Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
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Donnerstag, 13. Januar 2005
Nachtnachschlag. Herr Paulsen geht aus. Folge I:
Henry Rollins, Shock & Awe
herr paulsen
12:18h
Am vergangenen Dienstag hätte ich fast für Henry Rollins gekocht. In der dunklen Zeit, vom pupertärem Wahnsinn geschüttelt, gab es für mich nur einen Gott und sein Name war Henry Rollins. Vor ein paar Monaten trug es sich zu, da saß ich, mittlerweile gottlos, mit den Machern des „Macht Club“, (Hamburgs größter, regelmäßiger Leseveranstaltung) bei Bier und Bier zusammen in einer Bar und lauschte der Verkündung: am Dienstag, den 11.Januar 2005 würde Gott im Deutschen Schauspielhaus sprechen. Die Musikbox spielte La Paloma, die Glücksspielautomaten klingelten und aus dem Meer verrauchter Fußballfan-Schals die von der Decke hingen, verbreitete sich ein gleißendes, weißes Licht. Ein Engel schwebte auf mich herab, drückte mir ein weiteres Bier in die Hand und sprach dann: "Siehe, Paulsen, versoffener Nichtsnutz vor dem Herrn, Staub bist Du und zu Staub wirst Du, zuvor aber bist Du noch ganz schnell auserwählt, Gott zu bekochen. Gehe hin und koche für Henry Rollins, meide aber das Fleisch und alles Fleischliche, und meide den Rauch und den Suff, sonst erzürnest Du den Herrn!". War ja klar. 15 Leute am Tisch und keiner außer mir hatte den Engel gesehen. trotzdem belehrte ich die Unwissenden und bot meine Dienste als Vegan-Vegetarischer Caterer an. Die Reaktionen waren gemischt, ich war euphorisch und begann zu recherchieren. Dabei entdeckte ich Entmutigendes: Rollins ist kein Vegetarier. Vegetarier sind für ihn "pussies who are afraid of food". Überhaupt schätzt Rollins den Backstagerummel überhaupt nicht, es langweilt ihn jede Art von sinnlosem Gerede, er möchte einfach nur seine Arbeit machen und hat ansonsten "eine viel spannendere Zeit, wenn ich alleine bin." Zum Glück. Dienstag 11.Januar 2005, Deutsches Schauspielhaus Hamburg 20:45 Die 1200 Sitzplätze sind fast alle besetzt. Bleichgesichtige Veranstalter blicken fiebrig ins Nirvana und kratzen an ihren Nikotinpflastern. Aus der Gründgens-Loge hört man in kurzen Abständen nervös die Toilette rauschen. Kurz vor Beginn ein kleiner Eklat. Das Rollins Management, in Form eines beleibten Menschen mit umwerfendem Körpergeruch, verkündet, dass Herr Rollins abreisen würde, wenn die „Vorband“, das Slamteam St.Gallen (Dani Göldin & Etrit Hasler) aus der Schweiz, auch nur eine Sekunde überziehen würden. Monatelang hatten die Veranstalter mit dem Rollins Management gerungen, damit die begabten Jungs überhaupt auftreten dürfen, Rollins teilt sonst niemals die Bühne mit irgendwem. 21:00 Uhr Das Slamteam St.Gallen rockt 14:43 Min. das Haus. Interessiert keinen, freundlicher Applaus, ein paar Buhrufe, alle wollen Henry. Der Manager aus Amerika riecht noch ein wenig strenger und verkündet, so ginge das ja alles gar nicht, es sei jetzt eine 15 minütige Pause zu machen. Knapp 1200 Menschen sitzen im dunklen Saal uns starren zwei Mikrophone an. 21:30 Uhr „Henry!Henry!Henry!“ Da kommt er! Die Liebste ist im Textilhandel tätig und analysiert trocken: „Ach du liebe Güte, die Hose! Total billo! Das Shirt geht, kann er aber meinetwegen auch ausziehen. Die Schuhe gehen gar nicht, auch billig! Aber geil sieht er aus!“ Rollins schleimt sich ein, ja Hamburg sei die tollste Stadt in Deutschland, wir alle hier sowieso die größten, überhaupt die Deutschen finden Bush doof, das findet Henry großartig. Dann erzählt Henry, wirklich sehr lustig und unterhaltsam, eine Stunde lang wie doof Bush ist. 22:30 Uhr Die zweite Stunde ist den Ramones gewidmet. Henry erzählt, wirklich sehr lustig und unterhaltsam, wie geil die Ramones sind. Es ist brütendheiß im Saal, ich schwitze und in meinem Mund stirbt eine Maus, verwest in sekundenschnelle und ich würde gerne was trinken. Auch Wasser zur Not. Aber Henry trinkt ja auch nix. 23:30 Uhr Es geht in die dritte Stunde, Henry nimmt einen großen Schluck aus der Wasserflasche und erzählt dann, wirklich sehr lustig, von Afghanistan, dem Irak ( I saw no dead people, but the Nighthawk-Fly was like woha!), William Shattner und Ben Stiller. Ich versuche nicht zu sterben. 00:15 Uhr Grenzbereich Todeszone. Ich wanke aus der Sauna, bestelle drei Bier und zünde mir zwei Zigaretten an. Wir gehen in die Schauspielhauskantine um mit den Veranstaltern weiter zu trinken. Durch die Rauchschwaden erkenne ich kalkweiße Gesichter, blutunterlaufene Augen sehen mich matt an. Biere werden in windeseile inhaliert. Gerne hätte ich noch heiße Insiderinfos aus dem Backstagebereich gehört, den Veranstaltern war aber nichts zu entlocken. Sie müssen Schreckliches erlebt haben. „Henry?“ „Vergiss den, Paulsen, vergiss den.“ ...........................................ritsch! Machtclub: http://www.macht-ev.de/ Das Hamburger Abendblatt erzählt: http://www.abendblatt.de/daten/2005/01/13/386434.html Henry Rollins-Site/Tourdates: http://21361.com/ ... Link Dienstag, 11. Januar 2005
Liebesprüfung auf dem Hindenburgdamm, Sylt & die Welt
herr paulsen
17:18h
Jubiläum! Heute sind die Liebste und ich zwei Jahre zusammen, mein Rekord im Zusammensein übrigens. Ich bin da aber nicht stolz drauf, denn es ist wohl dieser Rekord nur der Güte und Nachsicht der Liebsten zu verdanken. Es ist nämlich schwer mit mir zusammen zu leben. Ich weise in Ansätzen die Verhaltensmuster des Adrian Monk aus der Fernsehserie "Monk" auf und neben ungezählten Ticks bin ich vor allem eines: Vergesslich. Zum Jubiläum und zu Ehren der Liebsten, heute eine kleine Geschichte aus den Anfängen unsere Liebe, die trefflichst zeigt, warum ich heute vor allem dankbar bin und was diese großherzige Frau alles erdulden mußte und noch tut. Eine Liebeserklärung: Pfingsten, 2003 Ich brauche Urlaub. Immer öfter sehe ich mich in letzter Zeit unerklärlich walten, Grobes sagen, Grobes meinen, Grobes tun und vor so manch schlimmerer Entgleisung behütet mich nur mein Genpool, der ein friedliches Gewässer ist, still und starr, bis der Alltag anfängt Steine reinzuschmeißen. Auch vergesse ich immer häufiger Dinge. Neulich sogar meine Freundin. Auf dem Weg nach Sylt. Am Verladebahnhof Niebüll. Mein Leben lang habe ich Sylt gemieden, wie die Manolo Blahnik-Pömpsträgerin den Hundehaufen in der in der 5th Avenue. Der Vergleich hinkt ein wenig, denn es gibt auf der 5th Avenue gar keine Hundehaufen, zumindest sind die immer schon von Geisterhand hinweggehobelt, wenn sich eine Manolo Blahnik-Pömpsträgerin nähert. Sylt ist immer da, ein Fliegenschiss im Meeresblau und auf blauen Mercedeskofferaumklappen von denen jeder Schiss wegpoliert wird, nur die Umrisse von Sylt, die werden poliert als hätte man die Insel höchst selbst entdeckt und fleißig mitgebaut am Hindenburgdamm, der die Insel mit dem Festland verbindet. Autozüge schaffen die Massen über den Hindenburgdamm aufs Eiland, man muss geduldig warten am Verladebahnhof Niebüll. Stundenlang im Nieselregen, rot-weiß leuchtete es hinter den tropfennassen Scheiben der wartenden, inselaufkleberbeklebten, Wagen. "Bild" erzählt wer noch alles auf der Insel sein wird, an diesem Wochenende. Wer in der "Bild" steht kommt mit dem Helikopter, wer mit dem Auto kommt, liest in der Bild, wer mit dem Helikopter kommt. Unruhig rutscht die Meine hin und her, ja ein Klo das wäre jetzt was, Regengeräusche untermauern klopfend den Wunsch nach weiß gekachelter Erleichterung und irgendwann schnappt sich die Liebste ihre Krücken und macht sich auf. In urlaubsreifer Ängstlichkeit rufe ich noch:“ bleib nicht zu lange fort, der Zug!, der Zug!“ Im Winter war es, am dritten Tag, dem dritten Tag von dem exklusive Fernsehreportagen aus den tollen Skigebieten berichten, dem dritten Urlaubstag an dem sich Selbstsicherheit und Selbstüberschätzung, ein gepflegter Muskelkater und der teure Skipass erst die Hand schütteln und dann ein Bein stellen, gerne dem weit gereisten Nordlicht. Da hat die Liebste am Skihang Wolfgang kennen gelernt. Wolfgang brachte damals den Rettungsschlitten mit gekonntem Schwung zum stehen und stellte sich der Liebsten vor: "I bin dr Woifgang und wenn i di do nunda bring, no kost des was, hast a Geld?“ Jetzt ist Pfingsten und die Liebste humpelt zur Verladebahnhofstoilette Niebüll, rot leuchten ihre Krücken durch den Regen. Wie ich so hinterher schaue hupt es plötzlich, es geht weiter, ich lasse den Motor an und fahre um die Kurve. Dort, so berichtete mir die Liebste, solle ich in Schlange, Schlange, Schlangen, auf ihre Rückkehr warten. Sekunden später rumpelt es unter den Rädern und ich komme auf dem Oberdeck des Autozuges zu stehen, wie es sich die Liebste gewünscht hatte. Hoffentlich fahren wir oben mit, hatte sie gesagt und mir einiges an Unzüchtigkeiten versprochen hoch auf dem grauen Wagen. Jetzt bin ich ganz allein dort, stürze aus dem Auto um durch den Regenschleier meiner Liebsten zu rufen, da ruft es weiblich aus blechernen Eimern: " Bitte steigen Sie jetzt in den Wagen, ziehen Sie die Handbremse fest und legen Sie den ersten Gang ein, beziehungsweise schalten Sie in die Position P. Das Lenkrad bitte nicht einrasten lassen, wir wünschen gute Fahrt." Gelähmt vor Schreck, überbrücke ich die Wartezeit bis zum erlösenden Anruf mit dem Zurechtrücken von Daten und Fakten und einer Verteidigungsstrategie die ich im letzten Kampf um unsere kurze Beziehung vorzubringen gedenke: Es ging plötzlich sehr schnell. Ich konnte nirgendwo raus fahren. Ich war verwirrt. Es regnete. Ich hasse Sylt. Ich brauche Urlaub. Ich liebe Dich. Aber auch: Du machst das doch schon seit zehn Jahren jedes Jahr. Wieso ging das plötzlich so schnell. Warum kann man da nirgendwo raus fahren. Liebst Du mich noch? Da! Es klingelt! Das Handy der Liebsten auf dem Beifahrersitz. Wahrscheinlich kann Sie meine Handynummer noch nicht auswendig und ruft nun aus einer Telefonzelle ihr eigenes Handy an. Schlau! "Ohgottohgottohgott,Süße, tut mir leid, ich...." Frau Meier befand per telefonischer Diagnose, das ihre Tochter doch entschieden zu oft auf Klo müsse, der arme Junge, noch nie nach Sylt und dann gleich sowas! Die Liebste kam einen Zug später und hat sehr gelacht. Da hab ich dann auch wieder gelacht und mir wurde ganz heiß, weil mir in diesem Moment bewusst wurde, dass ich gerne eine sehr lange Reise mit ihr antreten würde. ... Link Montag, 10. Januar 2005
Lautstarker Altbau, Waldbewohner & ein Geständnis
herr paulsen
18:45h
Schanzenviertel, 4 Zi., renov.Altbau, 90 qm, Parkett, Stuck, Vollbad, Keller, WG-tauglich-, ab sof., € XXXX Ich setze meine sonore, Vertrauen schaffende, Wohnungsbewerbungsstimme auf, die ich mir während der dreimonatigen Wohnungssuche angewöhnt habe und ruf da mal an. Ringring.Ringring. Sonntag. 14:00 Uhr. Die Liebste und ich betreten die schönste Altbauwohnung die wir jemals gesehen haben. Erfurcht ergreift uns schon an der Eingangstür. Den Hausherren kenn ich, ich glaube das ist der von meiner Videothek. Auch er erkennt mich, ja hei Allder, er schlägt mir auf die Schulter, grüßt die Liebste mit einem respektvollem Kenner-Nicken, derweil er ihre Brüste studiert. Die Wohnung ist angefüllt mit Boys & Girls der Jahrgänge 1983 aufwärts, die Mädchen sehen alle aus wie Charlotte Roch, die Jungs tragen alle Parka und sehen aus wie Christian Ulmen vor fünf Jahren. Außer uns ist nur noch eine ältere Dame anwesend, eine Charlotte Roche hat ihre Mutter mitgebracht. Mein Videothekenmensch hat wohl am Telefon gute Vorarbeit geleistet. Alles gruppiert sich um meinen Videothekenmenschen der jetzt einen Vortrag über die Lautstärke der Wohnung hält: „Sehr laut die Bude, sehr laut. Nicht nur im Sommer, nein auch im Winter, ständig, jeden Tag der Lärm aus der Bar da unten, ich sags nur schon vorher, hier Hamburger Mietvertrag, alles tiptop, da bei Sonstiges hab ichs reingeschrieben, sehr laut!“ Ich sehe in den Mietvertrag, tatsächlich da steht: Sehr laut. Erwähnte ich eigentlich, dass diese Altbauwohnung die schönste Altbauwohnung ist, die wir je gesehen hatten auf unserer Wohnungssuchodysse? Wir gehen ein wenig umher, träumen, staunen und merken, es ist sehr laut. Vom Wohnzimmer her. Dort wird mein Videothekenmensch nicht müde zu erläutern wie laut die Wohnung ist. „Jetz hört ma grad nix, aber Abends immer, im Sommer Horror, im Winter unerträglich!“ Wir entdecken ein wunderbar geräumiges Zimmer zur Hinterseite raus. Unser Schlafzimmer! Sehr laut, besonders das hintere Zimmer, erklärt mein Videothekenmensch. Die Wohnung leert sich langsam. Ich nehme meinen Videothekenmensch beiseite und frage nach: „Sag mal, willst du die Wohnung nicht loswerden oder hast du Stress mit den Vermietern und würgste denen jetzt gerade eine rein?“. Da flippt er völlig aus: “Ich bin hier der Vermieter! Die Scheißbude habe ich gekauft, schweineteuer, aber ich hab die gekauft, willste wissen warum?“. Ich nicke eifrig. „Weil mir auch die Scheißbar da unten gehört!“. „Du kamst mir gleich so bekannt vor!“, rufe ich friedenstiftend. ... Link Sonntag, 9. Januar 2005
Herr Paulsens erbauliche Sonntagspredigt. Folge I: Plattenhändler
herr paulsen
14:14h
(Immer Sonntags macht sich Herr Paulsen an dieser Stelle Gedanken über die Unzulänglichkeiten der Welt.) Plattenhändler diese selbstgefälligen Sadisten mit den verschlagen-arroganten Gesichtern, lieben es, ihre Kundschaft zu quälen. Ganz zu recht heißen sie auch schon seit einer Weile nicht mehr Plattenhändler sondern Plattendealer. „Ich geh mal zu meinem Plattendealer“! Was cool klingend, von jungen Menschen mit Taschengeld, eingeführt wurde, ist eine treffliche Demaskierung dieses durch und durch verdorbenen Berufsstandes. Es geht hier nicht um den Cd-Kauf. Hart trifft es den Vinyl-Fan, nur in extrembeschallten Kleinstbutzen mit despotischer Belegschaft bekommt er seinen Stoff. Üblicher sind nämlich folgende Reaktionen: „Kenn ich nich“, läuft immer einher mit dem siegessicheren Blick des musikalisch geschulten Dealers, es ist DEIN schlechter Geschmack, DAS muss ER nicht kennen. Beleidigend war eigentlich schon, ihn beim konzentrierten Preiseauszeichnen mit so einer blöden Frage zu belästigen. Neulich versuchte ich eine Platte zu bestellen, höflich bat ich darum und ein Wunder geschah. „Bestell ich, dauert aber sechs bis acht Wochen.“ Ich war begeistert. Erschöpft von soviel Einsatz für den Kunden, widmete sich der freundlichste aller Plattenverkäufer wieder seinen Tonträgern. Zögernd hakte ich nach, ob er sich nicht Platte und Interpreten notieren wollte. „ Kann ich machen.“ nuschelte er erschöpft, zeichnete die Dax-Kurve auf einen Zettel und warf ihn in eine Tonne, die für mich, also schon, doch, doch, wie ein Papierkorb aussah. In einem anderen Plattenladen suchte ich Unterschlupf für viele, viel Euros die ich zum Erwerb zahlreicher Platten gesammelt hatte und hörte mir ein paar Scheiben an. Gerade als ich Platte Nummer drei wieder zärtlich in ihre Hülle versenkte, verloschen die Lichter des Technics. Fragend sah ich den Betreiber der Geräte an, der sagte knapp: „hab ich ausgeschaltet.“ „Ja wieso den das!“, hakte ich nach, na gut, vielleicht etwas zu empört. „Drei Platten hören, eine kaufen, wieder drei Platten hören, einfache Kiste oder?“ Ich bin zu alt für den Scheiß, ja dünnhäutig bin ich geworden, gegenüber den Herabsetzungen durch schnöselige Plattenhöker um die zwanzig, deren einzige Lebensleistung das perfekte Sortieren von Schallplatten ist und überlege langsam, ob das den sein muß mit diesem Vinyl. Ist doch quatsch, natürlich ist der Sound weicher, aber so doll sind meine Boxen sowieso nicht und das ständige rumdrehen nervt auch ganz schön, im Bett oder auf dem Balkon. Und die schöne Coverart, ja mein Gott, mit den Augen geht’s ja noch ganz gut. Wäre noch das Auflegen. Ein DJ legt auf, nicht ein. Die Plattenspieler ließen wir weiter laufen, links eine Platte mit unbedrucktem White Label, das kommt immer ungeheuer gut. Die Scheibe drehte sich, die Nadel lag aber nicht auf. Rechts lag die Nadel auf einem schönen Ohrenporno aus den Siebzigern „Isabel-Schenkel der Lust“. Da werden „Büsche“ entblößt und an „zarten Knospen“ gesogen, im Hintergrund stöhnte es frenetisch, all das bekamen die Werber nicht mit, sie hörten unserer Cds und fanden es wunderbar. Der Hausherr kam vorbei, wies mit dem Finger auf das altmodische „Schenkel der Lust“-Wichs-Vinyl und bescheinigte uns kennerisch: “Hip-Hop vom Feinsten!“ Also doch CD und den Vinyl-Terroristen ein Schnippchen schlagen? Ich glaube ich mach nen Plattenladen auf. ... Link Samstag, 8. Januar 2005
Elvis Presley, Otto Sander & the wall of voodoo
herr paulsen
13:27h
Tassen hoch und Taschentücher raus! Elvis Presley wäre heute 70 Jahre alt geworden! Einmal bin ich zu einer Geburtstagsparty für den King gegangen, einmal und nie wieder. Es ist schrecklich und Elvis-Fans haben es schwer. Sie huldigen einer längst verstorbenen Legende, wobei, ganz sicher sind sich da auch nicht alle, was das Todsein betrifft. Erschwerend kommt hinzu, das der Coolnessfaktor gen Null tendiert, wenn man sein Hobby, die Liebe und Verehrung zu seinem Idol, mit einer geschätzten halben Milliarde Menschen teilt. Elvis-Fans sind Kummer gewohnt und ständig knapp bei Kasse, der teure Ausflug zum Graceland-Kasperletheater nach Memphis, immer neue Platten mit den alten Songs zu horrenden Preise und wer Devotionalien sammelt, bewirbt sich zwangsläufig auch öfter bei „Wer wird Millionär“. Wie die Schmeißfliegen einen Teller Salami in der Augustsonne, werden Elvis-Fans von Herrschaaren selbst ernannter Elvis-Doubles umschwärmt und gedemütigt, immer nur den Fake, den echten Elvis gibt es auf DVD. Eine Stunde des höchsten Glücks ist dem Elvis Fan beschert, der Zeitzeugen treffen kann, Menschen die Elvis kannten und begleiteten, da kommt dann doch ein bisschen Farbe in die blutleere Erinnerungskiste, gestopft mit Platten, Büchern und den immergleichen Bildern. „It´s Elvis Time Hamburg“ und der dänische Elvis-Fanclub „Elvis Unlimited“ haben es geschafft, ein großer Tag, Red West zu Gast in Hamburg, ich bin Kummer gewohnt und gehe hin. Für 25 Euro erhalte ich eine Eintrittskarte und eine limitierte Elvis-CD. Ich ignoriere die Devotionalienstände und betrete den Saal des „Café Seeterrassen“. Ein schmuckloser beige-weißer Raum, irgendwer hat Gardinen der gleichen Couleur und mit Faltenwurf angetackert, ca. 200 Fans sind auf einer bunten Stuhlmischung zusammengerückt und harren der Dinge die da kommen mögen. Zuerst kommt Marten aus Dänemark auf die Bühne, er sieht überhaupt nicht aus wie Elvis, singt aber genauso, und bringt, zum Vollplayback, einige der schönsten Ohrenschmeichler. Das macht er wirklich gut, Applaus nach jedem Song, ansonsten sitzt und wartet der Saal auf Red West. Es gibt sogar eine extra Speisekarte für uns, oben links ist Elvis drauf, daneben steht „American Snacks“ und darunter, was dem Seeterrassen-Koch so eingefallen ist, zum Thema: Rührei mit Speck und Brötchen zum Beispiel, oder ganz abgefahren: Baked Potato mit Sahnesauce, Putenfleisch, Mais und Käse. Ich bestelle ein Stück Pflaumenkuchen, ohne Sahne, man muss Elvis ja nicht alles nachmachen. Das zehn mal fünf Zentimeter große Stück, muss Elvis selbst gebacken haben, 2,30 € der trockene Witz. Jetzt gibt’s Filmausschnitte, Elvis in der Karateschule, Elvis haut sich mit Red West, Red West kloppt sich mit Elvis. Das ganze sinnfrei zusammengeschustert, kopfschütteln, ein Bier bitte. Da! Es rumort an der Türe, wer da? Red West? Nein, zu meiner Überraschung betritt Otto Sander den Saal, also dass der Elvis-Fan ist, wahnsinn, unglaublich. Finden die anderen im Saal auch und klatschen frenetisch. Otto geht gleich zügig durch zur Bühne, kräftiger als sonst sieht er aus, der weiße Bart ganz kurz gestuzt, die stahlblauen Augen zwinkern freundlich, er streicht sich durchs rötlich schimmernde Haar und sagt: „Hello, I´m Red West.“ Na, dann. Ich klatsche jetzt auch ganz doll, ahnt man ja nicht. Das war es auch schon, Musik ab, „Sue & The Flaming Stars“ entern die Bühne, Sue freut sich sehr, den West singt mit ihr Johnny B. Good. Dann lässt er Sue mit uns alleine, Sue singt Sachen von ihrer neuen Platte und drei Lieder vom King. Gerade will ich gehen, da stürmt der Veranstalter auf die Bühne, ja, Sensation, Red hat Lust noch ein bisschen was zu erzählen. Ich setzte mich matt wieder hin, höre mir drei weitere uralte Geschichten an, Elvis säuft mit Tom Jones Champagner um die Wette, Elvis inszeniert einen Mordanschlag auf sich selbst, Elvis malt im Imperial in Las Vegas den theatereigenen Engel schwarze Gesichter und sagt die bemalten Gipsfiguren Abends als „The Sweet Inspirations“ an. Der Lausbub, der lustige! Elvis-Fans haben es schwer, haben gerade für 25 Euro einem Mann zugehört, der aussieht wie Otto Sander und Geschichten erzählte, die alle schon kannten. So. Zum Abschluß der Geburtstagsparty empfehle ich noch schnell die in Romanform geschriebene Elvis-Bio „Heartbreak Hotel“ von Mark Childress (Goldmann 1995) und lege zur Feier des Tages eine Platte der völlig unterschätzten „Wall of Voodoo“ auf, „Happy Planet“, der Song heißt Elvis Bought Dora A Cadillac It was 1957, Evlis Presley came in the And the Gods I loved were poor white trash. Twenty years later when Elvis died she parked And the Gods I loved were poor white trash. The landlord had all he could stand. When she was left with nothing, she said And the Gods I loved were poor white trash. ... Link Freitag, 7. Januar 2005
Fallende Kleinkinder, rätselhafte Hämatome & und schöne Grüße aus Belgien
herr paulsen
14:05h
Kleinkinder fallen ja gerne mal. Vor ein paar Tagen mein Patenkind. Die Mutter wuchtet den Kindersitz mit süßem Inhalt aus dem Auto, da passierts! Der 2004 Primo Viaggio Infant Car Seat with LATCH base in Synergy from Peg Perego entgleitet der Mutter aus den liebenden Händen, der Insasse kuckt so vor sich hin, der 2004 Primo Viaggio Infant Car Seat with LATCH base in Synergy from Peg Perego macht einen prima Job, prallt auf den harten Asphalt, kippt lässig zur Seite und entlässt das eben losgeschnallte Kind auf den streusalzglitzernden Gehweg. Da liegt der Bub und sagt keinen Ton, dafür macht die Mutter viel Krach, reißt den Ausreißer schreiend in die Höhe um die Schadenssumme festzulegen. Ergebnis: Bub freut sich, das mit dem Strampelanzug erledigt der Weiße Riese. Alle happy-erleichtert. Zu früh gefreut. Gestern liegt das Kind auf eine Decke gebettet, auf dem Rücken und studiert den Stuck der elterlichen Altbauwohnung. Irgendwann dann genug gestuckt, es kräht ein bisschen, Mutti kommt, hebts Kindelein in Richtung Stuck, streichelt über den Hinterkopf und entdeckt ein 2 Euro großes, braunes Hämatom am Hinterkopf. Hämatome, Ursache auch von Stürzen, erscheinen erst ein bis zwei Tage nach dem Unfall. Die Mutter wird sofort Wahnsinnig. Zur Recht findet der Vater, nimmt das todgeweihte Kind an sich, derweil die Mutter den Notarzt anruft, die Nummer hängt über dem Telefon. Vom Flur her sind Selbstvorwürfe und sonstiges Wehklagen zu hören, der Vater steht mit dem Kind am Fenster. Er hat den Knaben wohl in dem Arm, er fasst ihn sicher, er hält ihn warm. ... Link Donnerstag, 6. Januar 2005
Der Big Mäc, die Literatur & Sergeant Hartman
herr paulsen
12:24h
Nachdem ich gestern noch viele Stunden gespannt den Feierlichkeiten zur Kioskeröffnung folgte, trieb mich der Hunger vor die Haustür, durch den Niesel, zum Bahnhof Dammtor und dort direkt zu meinem Lieblings-MCDonalds. Ich halte gelegentliche MCDonalds Besuche nicht für verachtenswert, nein ich zitiere da immer gerne den Bayrischen Sternekoch Alfons-the Wamperl-Schuhbeck, der in einem TV-Spot auf die Frage: „Immer die besten Schmankerl und dann Wurst?“, mit vollen Backen in die Kamera knödelte: „jo,eben,drum.“ Der MC im Bahnhof Dammtor ist nicht etwa mein Lieblings-MC, weil dort die Burger besser belegt wären, die Belegschaft freundlicher und frische Blümchen auf dem Tisch, nein, der Bahnhof Dammtor mit dem darin befindlichen MC steht in fußfreundlicher Entfernung zu meinem Heim. Ein weiterer Vorteil ist der Zeitschriftenladen im Bahnhof Dammtor. Wer schon mal in einem MC saß ohne was zu lesen dabei, der weiß was ich meine. Die Lektüre der ausliegenden Kino-News (alle Filme supergeil!) oder der Nähwerttabellen für Burger & Co (alles Essen superleicht!), wirkt zumindest auf mich nicht sehr anregend und kauend Leuchtreklame zu hypnotisieren, bringt einen nicht wirklich weiter auf der Welt. Also husch, rein in den Zeitschriftenladen. Dort erstand ich für 10 Euro die werbefreie Literaturzeitschrift „Der Freund“, herausgegeben von Christian Kracht. Ich bestellte mein Lieblingsmenü eincheeseburgereinbigmacnixzutrinkenkeinepommesjazumhieressen und nahm Platz. Beim Durchblättern der Zeitschrift blieb ich sofort auf Seite 68 hängen. Drei MCDonalds Gerichte zum zuhause kochen, stand da. Ja, so lob ich mir doch eine Literaturzeitschrift. Immer am Volk! Und höchst interessant: man erfährt, das zum Beispiel der Fischmäc 1963 in Cincinnati, Ohio erfunden wurde, damit Katholiken auch Freitags mal vorbeischaun. Oder das Chicken McNuggets in einer dreijährigen Entwicklungsphase zur Vollendung gebracht wurden. Der Big Mac, las ich erstaunt, ist ein Jahr älter als ich, also schon sehr alt, und das Rezept zum Nachkochen besteht aus 22 Zutaten. Ich werde die Rezepte alle mal ausprobieren und dann an dieser Stelle darüber berichten. Wer übrigens gerne isst und nicht nur bei McDonalds, dem sei im selben Heft das fiktive Gespräch zweier Restaurantkritiker empfohlen. (...neulich, Meraner Kellerstuben, Traubensoufflé aus der Panzerottischnecke, was find ich in meiner Backentasche? Eine Hundemarke!) Ich selbst kann auch noch was beitragen zum McDonalds-Mythos-Enthülling. 1995 habe ich mich mal in ein McDonalds-Ausbildungslager verlaufen und damals darüber einen Text geschrieben, den ich jetzt hier einfach noch anhänge: McDonalds bildet aus Kurz nach meinem achten Geburtstag, antwortete ich auf die Frage was ich den einmal werden möchte, mit geradem Blick und fester Stimme, wahrheitsgemäß: Verkäufer bei Mc. Donalds. Tanten, Onkels, Omas und Opas waren nur verhalten begeistert. Was wussten die schon! Die Entdeckung und Erweckung meines Berufswunsches geschah am 13.03.1977, zum Geburtstag hatte ich mir einen Besuch bei Mc. Donald gewünscht, mit der Option soviel essen zu können wie möglich. Und so machten sich meine Eltern und ich am Geburtstagsmorgen früh um Sechs auf den Weg zum nächstgelegenen Mc Donalds Restaurant. Das lag in dieser dunklen Zeit noch 300 km von meiner Heimatstadt entfernt und wir fuhren viele Stunden in Mamas Fita 500 gen Bodensee, setzten mit der Fähre über und waren zur Mittagszeit bei Mc.Donalds in Konstanz, einer von damals elf Mc.Donalds-Filialen in Deutschland. Ich aß mit großem Appetit drei Burger, einmal Pommes und eine Apfeltasche und war sehr enttäuscht über die doch überraschend eingeschränkte Aufnahmefähigkeit meines Magens. Zu allem übel, erbrach ich bei der Rückreise auf der Fähre das teure Gut, über die Reling gebeugt direkt auf das stolze Wappen des Schiffes „Meersburg“. Als wir anlegten war vom Ufer aus nur noch „Meurg.“ zu lesen an der weißen Schiffswand. Auf der Rückfahrt überlegte ich dann, welche Möglichkeiten es gäbe, unbegrenzt an die Burger zu gelangen, ohne danach jedesmal zu kotzen und als wir zuhause in die Garage fuhren war mir klar, ich würde dort arbeiten müssen für den vollen Geschmack! Ronald Mc Donald und ich wuchsen beide recht schnell in den nächsten Jahren und die flächendeckende Erhältlichkeit der Klopsbrötchen rund um die Uhr milderten meinen Berufswunsch. Trotzdem sah ich immer noch gerne dem emsigen Treiben hinter den Bedienungstresen zu und träumte davon im Schutz der Pommesfrites-Maschinen den Mundraub an meinem Arbeitgeber zu begehen. Vor ein paar Wochen hatte es sich dann schlagartig ausgeträumt. Ich besuchte einen Freund in London, dort trieben mich Hunger und wahrscheinlich auch ein wohlmeinender Wind der Erkenntnis in eine McDonalds-Filiale. Es war um die Mittagszeit, viele Leute in langen Schlangen, nur der Schalter ganz rechts war wenig besucht und ich stellte mich an. Es ging auch sehr schnell. Und es war auch sehr laut. Schuld an beidem war ein hochgewachsener, glatzköpfiger Koloß, seine Muskeln zeichneten sich Adern-genau unter seinem knappen McDonald´s-Hemd ab und er brüllte ununterbrochen die junge Frau am Schalter an: „hurry, hurryyyy, times runnin!, whacha think yo doin here, hurry, hurry, times runnin, these people waaaait, tooo long, toooo loooong!“ Jetzt bemerkte ich auch das gelbe Plastik-Absperrband und als ich es erreichte, zwei Personen noch vor mir, riss der Sergeant eine seiner drei umgehängten Stoppuhren hoch, lächelte mich entrückt an und schrie : “ two to go, six minutes to show!“, drückte den Schalter der Stoppuhr und mir wurde klar, ich war in der Full Metal Jacket Filiale der McDonald´s Company gelandet und Sergeant Hartman würde diese Frau töten, wenn ich nicht in sechs Minuten dran wäre. Leider fiel der jungen Frau beim Bedienen meines Vordermanns ein Teil des Wechselgeldes auf den Boden und ich ereichte die Kasse mit zweiminütiger Verspätung. „One Big Mäc , please“, flüsterte ich. „ young Lady, you wastet two Minutes of HIS life“, er zeigte auf mich, “I gave you six, tell me what gives you the right to waste Two! Expensive! Minutes! Of! This! Nice! Gentleman´s! Life!“ Dann drehte er sich zu mir, drückte mir meinen bestellten Big Mäc in die Hand und schrie: „she wasted two minutes of your life, Sir, so sorry about this, this one is for free.“ Ich ging mit der beeindruckenden Erkenntnis, daß zwei Minuten meines bescheidenen Lebens genau einen Big Mäc wert sind und dem Vorsatz, nie mehr einen McDonalds aufzusuchen. Das Fleisch ist schwach. ... Link |
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