Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Dienstag, 5. September 2006
Testesser Paulsen berichtet: Kulinarisches Roulette bei Henssler&Henssler

Ja, gut, es war eine Schnapsidee. Nein, eigentlich eher eine kretischer Raki-Idee als mein Freund Demis, die Liebste und ich Samstagnacht beschlossen, am Montag zusammen essen zu gehen. Montags hat alles zu in Hamburg. Montags schmiert man sich in Hamburg Schnittchen in Heimarbeit. Nach einigen nächtlichen Telefonaten erfuhren wir, dass die Herren Henssler, ganz unhanseatisch, auch Montags empfangen. Viel hatten wir gehört, dort gäbe es das beste Sushi Hamburgs/Schleswigholsteins/Norddeutschlands/Deutschlands, vollmundige Lobeshymnen hatte man mir gesungen auf die kreativen Erneuerer der traditionellen, japanischen Küche, „Cuisine Pacifique“ nennen es die Hensslers selbst.
Nun ist Sushi für mich nicht gerade eine abendfüllende Veranstaltung, mit verhaltener Erwartung betrete zumindest ich das Restaurant.

Hamburgs blonde Töchter wuseln aufmerksam durch schlichte Tischgarnituren, über hundert Sitzplätze finden sich in der geweißelten Lagerhalle, die sich im Verlauf des Abends in eine Echobox lautstarker, stimmlicher Lebensfreude verwandeln sollte. Ruhe herrscht allein in der offenen „Show“-Küche. Da steht, neben Sohn Steffen Henssler, vorwiegend asiatisches Personal, würdevoll-konzentriert wird roher Fische portioniert, in gleitenden Bewegungen, keine davon scheint überflüssig. Derweil begrüßt Vater Werner Henssler mit bodenständigem Händedruck und holsteiner Zungenschlag sein Publikum. Der Mann der Hamburg seinerzeit mit dem „Petit Délice“ beglückte, wirkt wie ein Jachtbesitzer auf Landgang, sonnenverwöhnt, das blaue Hemd lässig aus der Hose gezogen, die obersten Knöpfe schaffen Luft.

Der erste Gang entzückt: Sashimi vom Loup der Mer mit einer leichten Pfeffermayonnaise und feinen Gemüsen in einem asiatischen Pesto. Langsam schmecke ich auch wieder was, nachdem ich leider vorweg vom gereichten Pizza-Brot genascht hatte. Dünn wie Papadam und derartig scharf, dass ich mehrere Minuten nicht mehr schmecken konnte, ob sich in meinem Glas der Grüne Veltliner von Bründelmayer oder doch der Riesling von Fritz Haag befindet. Nur kurz währt die Gaumenberuhigung, ein Testbissen von Demis Teller verschlägt mir schnell wieder den Atem. Der feine Gurkensalat zum rohen Thun ist mit grobem, schwarzen Pfeffer gewürzt, die vielen halben Pfefferkörner entfalten beim Kauen ihr ganzes, tränentreibendes Aroma, der Fisch verschwindet unter Schmerzen. Puh.

Linderung versprechen die rohen Thunfischwürfel auf nußigem Kartoffelpüree und einer schaumigen Fischsauce. Ein Traum, diese Kombination von heiß und kalt, dem butterzarten Thun und dem cremigen Kartoffelpürree. Die kalifornischen Sushi sind mit einem frittierten Krebs gefüllt, dessen Pergamenthaut so dünn ist, das man sie mitessen kann, erzählt man uns. Ja, knusprig, aber es schmeckt nach Frittierfett. Auch die zweite Sushirolle macht nicht glücklich, der Thunfisch in guter Qualität, leider begleitet von einem dicken Stück Surimi. Diese Industriescheiße aus pürierten, gepressten Fischresten, gefärbt mit gerösteten, gemahlenen Schalentierpanzern, gehört verboten.

Die Liebste lacht. Demis und ich rutschen aufgeregt wie Kinder auf den Stühlen herum. Gleich kommt der Hauptgang. Wir haben zum Hauptgang Kobe Beef vom Wagyu Rind bestellt. 50 g für 17,90 Euro steht auf der Karte. Wir haben 50 g bestellt. Gleich kommts!
Da kommts: fünf gebratene Würfelchen in leichter Sojasauce, dazu ein Topf voll grüner Bohnen mit Meersalz, die Bohnen in der Schote, „so zum selber rauslutschen“, erklärt man uns. Andächtig senke ich die Stäbchen, der erste Würfel wird zum Mund geführt, da, so geht die Sage, sollte das Fleisch der handmassierten und gesalbten Rinder „schmelzen“. Da schmilzt aber nix, das Fleisch ist zwar halbwegs zart, aber leider durchgebraten! Unglaublich. Kulinarische Neugier verschafft oft unbezahlbare Erlebnisse, manchmal muss man dafür aber einfach nur bezahlen. Die komplett versalzenen Bohnenkerne zum selber pulen machen es auch nicht besser. Die Liebste freut sich derweil über ein perfekt gebratenes Stück Kabeljau auf würziger Tomatenconfit und mit krachendem Speck serviert. Demis und ich sind missgestimmt. So soll der Abend nicht enden. Wir bestellen gegrillte Scampi auf Tomatenconfit. Die kommen mit der schon oben gelobten Fischsauce und dem oben gelobten Kartoffelpüree, das diesmal in einen stehenden Zylinder aus knusprigem Frühlingsrollenteig gestopft wurde. Und kalt ist. Die Scampi sind schwarz gegrillt und beim Auslösen der trockenen Schwänze bröckelt es schwarz in die feine Tomatenconfit und die zarte Sauce. Jetzt schmeckt alles verbrannt. Das missglückte Barbeque schlägt mit 27 Euro zu Buche. Für nur 11 Euro mehr bieten die Hensslers ein Vier Gänge Menü an. Neben der ärgerlichen Küchenleistung verwundert hier doch sehr die Preiskalkulation.

Irgendwie müssen wir den Holzkohlegeschmack loswerden. Wir bestellen Desserts. Das gebackene Eis der Liebsten mit gekochten Holunderbeeren ist eine Offenbarung, große Kunst. Mein Sauerrahmeis ist meisterhaft pur, veredelt mit einem Hauch Limette, Demis Nougateis zum reinlegen gut. Wir verstehen die Welt nicht mehr, angesichts derartig schwankender Küchenqualität schmieren wir uns nächsten Montag wieder Schnittchen, denn wir kamen zum Essen, nicht zum Roulette spielen.

Henssler & Henssler. Restaurant und Sushibar.
Große Elbstraße 160
22767 Hamburg
Website: http://www.h2dine.de/

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