Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Montag, 24. September 2007
Der Kiosk in Frankreich (3): Disney World und die fabelhafte Küche der Isabelle Auguy.


Die Auguys (links) mit charmantem Servicepersonal (rechts)

Laguiole

Die Liebste nennt das Navigationsgerät nur noch „deine Else“. Else ist nicht nachtragend und führt uns durch einen der schönsten Landstriche Frankreichs. Wir durchqueren die Auvergne und ich erspare mir jetzt die genau Beschreibung der Reise durch die vulkanische Hochebene, es kämen darin Worte wie „traumhaft“, „erhaben“, „romantisch“, „stahlblauer Himmel“, „unendliche Weiten“ und „Seelenlandschaft“ vor. Lassen wir das. Gegen Mittag erreichen wir Laguiole. Laguiole liegt in der Region Aubrac und ist berühmt. Für seine eleganten Messer. Für den gleichnamigen Käse. Für seine Aubrac-Rinder, mit geschwungenem Horn und Augenrändern. Und für seine Köche!

Ganz in der Nähe kocht Michel Bras. Drei Sterne, einer der besten Köche der Welt. Wir reservieren telefonisch. Ein Tisch für heute Abend oder morgen Mittag oder morgen Abend. Bruhahaha lacht es aus dem Hörer. Ich verstehe das, mein Fehler. An den Mittagstisch hatte ich ernsthaft geglaubt. Wir trauern nur kurz, es gibt in Laguiole nämlich noch eine berühmte Köchin. Isabelle Auguy, Meisterin der regionalen Küche auf höchstem Niveau, ein Michelin Stern. Was der Wert ist, haben wir gestern erfahren, wir sind aber zuversichtlich, beständig und sehr lange schon hallt der Ruf der Madame Auguy bis nach Deutschland.

Der Empfang im Grand Hotel Auguy ist herzlich, der gebürtige Holländer Jean-Marc Auguy ist ein lockerer Typ und natürlich hat er noch einen Tisch für uns, heute Abend. Wir spazieren durch Laguiole. Der Ort ist eine Puppenstube, das Klischee eines französischen Dorfes, Mauer an Mauer kleine, dickwandige Steinhäuser mit altmodischen Geschäftsschildern, winzigen Bars im Schatten von Platanen. Ab und zu klopfe ich an eine Steinmauer, nur um sicher zu gehen, dass ich mich nicht in der Nachbildung eines französischen Dorfes der Firma Disney World befinde. Nö. Alles echt.

Genau eine Stunde (19:45-20:45 Uhr) hat der Gast Zeit sich in Madame Auguys freundlichem Restaurant einzufinden, dann beginnt die kulinarische Reise, konzentriert, präzise und ohne Pause wird Gang um Gang serviert. Wir entscheiden uns für das 9-Gängige Menü „Decouvert du Terroire D´Aubrac“. Nach dem Amuse Geule wir auf einer Schiefertafel der erste Gang serviert: Charcuterie maison, hausgemachte Salami, zweierlei Sülzen vom Schwein, luftgetrockneter Schinken vom Aubrac-Rind. Einfach gut. Dann wird’s raffiniert: Linsen in zart schmelzendem Steinpilzgelee begleiten eine Praline von im eigenen Saft gekochtem Schweinefleisch, in Butter knusprig gebraten. Sensationell. Jetzt geht es richtig ab: Gebratene Blutwurst mit Apfelwürfeln in einem Ring aus knusprigem Filoteig, darauf eine Haube aus schneeweißem Cidre-Schaum, daneben ein Stück gebratene Gänseleber mit Cidre-Vinaigrette. Das ist nicht zu toppen. Naja, doch: Gaspacho von Rucola im Glas serviert mit einer Kugel cremigem Laguiole-Käse-Eis, dazu ein Türmchen aus gedünstetem Kohl mit knusprigem Schinkenwürfeln und zwei Stücken, auf der Haut gebratenen Bachforellenfilets. Ich weine ein bisschen vor Glück. Es kündigt sich eine „Pause“ an. Die Pause ist für den Gaumen gedacht, ein erfrischendes Sorbet von grünem Enzian. Derweil wird in der Küche ein Steak vom Aubrac Rind für uns gebraten. Duftende dicke Fleischstreifen, perfekt medium, mit Meersalz und schwarzem Pfeffer gewürzt, dazu eine dunkle Marcillac-Weinreduktion. Der Hammer aber ist die Beilage: Aligot de Montagne, der Klassiker der Region, ein Fäden ziehender Käse-Kartoffelbrei. Hier die Zutaten für 4 Personen: gekochte Kartoffeln (1 kg), Laguiole Käse (450 g), Créme Fraîche (500 g), Butter (250g). Alles klar? Ich bin sofort süchtig. Die folgende Käseplatte besteht aus acht Käsen der Region (hier ist auch der Roquefort beheimatet) und lässt uns ein bisschen in die Knie gehen. Das Vordessert ist ein modernes Schäumchen mit Muskatnote im Schnapsglas, schwupp und weg, lecker. Das Dessert ist die Krönung und ich mag eigentlich keine Desserts. Doch, dieses hier: pergamentdünne, und sehr knusprige Auberginenscheiben (!), mit Puderzucker bestäubt und mit Limettencreme getürmt, dazu ein Zitronen-Rosmarin-Eis und eine süße Vinaigrette mit Fenchelsaat und Anis! Das Ganze hat pro Person 53 Euro gekostet, kleine Menus gibt es schon ab 35 Euro. Wir verbeugen uns noch kurz, bevor wir ins Bett fallen.

Le Grand Hotel & Restaurant Auguy
2 allée de l´Amicale
Laguiole
Tel: 05 65 44 31 11
http://www.hotel-auguy.fr/

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Der Kiosk in Frankreich (2): Wo Gott in Frankreich sicher nicht isst.


Verdorbenes Essen, pampige Kellner: Chateau Clairefontaine

Lyon / Isère

In Lyon, der zweitgrößten Stadt Frankreichs lässt es sich bestimmt prima übernachten. Wenn nicht gerade zwei große Kongresse, die Rugby-Weltmeisterschaften und die Lyon-Biennale gleichzeitig stattfinden. Die Dame vom Tourismusbüro erklärt uns das höflich. Erstmals hege ich leise Zweifel an unserer Entscheidung, nur für die erste Station unserer Reise ein Hotel gebucht zu haben. Einfach losfahren, treiben lassen. Pfff. Die Liebste blättert im Hotelführer. Da gab es doch so ein Schloss, nur eine halbe Stunde von Lyon entfernt. Die Tourismusbeauftragte ruft da für uns an, ja, Zimmer frei. Ob wir auch zum Abendessen kommen wollten? Wollen wir. Schwerer Fehler.

Hochherrschaftlich leuchtet das Landschloss Domaine de Clairefontaine in der Abendsonne. Luxuskarossen, alte Leute, steifes Personal. Wir beziehen unsere Zimmer im nahe gelegenen Marais Saint Jean, dem Zweithaus der Familie Giradon und machen uns hübsch fürs Abendessen im Schloss. Die Küche sei ausgezeichnet, ja von einem „Zauber des hervorragenden Essens“ ist sogar die Rede. Wir freuen uns. Für alle die nicht gerne lange Texte lesen, fasse ich den folgenden Abend mal kurz zusammen: schlechtes, zum Teil verdorbenes Essen, pampige, verstockte Kellner und alles schweineteuer. Details? Die Gänseleber schillert in acht verschiedenen Farbtönen, von grün bis lila mit schwarzem Rand. Der Thunfisch der Liebsten schillert ebenfalls technicolor und brennt im Mund. Reklamation zunächst unmöglich, man besteht auf Französisch. Mein Französisch reicht nicht um meinen Ekel auszudrücken. Zeichensprache. Murrend wird abgeräumt. Mit vielen Worten des Bedauerns wird ein perfekter Thunfisch aufgetragen. Geht doch, geht aber irgendwie gar nicht. Meine Lammstelze ist in Ordnung, die Kaninchenroulade der Liebsten ein graubrauner Scheiß. Das Dessert kündigt sich als Variation von Rhabarber und Erdbeere an. Es kommt: klein geschnibbelte Erdbeeren an steinhartem Mürbteig mit gummiartiger Erdbeer-“Mousse“-Füllung. Der Rhabarber befindet sich, grau gekocht, unter der Mousse. Alles ist natürlich eiskalt. Danach angetrockneter Käse vom Wagen. Vier Gänge für 60 Euro pro Person. Wir verlassen fluchtartig das Lokal, trinken nicht mal mehr den Wein aus, zu groß ist die Gefahr, dass ich laut werde und Unbeteiligte verletze. Zurück im Hotelzimmer entnehmen wir einem unserer Reiseführer, dass wir gerade bei einem Koch gegessen haben, der einen Michelin-Stern hat. Wir lachen uns hysterisch in den Schlaf.

Domaine de Clairefontaine
38121 Chonas-l´Amballan (Isère)
Tel: (0)4 74 58 81 52

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Der Kiosk in Frankreich (1): Chez Yvonne & die Entdeckung innerstädtischer Mode-Navigation.

Straßbourg

Regenfahrt durch Deutschland, sechs Stunden lang, die beiden Frauen im Wagen streiten. „Ein Schwachsinn so zu fahren!“ sagt die Liebste, die weibliche Stimme aus dem Navi lässt sich nicht auf Diskussionen ein: „nehmen Sie die Ausfahrt.“ Gegen Abend erreichen wir überraschender Weise so doch noch die Grenze bei Saarbrücken. France, steht auf einem Schild, daneben das Fotoplakat eines französischen Zöllners der am Tisch eingeschlafen ist. Es gibt nichts mehr zu tun im neuen Europa.
Nachtfahrt. Dampfende Wiesen und Seen im Mondlicht, jenseits der Autobahn funkeln kleine Dörfer schwache Lichter von Hügeln und aus weiten Tälern. Im Straßbourg Center Hotel erwartet man uns schon: „you must be Mr. Paulsen.“ Dass muss der Concierge an meinem schüchternen Französischsprech bemerkt haben. Wir checken ein und machen uns direkt auf den Weg zum Abendessen.

Drei Restaurants hat uns ein ortskundiger Freund empfohlen, wir entscheiden uns für das „Chez Yvonne“. Dicke, rot karierte Vorhänge schützen den Gastraum vor neugierigen Blicken/Touristen. Im rustikal-hölzernen Restaurant wird die Küche des Elsass serviert, einfach und schnörkellos. Wir sind nicht sehr hungrig, bestellen Gänseleber-Creme Brûleé mit geröstetem Brot, dazu ein Pinot Gris. Der Service ist freundlich, nachdem wir es mit Französisch versucht haben, kommt man uns englischsprachig entgegen. Den Rückweg zum Hotel hätte ich nie gefunden. Die Liebste führt zielsicher durch verwinkelte Gassen, mit Abstecher zum Dom, direkt zum Hotel. Dabei murmelt sie die Namen von Modeketten. Ich begreife. Madame hat sich zur Orientierung schon auf dem Hinweg eine innere Landkarte von Modegeschäften angelegt. Beeindruckend.

Chez Yvonne
10 rue du Sanglier
67000 Straßbourg
Tel: 03 88 32 84 15

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