Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Dienstag, 2. August 2005
Wie ich gestern mal Modefotograf war

Gestern war ich mal Modefotograf! Huiii! Eigentlich sind meine Fotokünste bescheiden und amateurhaft, aber hey, es kommt auf die richtige Verkaufe an!

Gestern also, ich hatte frei und die Liebste erklärt mir, sie müsse heute meine Kamera haben. „Kommt nicht in Frage!“, rief ich empört. Doch, erklärte die Liebste, das müsse schon sein, beruflich. Heute Abend müsste sie im Side-Hotel die neueste Frühling-Sommer 2006 Kollektion der Modemarke XY zeichnen. Warum denn mein Fotoapparat von Nöten sei wenn doch gezeichnet würde, fragte ich und erboste die Liebste mit dieser dummen Bemerkung. Zeichnen oder auch ordern, so lernte ich, meint bestellen. Also, Kollektion kucken, knipsen, bestellen.
Ha!, dachte ich, das ist mein Einstieg in die Glitzi-Modewelt und ich bot selbstlos an, die Liebste als Fotograf zu begleiten.

Das Side Hotel ist ja sehr schön, Architektur die einen ganz schwummerig macht. Der Konferenzraum in dem die Mode-Präsentation stattfinden sollte, erinnerte aber eher an das Raucherzimmer einer rumänischen Sonderschule, ich sah noch mal schnell draußen nach, doch, es war noch immer das Side Hotel. Wir wurden von einer sehr lauten Dame empfangen, die unglaublich schnell sprechen konnte und uns warme Cola anbot. Dann sprach sie zwanzig Minuten sehr laut und schnell mit der Liebsten über Modetrends und die Liebste schaute dazu so, wie sie immer schaut, wenn ich meine Aschenbecher nicht ausleere oder den Klodeckel nicht zumache.
Ich verstand gar nichts und überprüfte wie ein echter Profi konzentriert mein Equipment. Ach du Scheiße! Die Kamera verriet mir, dass der Akku beinahe gänzlich leer sei. Der Akku, der am Morgen noch volle Leistung angezeigt hatte! Mir wurde ganz heiß, mein Kopf färbte sich rot und das genau in dem Moment, als das osteuropäische Model den Raum betrat. Das war mir unangenehm, stellte sich doch der Eindruck ein, es wären die Akkus des osteuropäischen Models die mich erröten ließen. Das Model war sehr schön anzusehen, sehr groß, sehr blond und sie fror sehr. Für so was hatte ich aber jetzt keinen Sinn, ich starrte auf den Balken der Akku-Anzeige und betete.

Drei Stunden dauerte mein Martyrium, bei jedem Klick und jedem neuen Kleidungsstück auf meiner Speicherkarte, dankte ich dem Herrn und fand so, nach vielen Jahren, wieder zu Gott.
Die Fotos sind übrigens allesamt sehr hässlich. In einem Raucherzimmer einer rumänischen Sonderschule sieht man ein frierendes osteuropäisches Model, das mich böse durch den Sucher anfunkelt und dabei viele schöne Sachen trägt.
Die Bilder muss ich Ihnen leider vorenthalten, alles sehr geheim in der Glitzi-Modewelt und ich bin ja schließlich Profi!

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