Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Mittwoch, 18. März 2009
Exklusiv und handgemacht: der Platinen-Kugelschreiber

Von einem befreundeten Drechsler/Dreher stammt dieser handgefertigte Kugeschreiber für den er PC-Platinen verarbeitet. Das seidenglatte Teil wiegt beachtliche 42 Gramm, liegt sensationell in der Hand, im Inneren verbirgt sich eine Großraummine. In größerer Darstellung sind weitere Fotos auf Flickr zu finden, die edlen Schreibgeräte werden einzeln und nur auf Bestellung gefertigt. Bei Interesse stelle ich gerne den Kontakt her: herrpaulsen(at)gmx(dot)de

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Montag, 16. März 2009
Konzert Review: Tosh meets Marley, Fabrik, Hamburg, 14.03.2009

Ganz ehrlich: ich wäre da auch nicht hingegangen. Ehemalige Bandmitglieder von Peter Tosh und Bob Marley spielen alte Hits, das klingt nach Ausverkauf, eine Zwangsveranstaltung für manische Nostalgiker. Ich wäre nicht hingegangen, hätte ich die Band nicht schon beim Summerjam 2008 erlebt. Dort durfte ich mich davon überzeugen, dass es sich bei „Tosh meets Marley“ nicht um eine von Geldnöten angetriebene Revival-Kapelle handelt, sondern um hochkarätige, sehr aktive Musiker, die einfach schon zu Lebzeiten Legenden sind. Vielleicht waren viele Reggaeheads ähnlich skeptisch, die Fabrik war jedenfalls zum Tournee-Abschlusskonzert der Band nur zur Hälfte ausverkauft, wenige erlebten wie man in nur zwei Stunden Babylon so feierlich wie gründlich abbrennen kann.

Mighty Howard gab als erster Feuer: der 1978 in den Vereinigten Staaten geborene Musiker und Sänger lebt seit 2006 in Hamburg.

Zum Auftakt des Abends spielte er ein akustisches Set mit Reggae-Songs seiner ersten beiden Alben sowie Stücken aus dem neuen Album „Chanting Di Word“, dass demnächst erscheint. Erdiger, seelenreicher Roots-Reggae, intensiv, ja andächtig gespielt. Mighty Howard ist ein begnadeter Sänger, der gerade auch die leisen Töne beherrscht, der während des kurzen Konzertes immer wieder beweist, dass seine kraftvoll-samtige Stimme sogar locker auch ohne jegliche Instrumentierung besteht. Andächtige Stille, Gänsehaut und tosender Applaus. Unbedingt merken:

myspace.com/themightyhoward

Tosh meets Marley betreten die Bühne, Hauptsänger ist an diesem Abend Donovan Carless, der den irgendwie verschütt gegangenen Junior Marvin glänzend ersetzt. Kaugummi kauend und mit Prinz-Heinrich-Mütze behütet gibt sich Bandleader Fully Fullwood (er spielte mit: Bob Marley, Peter Tosh, Michael Rose, Mikey Dread, The Mighty Diamonds, Black Uhuru, Joe Higgs, Dennis Brown, Gregory Isaacs, Frankie Paul, Big Youth, U-Roy, Sister Carol, John Holt, Judy Mowatt, Ken Booth, Andrew Tosh, Del Roy Wilson…) zunächst unbeteiligt, satt und sauber setzt die Gitarre ein. Tony Chin, er spielte mit Bob Marley, Dennis Brown, Burning Spear, Johnny Clarke, Don Carlos, Gregory Isaacs, Freddie McGregor, Judy Mowatt…, versteckt sich wie immer hinter riesigen, schwarzen Brillengläsern und kuckt auch erstmal vorsichtig, was so geht, am dicken Bass. Vince Black betritt die Bühne, ein eindrucksvoller Riese, der ehemalige Black Uhuru-Sänger und Gitarrist wurde für diese Tour als Lead-Gitarrist verpflichtet. Vince Black spielt Zuhause in den Vereinigten Staaten auch gerne mal in Punk und Hardcore-Formationen mit und genießt dort auch noch den Ruf eines exzellenten Blues-Gitarristen.

Drummer Karl Wright (Dennis Brown, Culture, Marcia Griffiths, Gregory Isaacs, Freddie McGregor, Sugar Minot, Eek A Mouse, Nahki, Shabba Ranks, Junior Reid, Shaggy, and Super Cat), sitzt, jugendfrisch und dynamisch, hinter beeindrucken mächtigem Schlagwerk und hat zudem Verstärkung mitgebracht, der Brasilianer Claudio Peppe steht sonst auch gerne mal bei Damian und Julian Marley hinter den Congas. Jawge Hughes und Georges Kouakuo spielen die Keyboards, wobei mich besonders Hughes Qualitäten als Sänger beeindrucken. In alter jamaicanischer Tradition haben während des Konzertes alle Mitglieder ihre „five to ten minutes of fame“ in Form von emsig beklatschten Solis und wer singen kann der singt eben auch ein Stück. Und Jawge Hughes kann singen. Sein Medley beginnt mit einem augenzwinkernden „Jamaican in New York“ („You drink coffee, I smoke weed my dear“), klassischer Ska und Roots Reggae Stücke gehen nahtlos in höchst modernen Dancehall über, der Mann aus St. Thomas spielt und singt sich mit Leichtigkeit durch die Reggae-Music-Historie. Klasse!

Warm und satt tönen die alten Hits, imposant auf den Punkt gespielt sind die Klassiker von Peter Tosh und Bob Marley. Höhepunkte des Konzerts sind aber immer wieder die Soloauftritte der einzelnen Bandmitglieder. Den größten Moment des Abends beschert zumindest mir der Sänger Donovan Carless mit einer umwerfenden Live-Version seines Rocksteady-Monsterhits „Be thankful for what you´ve got“ von 1972. Ursprünglich von R&B Sänger William DeVaughan gesungen, erlebte der Song vor allem in der 1991 erschienenen Version der britischen Trip Hop Band Massive Attack große Bekanntheit. Hier die charmante Version von Carless:

Ganz groß auch Vince Black, tolle Stimme, auch ihn hätte ich gerne abendfüllend erlebt, immer mehr zeigt sich, was für ein Glücksfall dieser Abend ist, sämtliche Besucher des Konzerts hängen jetzt vorne an der Bühne, ein großes Fest, auch die Band selbst freut es sichtlich, emsig wird aus beiden Richtungen, in beide Richtungen, gefilmt und fotografiert.

Es mag auch für den Abend sprechen, dass Sir Peter und ich mehrere Nicht-Reggae-Hörer mit Freikarten zur Veranstaltung gelockt hatten: sowohl unsere Ladys, wie auch ein gemeinsamer Freund, alle waren am Ende des Abends begeistert. Auch Vince Black der sich direkt von der Bühne runter unters Volk mischte. Sir Peter, der ja öfter mal auf Reggaekünstler zugeht, organisierte spontan dieses schöne Foto von uns Dreien:

Geradezu bezaubernd finde ich, das Vince Black im Anschluss an diese Aufnahme völlig überraschend um ein Foto von uns mit seiner Kamera bat! Na, da werden die Freunde von Vince Black in Orgeon aber Augen machen, dass Vince Black uns getroffen hat.

Credits: alle Fotos fragwürdiger Qualität zu diesem Eintrag kommen von Sir Peter und mir. Fotos von einem Tosh meets Marley Konzert auf denen auch was zu erkennen ist, finden sich bei reggaephotos.de

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Freitag, 13. März 2009
Klingendes Video zum Wochenende (45) Nosliw "Heiss & Laut"

Seit heute im Plattenladen, das neue Album von Nosliw, striktly Dancehall. Deutschsprachig. Hier die Singleauskopplung aus dem gleichnamigen Album "Heiss & Laut". Ich schätze es ja sehr, wenn Künstler sich selbst nicht so ernst nehmen:

http://www.myspace.com/nosliw

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Bis hierhin und weiter

Ich werde heute 40 Jahre alt. Ich kann nicht behaupten dem Thema besonders entspannt gegenüber zu stehen, 40, das klingt mir zu sehr nach Halbzeit. „Wenn überhaupt!“ ruft der Pessimismus. Und die Ironie flüstert: „ich gebe zu, es hat nicht nur Vorteile älter zu werden.“

Ich habe in den vergangenen Wochen viel nachgedacht, über die vierzig Jahre die bislang mein Leben sind, über meine Haltung zum Älter werden. Ich fühle mich gar nicht Vierzig. Wie fühlt sich Vierzig eigentlich an? Bin ich jetzt alt? Mittlerweile glaube ich, dass nur der wirklich altert, langsam einschläft, in Langeweile und Lethargie versinkt, der anfängt die Erwartungen ans Älterwerden zu erfüllt. Die Erwartungen anderer Menschen ans Älterwerden, wohlgemerkt.

Aber droht da nicht die Berufsjugendlichen-Falle? Skateboard-Pionier Titus Dittmann (60, der muss es ja wissen) erklärte es am vergangenen Wochenende in der F.A.S. so: „ Der Begriff „Berufsjugendliche“ wird nur noch von älteren Semestern benutzt, die den Wandel unserer Gesellschaft noch nicht bemerkt haben.“ Immer weniger definieren wir uns über das Alter, so Titus, Zugehörigkeit und Akzeptanz werde in erster Linie durch die Glaubwürdigkeit in Bezug auf Lebenseinstellung und Lebensstil geschaffen, entkoppelt von der biologischen Uhr. Ein so tröstlicher wie treffender Gedanke.

Bliebe der Rückblick. Wie war sie denn jetzt, die erste Halbzeit?
Ich habe die Liebe meines Lebens gefunden, den einen Menschen, dass ist das Allerwichtigste, ich bin nicht mehr allein. Ich bin alles geworden, was ich werden wollte (außer Posaunist in einer Ska-Band, aber es ist ja noch Zeit). Sorgen, Nöte, Ängste? Ja, aber nichts Weltbewegendes. Nichts was nicht zu meistern wäre, nichts was nicht zu ändern wäre. Angst habe ich sowieso keine mehr. Ich bin immer noch sehr ungeduldig mit allem und jedem (und mir selbst) und gebe gerne mal die große Diva („Diener! Man schließe die Vorhänge! Sofort!“).

Heimlich schwärme ich nämlich schon lange für eine Diktatur, zur Not gäbe ich mich auch mit einer Monarchie zufrieden: Herr Paulsen, der König von Deutschland, bestimmt alles. Zum Wohle des gemeinen Volkes! Die Menschen die mich kennen, kennen das schon und tanzen natürlich nur in den allerunwichtigsten Angelegenheiten nach meiner Pfeife und auch nur damit mal Ruhe ist, ist ja nicht zum Aushalten sonst. Das ist ein großes Glück: Ich habe einen Freundeskreis, ich habe Menschen gefunden, die mich nehmen wie ich bin, die mich inspirieren, wir sind füreinander da.

Das ist also alles sehr gut gegangen bis hierhin. Warum genau hatte ich noch mal ein Problem mit den Vierzig? Ich hab es schon vergessen. Muss das Alter sein. Weiter geht es.

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Dienstag, 10. März 2009
Sir Peter trifft David Rodigan

Ja-ha, liebe Reggaeheads aus dem kühlen Norden, das kann einem schon mal die guten Vibes verhageln. Nicht nur, dass Sir Peter aus München, während eines Telefonats am vergangenen Samstag, eher beiläufig, ja, man muss schon sagen in einem Nebensatz erwähnte, er ginge ja nun heute Abend „schon wieder“ zu einem David Rodigan-Dancehall. Nein, damit nicht genug, via Mail schickt uns Sir Peter diesen photographischen Gruß, er mit dem Meister am Mixer:

Nee, is klar, schönen Dank auch Sir Peter. Wir sehen uns am Wochenende zum Birthday-Bash!

Rodigan feel like jumpin´!
http://www.myspace.com/davidrodigan



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Montag, 9. März 2009
Schwangeren-Breakdancing-Flashmob in London

Während ich das schreibe, wische ich mir gerade die letzten Lachtränen aus den Augenwinkeln. Via Simon Iddols wöchentlichem "Monday Kick" kommt diese sensationelle Flashmob: hochschwangere Frauen liefern sich ein astreines Breakdance-Battle auf einer Strasse in London, inkl. Headspin und Floor rocks!

Das tut auch ein bisschen weh beim hin kucken und das ist Absicht, denn der Hintergrund der Aktion ist ernster Natur: im vergangenen Herbst machten die Initiatoren von Oxfam mit einer Reihe "pregnant berakdance flashmobs" in verschiedenen Städten, auf die unzureichende medizinische Versorgung und Betreuung schwangerer Frauen in benachteiligten Ländern hin. Durchschnittlich 1400 schwangere Frauen sterben jeden Tag weltweit an dieser Unterversorgung. Die für den Flashmob engagierten schwangeren Frauen, waren übrigens allesamt professionelle Tänzerinnen in Schwangerschaft simulierenden Körperanzügen.

www.oxfam.org.uk/grooveyourbump

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Samstag, 7. März 2009
Konzert Review: Phillip Boa & the Voodooclub, Markthalle, Hamburg, 06.03.2009

„Komisch, ich hab seine Stimme irgendwie schneidender, kräftiger in Erinnerung“, sagt die Liebste. Ich nicke mit dem Kopf und kucke stirnrunzelnd auf das Youtube-Video von „Container Love“. Der Indie-Mega-Monster-Smash-Hit von 1988 klingt auch sonst insgesamt eher wie eine rumpelige Polka-Nummer. „Und da gehst Du also heute Abend hin.“, stellt die Liebste fest. Ich zucke mit den Schultern und klicke schnell auf „Kill Your Ideals“. Das kennt die Liebste schon nicht mehr, klingt aber auch sehr verwaschen. Seufzend mache ich mich auf den Weg zu meinem sechzehnten Boa Konzert.

Leicht ergrautes Haar, ein bisschen mehr Bauch (Lovehandles), man trägt Schwarz und interessante Brillen, unsere Frauen sind immer noch schön. Unaufgeregtes Rumstehen, gedämpfte Gespräche, noch ein Astra. Da: die Vorband kommt auf die Bühne, traditionell beweist Boa stets Stil, Händchen und Geschmack bei der Auswahl seiner Vorbands, auch diesmal, mit der Hamburger Band Lovehandles. Die Viererband rockt angenehm britisch, erinnert gar an „Pulp“, manchmal an die „Psychedelic Furs“. Klasse! Die Lovehandles spielen am 11. März im Grünen Jäger. Hingehen!

Die Markthalle ist jetzt voll, Licht aus, es ertönt das Intro des Bauhaus-Klassikers „Bela Lugosi´s Dead“. Wau! Nahtlos spielt sich der Voodoclub ins Stück, die Musik dreht, das Konzert beginnt mit „Fine Art In Silver“. Was für ein großer Auftakt. Der Meister erscheint, er scheint nicht älter zu werden, irgendwas ist da im Wasser seiner Wahlheimat Malta, Boa, ein zwei Meter großer Dorian Gray im Anzug mit Halstuch, wirft das Haar dramatisch nach hinten, große Gesten, raumgreifend stolziert er getrieben auf und ab. Alle Bühnen waren schon immer zu klein für Phillip Boa.

Da ist Pia! Pia Lund, graublond in einem wunderschönen schwarzen Kleid, unnahbar wie immer, keine Miene zum lauten Spiel. Ich finde Pia Lund immer wahnsinnig tragisch. Es ist sicher nicht leicht ein Leben mit dem resoluten Egomanen und Arbeitstier Boa zu teilen, ich weiß nicht was die beiden für Probleme haben und hatten (und Probleme hatten die beiden reichlich) und wer sich einmal die Mühe macht die komplette Geschichte zur Nichtveröffentlichung von Pia Lunds zweitem Soloalbum durchzulesen, der findet eine ganz traurige Geschichte aus der Plattenindustrie, Erwartungen, Verletzungen, Hoffnung und Ignoranz. Fakt aber ist: die Fans verehren Pia Lund und ihre einzigartige Stimme, Stücke ihres Soloalbums "Lundaland" wurden von Rockers Hifi, den Sofa Surfers und Hans Nieswandt remixt und im Verständnis der Voodoclub-Fans ist Pia genau die Hälfte von Phillip Boa, sie ist die Schöne ohne die es das Biest gar nicht gäbe. Das Tragische ist: ich glaube Pia Lund weiß das gar nicht.

Das Biest ist jedenfalls bester Laune, stimmlich so gut wie nie zuvor, der stets jugendfrische, weil regelmäßig ausgetauschte, Voodooclub in Spiellaune. Schon beim dritten Lied tanzen wir noch mal Pogo („This is Michael“), ich kann das nicht glauben, aber es fühlt sich gut an und die im Dunkeln sieht man nicht. Live sind die Stücke vom neuen Album „Diamonds Fall“ noch kraftvoller, die Band spielt in Perfektion, da stehen großartige Musiker, man merkt es bei den leisen Stücken besonders.

Natürlich gibt es auch Hitparade: Kill Your Ideals (natürlich mit der traditionellen, gegenseitigen Arschloch-Bezichtigung), And Then She Kissed Her, Container-Love tatsächlich (Null Polka, schneidende Stimme!) und als Annie Flies The Love Bomber erklingt, berührt mich das ungewöhnlich stark und ich habe plötzlich eine Mücke im Auge. Pias Soli werden allesamt frenetisch beklatscht, nach „The Ballad of Pia And Toett“, mit deutschem Text, vom neuen Album, will der Applaus nicht enden. Der Meister macht schon energisch-genervte Handbewegungen und ich denken: die können alle mal schön nachhause gehen, die ganzen neuen, deutschen Fräuleinwunders, Mia, Juli, Silbermond. Wenn Pia singt können die aber alle mal sowas von nachhause gehen.

Noch eine Zugabe und noch eine und am Ende „Diana“ vom ersten Boa Album. Das neue Album liegt, handsigniert und als saftiges Doppelalbum mit zweimal 180 g schwerem Vinyl zum Preis von 18 Euro am Ausgang bereit. Dankeschön auch dafür.

Bis nächstes Jahr. It must be love.

http://www.phillipboa.de/

http://www.myspace.com/phillipboaandthevoodooclub

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