Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
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Donnerstag, 28. September 2006
Das dicke Kind im Fernsehen
herr paulsen
08:31h
Heute Abend kommt das dicke Kind live im Fernsehen. Herr Svensson und ich stellen das Buch in der Sendung „Neue Helden“ im Hamburger Sender „Tide TV“ vor, außerdem ist von der Sendeleitung ein Gespräch über „Poetry Slam, Literatur-Aktivisten und Blogger“ angedroht. Dazu gibt es Fotos von Kerstin13 auf den Bildschirm und ein Mini-Live-Konzert der prima Band FOTOS. Los geht es um 21:00 Uhr. Ich hoffe nur, ich schwätz kein Scheiß, denn das ganze gibt es für Nichthamburger irgendwann auch als Podcast. Da kann man dann aber wenigstens das Gespräch vorspulen. Neue Helden auf Tide TV Links zum Thema: Neue Helden: Neue Helden Podcast: Tide TV: Tide TV empfangen: Dickes Kind: Kerstin13: FOTOS: ... Link Dienstag, 26. September 2006
Ich habe keine Ahnung wer Sie sind.
herr paulsen
18:00h
So wie da oben auf dem hübschen Foto sieht es manchmal, nein, also ehrlich gesagt, sehr oft in meinem Kopf aus. Immer dann, wenn Menschen freudestrahlend auf mich zugeschossen kommen, laut rufen: „Herr Paulsen!“, oder „Paulsen!“, mich drücken, küssen (!), Hände schütteln und ich keine Ahnung habe, wie diese Menschen heißen. Ich lerne, beruflich sehr viele Menschen kennen und auch im Privatleben bin ich viel unterwegs. Das ist nicht sehr hilfreich für mein Namenmerkproblem und ich gerate in schlimme Situationen. Vor ein paar Monaten zum Beispiel, hieb ich auf einem Empfang dem Abteilungsleiter eines Deutschen Riesen-Lebensmittel-Konzerns, der mich namentlich angesprochen hatte, kumpelhaft auf die Schulter und rief: „Na, Alter was geht!“. Irrtümlich hatte ich ihn für einen Praktikanten aus einem Fotostudio gehalten. Der Mann reagierte souverän, erklärte mir dass unsere vergangene Zusammenarbeit sich maßgeblich positiv auf die Verkaufszahlen seines Produktes ausgewirkt habe und buchte mich nie wieder. Was trägt der Mann auch Jeans und Second Hand-Sakko! Die Liebste hilft gerne, wenn sie kann. Zum Beispiel flüstert sie mir auf Partys schnell die Namen der nahenden Grußwilligen in Ohr. Müssen sich diese zur Begrüßung durch eine Menschenmenge kämpfen, nutzen wir die Zeit und ich bekomme auch noch biographische Daten geflüstert. So gelang mir neulich ein schöner Triumph auf einer Party: „Hallo Torben, sach ma, wir haben uns ja 2004 das letzte Mal bei Fabiola-Clémetines dreißigstem Geburtstag in Hinteraichstetten gesehen! Wie war die letzte Saison Deines Footballteams Rammelschweine04 und bist Du eigentlich noch bei der Agentur Neurath, Gummersbein & Adelmey? Und wo ist denn heute Deine bezaubernde Freundin Franziska-Juliane-Elsbeth?" Nur leider ist die Liebste nicht immer neben mir und so muss ich leben mit meiner Behinderung, gelte bei den Menschen als maulfaul, unhöflich, introvertiert. Undankbares Pack! Schließlich müssen die sich alle nur einen Namen merken, meinen. Ich aber soll sie alle kennen. Das ist nicht fair. Warum erzähle ich das alles eigentlich? Nun, eben, ich befand mich auf dem Heimweg, da schlenderten mir drei Frauen entgegen. Ich kuckte so rum, bemerkte dass mich eine der Frauen länger ansah und sah mal auf Verdacht zurück. Gerade hatte ich die Gruppe passiert, da hörte ich die Frau vorwurfsvoll grummeln: „Na, der Paulsen, der erkennt mich nicht!“ Ich wirbelte herum, wir standen uns in gebührendem Abstand gegenüber und starrten einander an. Stille. Ich erkannte sofort, die Frau hat Recht. Nicht nur keinen Namen, nein, ich erkannte diese Frau nicht, ich war (und bin es noch) fest davon überzeugt diese Frau überhaupt nicht zu kennen. So standen wir da. Aus Sekunden wurden Stunden, die Dreiergruppe erwartete eine Reaktion. Ich überlegte. Soll ich jetzt die Hand vor die Stirn schlagen und fröhlich Entschuldigungen murmelnd auf die Dame zugehen? Das kann ich prima, das funktioniert aber nur wenn ich nur den Namen vergessen habe, das anschließenden Gespräch ist oft erhellend. Hier hatte ich aber scheinbar die gesamte Frau vergessen. Wir standen immer noch. Ich ging langsam rückwärts. Die Dame seufzte schwer. Plötzlich schnellte doch noch meine Hand zur Stirn, ganz automatisch, aber zu spät. „Macht ja nichts, Paulsen.“ sagte sie mit leiser Stimme und die Frauen gingen ihres Weges. Und da war es wieder: Saugt Namen ein. Und jetzt auch ganze Personen. Es wird schlimmer. Nicht böse sein. ... Link Donnerstag, 21. September 2006
Mal hingehen! Buchpremieren-Party in der Bar NORD am Sonntag
herr paulsen
08:23h
Saufen Sie doch mal Ihre Lieblingsautoren unter den Tisch, lobpreisen sie das Buch und sammeln sie Autogramme als langfristige Risiko-Wertanlage. Am Sonntag wollen wir nach der Lesung ordentlich das Buch betrinken, mit Autoren, Freunden, Publikum. Und zwar in der kuscheligen Bar NORD in der Vereinsstrasse 52 (U-Bahnhof Christuskirche, Eimsbüttel). Los geht es um 21:00 Uhr, die Getränke sind wohltemperiert und preiswert, DJ Blume schmeichelt das Ohr mit 60s Soul, 70s Funk, Rocksteady und obskurem Country. Zum Ausschneiden: ... Link Dienstag, 19. September 2006
KAFFEE.SATZ.LESEN: die zweite Anthologie ist da!
herr paulsen
13:02h
Gibts nicht! Eben poste ich den Hinweis auf das nächste KAFFEE.SATZ.LESEN und denk noch so: Schade, dass die neue Anthologie noch nicht da ist. Da bimmelt das Telefon, dran ist der Verlag: das Buch ist da. Herrlich! Schön ist es geworden, ein richtig dicker Wälzer, fast doppelt so dick wie der erste Band, mit brillanten Autoren und diesmal auch nochmal erhöhter Bloggerdichte (Lyssa, Don Dahlmann, Praschl,Mequito, Eric Hegmann). Statt endlose Lobgesänge zu singen, beruhige ich mich jetzt mal wieder ein bißchen und lasse ganz offizielle den Verlag sprechen: KAFFE.SATZ.LESEN 13-31, die Anthologie Die redereihamburg veranstaltet seit 2003 eine außergewöhnliche Lesereihe: KAFFEE.SATZ.LESEN, den großen Hamburger Sonntagssalon für neue Literatur. Immer am letzten Sonntag eines Monats lesen literarische Nachwuchstalente zusammen mit namhaften Autoren und preisgekrönten Schriftstellern aus dem In- und Ausland. Erzähler, Dichter, Slam-Poeten und Lyriker präsentieren ihre aktuellen Texte und stellen neue Bücher vor. Ein breites Spektrum - das Publikum dankt es mit einem regelmäßig ausverkauften Haus. Nach dem großen Erfolg der ersten Anthologie liegt nun der zweite Band vor. Sven Amtsberg | Natalie Balkow | Sigrid Behrens | Katharina „Lyssa” Borchert | Ina Bruchlos | Mirco Buchwitz | Jan Christophersen | Reverend Ch. Dabeler | Don Dahlmann | Jan Deichner | Kerstin Döring | Katrin Dorn | John von Düffel | Konstanze Ehrhardt | Gunter Gerlach | Michael Hasenfuß | Eric Hegmann | Sven Heine | Finn-Ole Heinrich | Nils Heinrich | Almut Klotz | Torsten M. Krogh (aka Bud Rose) | Mareike Krügel | Benjamin Maack | Jeffrey McDaniel | June Melby | Andreas Melchner | Jörg Meyerhoff | Nils Mohl | Andreas Münzner | Arne Nielsen | Jürgen Noltensmeier | Sebastian Orlac | Stevan Paul | Sascha Piroth | Alexander Posch | Peter Praschl | Arne Rautenberg | Charlotte Richter-Peill | Annette Riestenpatt | Alexander Rösler | Angela Rotermund | Tex Rubinowitz | Martin Schäfer | Roberta Schneider | Xochil A. Schütz | Annette Schwarz | Christoph Simon | Wiebke Spannuth-Maginess | Janna Steenfatt | Andreas Udluft | Anne-Ev Ustorf | Birgit Utz | Johanna Wack | Michael Weins | Alicja Wendt | Mek Wito | Maite Woköck | Klaus Cäsar Zehrer | Enno Zweyner KAFFE.SATZ.LESEN 13-31, die Anthologie Das Buch gibt es überall wo es Bücher gibt, ab dem 1. Oktober. http://www.mairisch.de/bestellung.htm ... Link
KAFFEE.SATZ.LESEN ist zurück!
herr paulsen
10:54h
Immer so im Mai eines jeden Jahres bekomme ich die Vollkrise, stöhne auf hohem Niveau und mag nicht mehr. Spätestens Ende September freu ich mich dann aber wieder so richtig, auf den letzen Sonntag im Monat, auf unsere Gäste und das Publikum und jetzt geht es endlich wieder los: die Sommerpause ist vorbei und KAFFEE.SATZ.LESEN startet nächsten Sonntag in die vierte Saison mit großartige Gästen und einer Fotoausstellung. Kaffee.Satz.Lesen 32 Unsere Gäste im September: Frank Schulz *1957 in Hagen bei Stade, lebt als freier Autor in Hamburg. 1991 erschien sein erster Roman „Kolks blonde Bräute“, der erste Teil der „Hagener Trilogie“. Elf Jahre später folgte 2002 „Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien“. In diesem Jahr ist nun endlich „Das Ouzo-Orakel“ erschienen (Eichborn). Ein echter Frank Schulz ? und eine echte Überraschung: denn der Roman spielt nicht im regengetränkten Norden Deutschlands, sondern im sonnendurchfluteten Griechenland. „Das Ouzo-Orakel“ ist erzkomisch, bacchantisch, verklemmt, verzweifelt und hemmungslos sentimental. Wie zumeist bei Frank Schulz geht es um Sucht, Suff und Sehnsucht, um die Tyrannei der Drüsen, die Schrecken des Rückfalls und das richtige Leben im falschen. Ina Bruchlos, *1966
ist Malerin und Autorin und wohnt am Rande St. Paulis nahe Altona. Rainer Jogschies, *1954 schreibt seit 1984 Bücher für C. H. Beck, Rowohlt, Ullstein, Eichborn, Rasch & Röhring, Mosaik und viele andere. Sein Roman „Der Buchmesser“ (2003, Nachttischbuch-Verlag, Berlin) handelt von einem ambitionierten Kollegen, der sein Manuskript partout nicht unterbringen kann und dennoch Erfolg hat: Er verramscht die ebenso ambitionierten Bücher anderer Autoren. Jogschies gewährt verblüffende Einblicke eines Insiders, über die zumindest Lektoren, Verlagsleiter und Großhändler nur gereizt lachen können. Er erzählt von albernen Begrüßungszeremonien, schlimmen Besäufnissen, arroganten Autoren und hochmütigen Verlegern. Ein böser Reiseführer zur anstehenden Buchmesse in Frankfurt. Volker Strübing *1971 in Thüringen geboren, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt und Berlin, Marzahn. Der gelernte Facharbeiter für Datenverarbeitung ist „einer der weltweit unbekanntesten Popstars“. Er begann seine künstlerische Laufbahn mit Musiken für C64-Computerspiele. Seit 1996 liest und singt er bei LSD – Liebe Statt Drogen – und seit 1999 bei der Chaussee der Enthusiasten, beides große Berliner Lesebühnen. Im Oktober 2005 erschien sein Romandebüt "Das Paradies am Rande der Stadt" (yedermann-Verlag, München), und er gewann den Einzelwettbewerb des SLAM2005, der Meisterschaft der deutschsprachigen Poetry-Slams in Leipzig. Arne Vollstedt * 1974
Kerstin Schlitter *1970 in Dortmund geboren. Die in Hamburg lebenden, freie Fotografin widmet sich seit mehr als zehn Jahren der Konzertfotografie. Sie hatte schon Henry Rollins und Die Sterne vor der Kamera, fotografierte ihren Kollegen Anton Corbijn, Aimee Mann und Kettcar, die Liste ist endlos. Nun sind Literaten ja eher selten Rockstars und lassen es bei ihren Auftritten (meistens) etwas leiser angehen, statisch am Lesepult. Genau deshalb hat Kerstin Schlitter KAFFEE.SATZ.LESEN über Monate hinweg mit der Kamera begeleitet: „ Es entstand die Idee, eine Ausstellungsserie von Künstlern zusammenzustellen, die alle im letzten Jahr dort gelesen haben, wobei die individuelle Ausstrahlung eines jeden deutlich wird, unabhängig vom Bekanntheitsgrad. Durch ihren eigenen Stil, ohne Blitz und mit hochempfindlichem Schwarz-Weiß-Film, entstanden großartige, ungewöhnliche Bilder und Ansichten zur Live-Literatur. Mehr über die „redereihamburg“ und „Kaffee.Satz.Lesen“ gibt es im Internet unter http://www.redereihamburg.de Dort finden Sie Texte von allen Autoren, dort kann man den Newsletter abonnieren, die Anthologie bestellen oder sich für einen eigenen Auftritt bewerben. ... Link Sonntag, 17. September 2006
Testesser Paulsen berichtet: Feierabend mit Marc Fibla
herr paulsen
10:43h
Feierabend! El Quiosco schließt bis Anfang nächsten Jahres und zur Feier des Tages gehen wir essen. Noch mal hier essen zu gehen ist für mich eher ein bedrohliches Szenario, doch der Fotograf zwinkert lächelnd, er habe da noch was für mich und er erzählt von Marc Fibla. Das Elternhaus von Marc Fibla steht unweit des Fotoklosters, einer von hier, das Dorf ist stolz auf seinen Sohn, der einst auszog, das Kochen zu lernen. Nach Stationen in Frankreich kehrte Marc Fibla nach Spanien zurück und wurde Schüler von Ferrán Adriá. Ein Schüler von Ferrán Adrià? Ja worauf warten wir denn noch! Kaum zu glauben, die Wirkungsstätte des jungen Kochs befindet sich tatsächlich mitten auf der Partymeile des herunter gekommenen Remidemi-Badeortes Castelldefels, hinter den Mauern eines betonklobigen Designhotels. Der Eingang zum Restaurant DOM liegt um die Ecke in einer Seitenstrasse, wir nehmen quasi den Hintereingang, der sich versteckt, vor den zahlreichen, trunken auf der Hauptstrasse herumtorkelnden Spaßtouristen. Zum Cava wird Forellenkaviar gereicht, der in Wantanteig gebacken wurde. Die kleinen Röllchen sind knusprig und heiß, der Forellenkaviar überraschenderweise immer noch kühl und frisch. Ich beginne zu ahnen und werde leicht euphorisch. Wir wählen aus acht Brotsorten, süße Butter wird gereicht, zwei Olivenöle und Fleur du Sel. Die Speisekarte bringt uns in Entscheidungsnot, einmal alles bitte. Marc Fibla hilft und fragt höflich, ob er uns nicht einfach ein Überraschungsmenü machen soll. Ja soll er, unbedingt! Auf scharfen Pimentos de Pequeno und Büffelmozarella gebettet, liegt ein Stück perfekt gebratener Thunfisch, der mit einer hauchdünnen Schicht knusprigem Toastbrot bedeckt ist. Sonst nichts. Ein grandioses Geschmackserlebnis, aber vor allem ein unglaubliches „Mundgefühl“, diese zart-knusprig-weiche Komposition. Wir wissen es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, das war eines der schwächeren Gerichte des Abends. Jetzt kommt der Fisch, butterweiche, fast noch glasige Dorade, mit einer perfekt-knusprigen Haut auf einem warmen Miso-Algensalat und in Soja-Butter geschwenkten Enoki-Pilzen. Auch hier keine Sauce, alles ist saftig, kräftig im Geschmack und doch fein genug gewürzt für ein perfektes Zusammenspiel aller Zutaten. Marc Fibla erscheint vor dem Hauptgang und präsentiert auf einer Platte eine ganze Spanferkelkeule, die seltsam aussieht. Wie ein gebräunter Kegel. Und so klein. Knuspriges Schwein nennt sich das ganze, ganz einfach auf der Speisekarte, ist aber alles andere als einfach. Fibla kauft für dieses Gericht ganze Spanferkel, die nicht mehr wiegen dürfen als vier-sechs Kilogramm. Der Verkauf von Spanferkeln mit diesem Gewicht ist in Deutschland verboten, in Spanien darf man das. Fibla entfernt sämtliche Knochen aus der Keule und legt das Fleisch drei Stunden in Meersalz ein. Dann werden die Keulen vernäht und der so entstandene Kegel wird mit Schweineschmalz in einem Vakuumierbeutel bei Niedrigtemperatur in Wasser gegart. Dann kommt das ganze, gut getrocknet, und nochmals mit Salz eingerieben in den Ofen. Das Ergebnis ist eine butterzarte Keule mit hauchdünner, krosser Haut. Ein sensationeller Geschmack. Fibla serviert dazu eine halbe Bratkartoffel und eine halbe, geschmorte Schalotte, eher Alibi, denn das Fleisch und die dunkle Sauce (die Fibla aus den Knochen gewonnen hat), die reichen völlig, wer braucht da noch Beilagen. Das dreigängige Dessert beginnt mit einem Drink. In einem Glas befinden sich geschichtet: Muskatwein, eine alkoholfreie Erdbeeressenz und frische, leicht angeschlagene Sahne. Hach, ja, ist prima für junge Mädchen die sonst nur Baileys trinken. Die knusprig karamellisierte Banane mit Milchreis-Eis und Kokosbaiser schmeckt gut. Und der Zitronenpudding mit Baiserhaube auch. Ich kann mit Desserts nicht so viel Anfangen und auch hier Bewahrheitet sich der doofe, alte Spruch: wirklich große Köche können keine Desserts. Beseelt verlassen wir das Restaurant, das war meisterhafte Küche, ein grandioser Abend der meinen kulinarischen Horizont erweitert hat. Was der Spaß letztendlich gekostet hat, weiß ich nicht, ich war ja eingeladen. Ich habe aber auf der Speisekarte gesehen, dass kein Gericht über 20 Euro kostete und Fibla bietet auch ein fünfgängiges Degustationsmenü (in Tapasportionen) für 35 Euro an. So, jetzt aber ab nachhause. Ich freu mich. DOM ... Link Mittwoch, 13. September 2006
Es muss noch jemand im Haus sein. Babysitter Paulsen schaut mal nach.
herr paulsen
23:44h
Dieses Land hasst mich. Darum sehe ich auch keinen Grund nicht Babysitter zu sein, für einen Abend. Statt in meiner Gastarbeiter-Casita, sitze ich ein paar Meter weiter oben im Fels, ich kann auch dort Blogs lesen und Wein trinken, ich muss hier nirgendwo mehr hin. Die Eltern müssen zum Elternabend und ich frage unpassender Weise, ob das in Spanien üblich sei, dass tatsächlich beide Elternteile da hin müssen. Nein, das machen sie freiwillig, ich zucke mit den Schultern und schalte Vox ein, da läuft „Das perfekte Dinner“. Der Bub ist schon zu Bett, nachher koch ich mir noch was Schönes und um zehn sind die Eltern auch zurück aus Barcelona. Es ist 19:45 Uhr. Ich schalte den Fernseher aus und telefoniere online mit der Liebsten. Dann rauche ich eine Zigarette auf der hinteren Terrasse. Es windet stark. Heute hatten wir schon ein Jahrhundert-Gewitter, Morgens um Acht verfinsterte sich der Himmel nachtschwarz, dann brach ein Sturm los, das Meer war nicht mehr zu erkennen, ein Orkan, das Haus plötzlich ein Schiff auf hoher See, die Telefonanlage brach für viele Stunden zusammen, die Onlineverbindung verabschiedete sich nach dem ersten Grollen und ward erst Nachmittags wieder gesehen. Jetzt böt es erneut auf, der Wind zerrt an meiner Glut, die Pyrenäen senden wieder donnernde Grüße. Und das ist nicht mein erster Einsatz. Anfang der 80iger fanden mich meine Eltern nach einem gemütlichen Stammtischabend, im Schlafanzug, im Treppenhaus sitzend, in der rechten Hand ein Brotmesser mit Wellenschliff, in der Linken die Hundeleine. Daran befestigt schlief unser Zwergschnauzer der drohenden Gefahr entgegen. Mehrmals hatte an diesem Abend das Telefon geklingelt, ich war ran gegangen und niemand hatte sich gemeldet. Nur ein Atmen in der Leitung. Ich hatte mir das Brotmesser und den Hund geholt. Oben schliefen meine jüngeren Geschwister. Niemanden würde ich herauf lassen. Fast hätte ich in dieser Nacht Papa abgestochen. Ich gehe ohne Brotmesser hinunter in die Garage. Der Junge! Ich renne die Treppen wieder nach oben. Oben ist alles ruhig, von unten kreischt es nachdrücklich weiter. Ich suche die Handynummer des Vaters, er geht ran, flüstert seinen Namen. Ich sehe ihn, die Hand vor dem Handy zu einer Muschel geformt, entschuldigende Blicke ins Rund werfend, in einer Grundschule in Barcelona sitzend, nein, wahrscheinlich lehnt er am Fenster, die Stühle sind so klein. Das ist der Feueralarm, sagt er, und ich stehe Augenblicklich wieder in der Garage. Hier brennt nichts. Rauch?, fragt er leise. Kein Rauch. Stille in der Leitung. In der Garage ist der Ton kaum zu ertragen, ich halte mir das linke Ohr zu, am rechten Ohr vergrabe ich das Handy tief in die Ohrmuschel. Das ist nicht der Feueralarm, flüstert die Stimme aus der Grundschule in Barcelona, das ist der Einbruchsalarm. Ich bekomme Panik. Komisch, sagt die Stimme im Handy, den habe ich gar nicht eingeschaltet. Es will nicht besser werden mit der Panik. Das Handy leitet mich zu einem Kasten am Aufzug und flüstert eine siebenstellige Nummer. Ich tippe. Eine Ruhe ist das. Wir lachen kurz und legen auf. Meine Kleidung klebt mir am Leib. Ich gehe zurück, nach oben in die Wohnung. Der Junge schläft, hat nichts mitbekommen, wenigstens das. Ich wähle die Nummer der Liebsten, scheiß auf die Kosten. Es klingelt. Die Stimme der Liebsten. Atemloses Erzählen. Nur kurz. In der Garage schlagen die Bewegungsmelder aus, heulender Alarm. Da unten ist etwas. Es bewegt sich. Ich ruf wieder an, sage ich und drücke die Liebste weg. Ich muss wieder in die Garage. In dieser Gegend gibt es seit Monaten Einbrüche. Wer wach ist hat selber Schuld, wird brutal zusammen geschlagen und dann ausgeraubt. Hat man mir so erzählt. Ich geh dann mal in die Garage. In der Garage tippe ich die siebenstellige Nummer ein, die ich mir auf einem Tapas-Rezept notiert habe. Es funktioniert. In der Stille: Ein Auto. Schränke mit Werkzeug. Autoreifen, Pappkartons, ein müdes Planschbecken, Gartenschläuche. Hier ist niemand. Aber vielleicht oben in der Wohnung. Ich werde diesen Jungen verteidigen, ich werde für diesen Jungen mein Leben geben, ich bin der Babysitter. Idiotisch, ich bin ein 37 Jahre alter, männlicher Babysitter und werde für einen Jungen sterben zu dem ich im Grunde genommen keinen Bezug habe. Aber ich habe den Job angenommen, ich habe alle Filme zum Thema gesehen und ich werde am Ende, Blut verschmiert, dem Jungen über den Kopf tätscheln, bevor sie mich in den Krankenwagen schieben. „Es ist vorbei“, wir der Cop neben mir sagen und mir wortlos meine Polizeimarke zurück geben und seltsamerweise wird auch meine Liebste da sein, ihr Gesicht erleuchtet von tausendfachem Blaulicht, fest hält sie meine Hand, sagt: „Ich liebe Dich!“ und steigt zu mir in den Rettungswagen. An der nächsten Kreuzung explodiert der Rettungswagen in einem Feuerball. In der nächsten Szene sieht man uns beide vor einem tollen Haus in einem tollen fremden Land lustwandeln, der Junge kommt uns über sattgrüne Wiesen entgegen gerannt, fällt in meine Arme, hebt den Kopf und sagt lachend: „Na, wie ist es tot zu sein?“ Die Alarmanlage oben ist leiser. Trotzdem, der Junge hat einen gesegneten Schlaf, ich bin dankbar. Siebenstellige Nummer. Das Sirenengeheul bleibt. Ich wähle die Nummer des Vaters. Eine weibliche Computerstimme spricht spanisch zu mir, sagt wahrscheinlich, dass der Vater nicht erreichbar ist, ich kann ja kein Spanisch. Ich lege auf und da taucht es klar vor meinem inneren Auge auf, mein neues Problem. Mal angenommen die Anlage spinnt. Mal angenommen es ist niemand im Haus und es brennt auch nicht. Dann werden trotzdem Leute von draußen kommen. Wachdienst. Polizei. Nachbarn. Ich spreche kein Spanisch. Selbst wenn ich spanisch spräche, ich kann nicht mal über die Gegensprechanlage mit diesen Leuten sprechen. Die läuft nämlich über das Telefon und man muss eine bestimmte Taste drücken um mit den Leuten am Eingang zu sprechen, ich kenne diese Taste nicht. Die Leute da draußen werden also einen verschwitzten Mann mittleren Alters an den langen Fensterfronten nervös auf und ab gehen sehen, der nicht bereit ist mit ihnen zu sprechen, obwohl sie seit geraumer Zeit Sturm klingeln. Sie werden dann wohl rein kommen. Ich rufe wieder die Liebste an, gemeinsam bestaunen wir die Ausdauer der Sirenen und ich erzähle von meinen Sorgen bezüglich der Klingel und der Fensterfronten und der spanischen Sprache. Plötzlich, ein Stöhnen aus Richtung Kinderzimmer, ein tiefes, trauriges Stöhnen, ein Röcheln, ein Keuchen, wie ein verendendes Tier. Ich lasse das Handy sinken. Da keucht nichts, da liegt der Bub und ist aufgewacht, hat jetzt halt ein bisschen Orientierungsprobleme, sage ich mir. Und stöhnt deswegen wie bei einer Teufelsaustreibung? Wellenhoch die Ganzkörpergänsehaut ob dieser Erkenntnis, ich starre in die Dunkelheit in der irgendwo das Kinderzimmer liegen muss. Hhheeeemmheeeemmööööhheee, macht es und ich denke, der Bub wird jetzt gleich rauskommen, verschlafen im knittrigen Sponge Bob-Schwammkopf-Schlafanzug, er wird mich sehr ernst ansehen, dunkle Ringe um die Augen, die Lider gerötet und er wird mit fester Stimme sagen: „ich sehe tote Menschen.“, und nach eine Kunstpause: „Die ganze Zeit. Zum Beispiel gerade hinter dir, Paulsen.“ . Bleib dran, schreie ich in mein Handy und gebe wieder die siebenstellige Nummer ins Alarmanlagenkästchen ein, ich kann sie mittlerweile auswendig. Es ändert sich nichts. Die Sirene heult. Dem Bub wird nebenan der Teufel ausgetrieben. Ich möchte jetzt bitte nachhause. Das Telefon klingelt. Die Leute vor dem Haus? Jemand im Haus? Es war abgemacht, das ich nicht ran gehe, wenn es klingelt. Macht ja auch keinen Sinn. Ich spreche ja kein Spanisch. Ich nehme den Hörer ab und sage mit fester Stimme: „Si?“. Der Vater ist es. Ob ich angerufen hätte? Oh, ja. Dann hört auch er die mehrstimmigen Sirenen. Oha, das ist aber ungewöhnlich, ich glaube wir kommen dann mal nachhause. Ich unterstütze seine Entscheidung. Als ich auflege, höre ich plötzlich noch einen Warnton, ganz leise, bekannt. Mein Handy. Akku leer. Blöde pixelige Luftballons steigen wie zum Hohn in die beschränkte Höhe des Displays, die Liebste ist verschwunden, die Leitung tot, der Bildschirm schwarz. Natürlich donnert es draußen. Ich sehe durch die große, gläserne Terrassentür hinaus in die Sturmnacht. Auf der anderen Seite des Fensters blickt doof der große Hofhund hinein. Ich hatte mal Angst vor ihm. Ich stehe an dieser Tür und warte auf die Elternabendbesucher. Ich muss sie kommen sehen, die Angst, einen Herzinfarkt zu bekommen, wenn die plötzlich im Wohnzimmer stehen, ist groß. Der Abend war lang. Dieser Text auch. Nicht vorenthalten möchte ich aber folgendes, nächtliches Telefongespräch zwischen dem heimgekehrten Vater und dem Sicherheitsdienst in der Notrufzentrale. Nachdem viel und herzhaft über mein Schicksal gelacht worden war, störten die Sirenen dann doch etwas und der Hausherr griff zum Hörer. Sicherheitsdienst: „Sind sie loco! Haben sie mal aus dem Fenster gekuckt? Es regnet. Bei dem Wetter fahr ich doch keine Küstenstrassen entlang, ich habe Kinder, heilige Madonna, Mutter Gottes! So. Und jetzt noch mal, sehen sie die Kabel?“ Und wie der Hausherr gerade in die neue Stille hinein einen guten Roten für uns öffnet und mir dabei Augen rollend erklärt, Mañana, das hieße auf Spanisch Morgen, aber auch Übermorgen, nächste Woche, nächsten Monat, spätestens 2008 und auch leck mich am Arsch oder nie, in diesem Moment geht die Alarmanlage in der Garage an. Dann die in der Wohnung. ... Link ... Nächste Seite
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