Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Freitag, 14. Oktober 2005
Den Welthandel selbst in die Hand nehmen. Zwei Lektionen in einer Woche.

1. Meine Messer gehen in Rente. Dünnhäutig sind sie geworden, haben Stahl gelassen beim Schleifen, Schneiden, Hacken, Filetieren in den vergangenen zwanzig Jahren. In meiner Küche führen die Messer, die mich zum Teil schon während der Lehre begleiteten, einen geruhsamen Lebensabend. Draußen im Kampf um Ruhm und Rubel müssen sich ab jetzt neue, schwere, scharfe Geräte beweisen und ich laufe in die Deutsche Messerschmiede meines Vertrauens um einen Satz Messer für die nächsten zwanzig Jahre zu erstehen. Vom Fachpersonal ist nur der Oberkörper zu sehen, er ist umringt von Japanern, der ganze Laden wimmelt von Japanern, die unter großem Geschnatter Tonnen von Messern und Messerblöcken aus dem Laden tragen. Nach 30 Minuten hat der Messerverkäufer Zeit für mich. Ob denn immer so viele Japaner hier wären, frage ich. Ja, sagt er, jeden Tag, das seien seine besten Kunden, erklärt er. Deutsche Messer sind Kult bei den Japanern und wenn die hören, dass ein Kochmesser schon für 79 Euro zu bekommen ist, nehmen die immer gleich 10 Stück. Denn in Japan kostet diese Messer der Deutschen Messerschmiede meines Vertrauens 600 Euro. Mir fällt ein, dass seit ein paar Jahren viele Deutsche Köche auf die Messerkunst Japanischer Schmieden schwören. Dafür zahlen sie dann gerne mal so ab 600 Euro pro Messer. Ich muss lachen. Wir sollten tauschen. Neben mir wird ein japanischer Rentner von seiner Frau mit 5 Messerblöcken bepackt und schwankt zum Ausgang.

2. Andrej Kurkow, eine der größten Stimmen der ukrainischen Literatur liest in der Buchhandlung Cohen & Dobernigg. Er selbst bezeichnet sich als „Ukrainer Russischer Abstammung“ und trägt aus seinem neuen Buch „Die letzte Liebe des Präsidenten“ vor.

Zuerst aber erzählt er von seinem beruflichen Werdegang. Erstes Gedicht mit sieben Jahren. Drei Hamster hatte er damals. Der erste starb, nachdem er die Wohnzimmertür an den Kopf bekommen hatte. Der zweite wurde von einer Straßenkatze gefressen, die der kleine Andrej zwecks Fütterung ins Haus gelassen hatte. Der dritte Hamster wurde trübsinnig und stürzte sich eine Woche später vom Balkon. Kurkow schrieb das Gedicht vom trübsinnigen Hamster. Schon das zweite Gedicht widmete er Lenin, ebenfalls tod. Kurkow glaubte jahrelang, dass nur Tote zu bedichten seien. Kurkow spricht 11 Sprachen und chhrchrrt sich charmant durch die Deutsche Übersetzung von Sabine Grebing. Dann ist Fragestündchen. Eine ältere Dame erzählt, sie sei neulich in Kiew bei Freunden gewesen und es sei ihr dort ganz und gar unmöglich gewesen ein Buch Kurkows zu erstehen. Da lacht Kurkow, ja, das sei schwieriger geworden, nachdem der Geheimdienst bei ihm angefragt habe, ob nicht „Die letzte Liebe des Präsidenten“ vielleicht als Vorlage für die Vergiftung Juschtschenkos hätte dienen können. Doch man ist nicht lange ratlos in der Buchhandlung, der Dame kann geholfen werden. Kurkow öffnet einen Karton mit Originalausgaben, die für 15 Euro den Besitzer wechseln, grellbuntes Cover, ein Kussmund der aus einem Handy schießt, innen graues Presspapier mit grauen Buchstaben eng bedruckt. Die Dame schickt jetzt den Freunden in Kiew ihre Literatur zurück.

.....................ratsch.

Links zum Thema:

Cohen & Dobernigg:

http://www.codobuch.de/

Andrej Kurkow:

http://www.perlentaucher.de/autoren/3976.html

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