1, das gilt es jetzt zu betrinken. Aufgequollene Einzelschicksale sitzen in schillernden Bierlachen und befüllen sich mit roten Schnäpsen. Minderjährige Glatzen imponieren ihren grell geschminkten, minderjährigen Begleiterinnen mit gelallten Schlachtenrufen. Rotfront, na-na na-naaaa! Was mach ich hier? Wir sind hier, weil die Liebste einem Freund in Liebeskummerfragen helfen soll. Der junge Mann folgt ihrem verbalen Krisenmanagement mit einem zugekniffenen Auge, „sonst fall ich um.“. Ich trinke vor lauter Langeweile drei Astra, die mir fremde Menschen ungefragt in die Hand drücken und prahle mit explizitem Wissen über das Spiel, dass ich gar nicht gesehen habe. Meine neuen Freunde sind sehr beeindruckt. Hinter ihnen, über ihren Köpfen, läuft im Fernseher der Teletext.

00:15 Uhr, Stage Club, Neue Flora
Die Band spielt noch! Federleicht schwingt der Bass, schmeichelnd seufzt das Saxophon, fette Bläser über perlendem Klavier. Und auf der Tanzfläche schweben, ja schweben, wunderschöne junge Menschen völlig losgelöst umeinander, so etwas habe ich noch nicht gesehen, die Paare scheinen tatsächlich zu fliegen, dann wieder eng aneinander geschmiegt wirbeln sie durch den Ballsaal. Das ist das schönste, was ich jemals an Tanz gesehen habe. Diese wilde, improvisierte Eleganz, diese scheinbare Schwerelosigkeit. Allein das Zusehen erfüllt mich mit einem ungeahnten Glücksgefühl, ich ahne aber sehr wohl, dass ich gerade meine Zukunft gesehen habe. Herr Paulsen entdeckt den Lindy-Hop. Ich höre seit Jahren Swing, nie habe ich es auf einen Dance geschafft und jetzt stehe ich hier und kucke die Liebste an und sie nickt mir wissend zu.

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Freitag, 28. April 2006
8 Min. Eimsbüttel.– Der Poetry Slam für Längerleser & Kurzentschlossene (Autoren verzweifelt gesucht)

Heute startet in Hamburg der erste Poetry Slam für Längerleser. Satt der Slam üblichen fünf Minuten Vorlesezeit gönnt die Veranstalterin Friedrike Moldenhauer dem lesewilligen Volk bei „8 Min. Eimsbüttel“ , ja genau, bis zu acht Minuten. Sonst gelten die Slamregeln wie gehabt, das Publikum bestimmt seine Helden per Abstimmung, es winken Ruhm und Ehre. Das ganze findet in der gemütlichen Sofalandschaft des „Javahouse“ in der Osterstrasse 4 statt, beginn ist um 20:00 Uhr.

Nun haben ja Premieren mit Publikumsbeteiligung den Nachteil, dass vielleicht erstmal keiner kommt. Friedrike Moldenhauer, Literaturveranstalterin (Macht), Lektorin, Übersetzerin und vor allem eine liebe Freundin, macht sich Sorgen. Dabei ist das ein sehr gutes Format, die Location stimmt, alles Bestens, nur, ja, Autor/innen wären auch sehr schön.

Darum hier der Aufruf:
Hamburger Blogger, kommt zahlreich, stöbert in Euren Schubladen und Festplatten nach Texten und rauf auf die Bühne! Mequito & ich werden auf jeden Fall schon mal antreten und wir freuen uns auf zahlreiche Konkurrenz. Ob komisch, wild, leise, lyrisch, alles geht. Auch sind die acht Minuten keinesfalls Pflicht, sondern lediglich Obergrenze. Einfach um 20:00 Uhr ins Javahouse marschieren, an der Bühne anmelden und geliebt werden!
Wir sehen uns heute Abend?

8 Min. Eimsbüttel
Javahouse
Osterstr. 4, 20259 Hamburg.
Freitag, 28. April 2006 (HEUTE)
Beginn: 20.00 Uhr
Eintritt frei

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Dienstag, 25. April 2006
Rettungswagenrätsel

Na so was, denk ich, da steht schon wieder der Rettungswagen. Zum dritten Mal in fünf Tagen, parkt da, Standblinker blinken, auf der rechten Fahrspur, Höhe Hoheluftchaussee - Ecke Bismarckstrasse. Direkt vor und natürlich auch ein bisschen zwischen dem Blumenladen und dem Asia-Imbiss. Zu sehen ist nie was und weil der Wagen so unkonkret geparkt ist, weiß man auch nicht, was für ein Schicksal genau da arme Menschen zum wiederholten Male ereilt hat. Sind es die Pflanzen-Preise beim Blumenhöcker, die die Leute erst in Schwindel und dann zu Boden werfen, so kurz vor der Gartensaison? Oder ist gar was nicht in Ordnung mit dem chinesischen Essen? Dann wäre doch aber sicher schon geschlossen, nach der, sagen wir mal, zweiten Vergiftung in einer Woche. Das macht mich langsam ganz wuschig. Ich fahre extra langsam und kucke, da kommt des Rätsels Lösung aus dem Asia-Imbiss. Die Rettungsfahrer tragen hauchdünne Plastiktütchen mit Styropor-Boxen zum Rettungswagen und lecken sich lachend die Lippen. Auch ein Notfall, Rätsel gelöst, Leben kann weiter gehen.

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Montag, 24. April 2006
Da wir man doch gern mal 30! KAFFEE.SATZ.LESEN jubiliert.

"Kinners, wie die Zeit vergeht!", ruft Opa Paulsen aus dem Bücherschrank und ja, Recht hat er. Nächsten Sonntag wird unsere kleine Lesereihe schon 30!
Am 18. Mai 2003 starteten Herr Svensson und ich mit dem ersten KAFFEE.SATZ.LESEN-Nachmittag. Seitdem sahen knapp 2800 Besucher über 100 Autorinnen und Autoren, die gemeinsam ungefähr 2175 Minuten live Literatur präsentierten.

Auch zur 30sten Ausgabe von KAFFEE.SATZ.LESEN läuft die Kaffeemaschine wieder heiß und es haben sich fünf hochkarätige Jubiläumsgäste angekündigt. Aus Berlin kommt Sebastian Orlac, der seinen im Frühjahr 2006 erschienenen Roman „Verteidigung der Himmelsburg“ vorstellen wird. Die Hamburger Autorin Mareike Krügel liest aus ihrem Roman „Die Tochter meines Vaters“ und aus Kiel kommt Arne Rautenberg, Feuilletonist der Neuen Zürcher Zeitung und Mitarbeiter der Literaturzeitschrift Volltext. Der Hannoveraner Spoken-Word-, Comedy- und Poetry-Meister Mirco Buchwitz stellt live seine neue Hör-CD „lieber woanders“ vor. Und vom Hamburger Forum junger Autoren ist Wiebke Spannuth-Maginess zu Gast.

KAFFEE.SATZ.LESEN 30
Sonntag, 30.04.06, 16:00 Uhr
Baderanstalt
Hammer Steindamm 62
neben S-Bahn Hasselbrook
im Hinterhof, 5. Stock
5 Euro
(Der Tanz in den Mai ist übrigens nicht gefährdet, weil wir spätestens um halb7 los wollen, irgendwann ist ja auch mal gut & rocken.)

Die Autoren im April:

Sebastian Orlac *1970



wurde in Bochum geboren und wuchs in München auf. Seit 1986 lebt er in Berlin. Er arbeitete als Regisseur für Schauspiel und Musikvideos. Seit 2001 schreibt er Theaterstücke, Fernsehfilme und organisiert Veranstaltungen. Er wird seinen im Frühjahr 2006 erschienenen Roman „Verteidigung der Himmelsburg“ vorstellen:
„Paul verliebt sich in Emma, die Synchronstimme von Jodie Foster, die nebenher an Familienaufstellungen teilnimmt oder sich mit ihrer schwangeren Freundin streitet, die von ihrem bei einer irischen Briefkastenfirma gestrandeten Mann belauscht wird. Der normale Wahnsinn eben.“ (Klett-Cotta)
http://www.orlac.de/

Mareike Krügel *1977

in Kiel geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und lebt in Hamburg. 2003 erschien „Die Witwe, der Lehrer, das Meer“ (Roman, Steidl), 2005 „Die Tochter meines Vaters“ (Roman, Schöffling & Co.). Mareike Krügel legt mit „Die Tochter meines Vaters“ sowohl einen nicht alltäglichen Entwicklungsroman vor, wie auch eine ergreifend-komische Familiengeschichte. Ihr trockener Sprachwitz wahrt dabei elegant die Balance zwischen Schwarzem Humor und Empathie.

Arne Rautenberg *1967

studierte Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Volkskunde. Er lebt als freier Künstler, Autor und Vater von zwei Kindern in Kiel und schreibt für das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung und die Literaturzeitschrift Volltext.
Letzte Veröffentlichungen: „Der Sperrmüllkönig“ (Roman, Hoffmann und Campe, Hamburg 2002) sowie den Gedichtband „einblick in die erschaffung des rades“ (Darling Publications, Köln 2004); zudem erschienen viele Geschichten und Gedichte in Zeitschriften und Anthologien, zuletzt in: „Tierische Liebe“ (Eichborn, Berlin 2004) und im „Jahrbuch der Lyrik“ (Fischer, 2005). Letzte Ausstellung: „stehen im lauf der zeit“, Galerie Enja Wonneberger, Kiel 2003.

Mirco Buchwitz *1974



sagt über sich selbst: „Ich bin eine Live-Band“. Er schafft eine Mischung aus Comedy/Kabarett, Spoken Word/Literatur und Musik. Die komischen, tragischen und skurrilen Seiten alltäglicher Situationen verwebt er in der Verbindung von Sound und Dichtung zu einem Stoff voller Poesie, Skurrilität und unbestechlicher Komik. Seine Soloprogramme, bei denen er seine Texte zu musikalischer Begleitung aus dem Off erzählt oder sich mit Stimmen von der Konserve groteske Wortgefechte liefert, bewegen sich ständig auf der Grenze zwischen melancholisch-nachdenklichem Erzählabend und hanebüchener Komik.
http://www.mircobuchwitz.de/

Wiebke Spannuth-Maginess *1965

Geboren in Hamburg St. Georg, aufgewachsen in Brüssel, Jakarta und Hamburg. Dazwischen verbrachte sie immer wieder Wochen und Monate in zwei niedersächsischen Dörfern. Sie studierte Germanistik, Soziologie und Geschichte in Freiburg und Hamburg. Anschließend Diplom in Journalistik an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Sie arbeitete als freie Journalistin für Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten. 2004 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für Literatur. Seit Januar 2004 ist sie Mitglied im Forum Hamburger Autoren.

Mehr über die redereihamburg e.V. und KAFFEE.SATZ.LESEN gibt es im Internet
unter

http://www.redereihamburg.de

Dort kann man die allerletzten Restexemplare der KAFFEE.SATZ.LESEN-Anthologie bestellen, dort gibt es Texte von allen Autoren, dort kann man den Newsletter abonnieren oder sich für einen eigenen Auftritt bewerben.

So, jetzt Prickel.

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Samstag, 22. April 2006
Testesser Paulsen berichtet: Pfälzer Stube@Hatari

Stellen Sie sich vor es ist WM, die Welt ist zu Gast bei Freunden und Sie befinden sich plötzlich in Völker verbindendender Auskunftsnot, wenn da die Welt auf Sie zukommt und fragt: „Du ißt Deutschland?“. Tja, wer es dann erstmal falsch verstanden hat der schüttelt je nach Gemütszustand heftig den Kopf, wackelt unschlüssig mit selbigem oder nickt bejahend. Spätestens dann aber sollte die Restaurantempfehlung kommen.

Zumindest Hamburger Bürger dürften damit jetzt kein Problem mehr haben, denn gestern Abend habe ich das Licht gesehen, in der für gewöhnlich bedrohlich folkloristisch-fetten, dunklen Deutschen Küche.
Das Deutsche Küche so lecker wie funky sein kann, beweißt seit ein paar Monaten die „Pfälzer Stube“ im „Hatari“. Das Hatari ist eine gemütliche, leicht schmuddelig angehauchte Bar wie sie in Berlin Mitte gerade schwer in Mode sind. Bislang gab es da Sandwiches, von denen ich Löbliches hörte, die arg begrenzten Ausgabezeiten der länglichen Labberbrötchen erschwerten aber Berufstätigen die Überprüfung. Jetzt haben die Hatari-Macher die alten Sofas aus dem Nebenraum zum Sperrmüll gebracht, Tische und Stühle aufgestellt, zahlreiche Rehgeweihe aufgehängt, funzeliges Oberlicht mit Weinlaub umkränzt und Dirk Scheffel angerufen. Der gebürtiger Karlsruher ist in Hamburgs Gastroszene kein unbekannter, seit Jahren beglückt er im „Jimmy Elsass“ die Nordlichter mit original Flammekuchen in jeder dankenswerten Ausführung.

Zu Acht stürmen wir um 19:30 Uhr das voll besetzte Restaurant, gut dass wir reserviert haben, seit der Eröffnung im Februar ist der Laden jeden Abend ausverkauft. In der Hamburger Morgenpost hatte ich zwei Tage zuvor einen geradezu euphorischen Artikel über die Pfälzer Stube gelesen, in dem auch der schöne Satz stand: „...ist ein Treffpunkt der Generationen: Junge, szenige Menschen mischen sich unter alte Herrschaften...“. Was ich für sentimentales Wunschdenken der Redakteurin hielt, stimmt tatsächlich. Neben den üblichen Schanzenviertel-Verdächtigen, sitzen eine beachtliche Zahl an Graunacken mit ihren frauenbewegten Freundinnen bei Kerzenlicht und Rotwein zusammen. Schön ist das und ein Hinweis darauf, wie generationsverbindend die Sehnsucht nach deutscher Küche ist.

Moment, mag jetzt der deutschlandkundige Leser rufen, die Pfalz ist doch nicht Deutschland! Richtig, aber die lederne Mappe mit in gold eingeprägter, altdeutscher Schrift, verkündet außen „Speisen und Getränke“, innen aber finden sich neben Pfälzer Saumagen auch gesamtdeutsche Speiseschlager aus vielen Regionen. Die schwäbischen Kässpätzle treffen auf eher bayerische Bratwurst mit Kraut, aus Hessen kommt der eingelegte Handkäs mit Musik, der Schinken ist aus dem Schwarzwald und der Leberknödel ist fast überall Zuhause wo die Großmutter noch lebt.

Zügig kommen die Getränke, ein Segen, den bevor wir überhaupt etwas gegessen haben, muss ich schon vom einzigen, großen Nachteil der Pfälzer Stube erzählen: Sie warten ewig auf Ihr Essen! Nach eineinhalb Stunden erfreut uns der Kellner mit diesem schönen Satz, den ich gerne auf eine Kochjacke gestickt hätte: „Bei Euch geht’s jetzt sofort los, ihr seid die Übernächsten.“. Bei den Nächsten muss es aber Schwierigkeiten gegeben haben, denn wir sind eine weitere halbe Stunde gezwungen uns zu betrinken, mit guten Deutschen Weinen und eiskaltem Bier. Ich muss an Mutter denken, die immer rief: „Kinder, trinkt euch nicht satt!“. Aber in der Not, Mutter!

Aus der Bar schwappt dicker Funk und laue Housmusic herüber, wir trinken uns Letztere schön. Nach zwei Stunden geht es dann aber tatsächlich sofort los und das Warten hat sich gelohnt! Meine „Pfälzer Kombination“ aus Bratwurst, Leberknödel und Saumagen ist fantastisch! Grob und würzig die Bratwurst in dunkler Sauce, butterzart der Leberknödel und der importierte Saumagern der Pfälzer Metzgerei Kieffler ist nicht umsonst Gold prämiert. Und obwohl „der Mensch kein Beilagenesser ist“, wie der eitle Hamburger Selbstdarsteller Heinz Strunk in seinem, zugegebenermaßen recht lustigen Buch „Fleisch ist mein Gemüse“ bekannt gab, freue ich mich über ca. 600 g dampfendes Sauerkraut und einem Korb voll duftendem, dunklen Brot, das wunderbar nach Malz riecht. Ich mach es mal kurz: alles, alles schmeckte hervorragend, riesige Portionen und alles unter 10 Euro. Sogar das Alternativprogramm für Deutschlandverächter, ein dicker Burger mit Rindfleisch, krossem Schwarzwälder Schinken und Parmesan an knusprigsten Pommes Frites, ist ein kulinarischer Segen. Der zur Rechnung gereichte Hausschnaps zwingt sogar gestandene Schleswig Holsteiner mit Schmerz verzerrten Gesichtern zu Boden, kurz gesagt, ein etwas langer, aber sehr schöner, kulinarischer, preiswerter Abend.

Beim Nachhause gehen denke ich darüber nach, ob ich eigentlich zur WM alles mit der Welt teilen soll. Ich glaub ich sag nix.

Pfälzer Stube@Hatari
Eimsbütteler Chaussee 42, täglich 18 bis 23 Uhr, Tel. 040 43208866

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