Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Donnerstag, 2. Juni 2005
Opa Paulsen erinnert sich : Talkin´all that jazz

Unglaubliche 47,-DM zahlte ich 1997, beim Westport Jazzfestival in Hamburg, um Rockers Hifi zu sehen, ihre Platte „Mishmash“ war im Jahr zuvor erschienen, ein düsteres Dub-Monster mit minimalistischen TripHop-Anklängen. Niemand in meinem Freundeskreis wusste mit der Platte etwas anzufangen, der hohe Eintrittspreis war ebenfalls eine Hürde und so ging ich an diesem Abend alleine los. Das Konzert war auf 23:00 Uhr angesetzt, ich hatte es mir an einem Bierstand, vor dem hell erleuchteten Festivalzelt gemütlich gemacht, genoss die warme Sommernacht und kaltes Bier. Die Herren Rocker ließen auf sich warten, mittlerweile war es halb eins und außer vereinzelten „Test-Test...“-Rufen aus dem Zelt, tat sich nichts, ich langweilte mich ein wenig und kam auf dumme Gedanken.

Ich fand, es sei nun an der Zeit, mal nachzusehen warum es denn nicht voran geht, mit dem Bühnenaufbau und näherte mich unauffällig dem Eingang zum Backstagebereich. Zwischen dem Konzertzelt und einer lang gezogenen, kleinen Steinmauer führte ein Weg direkt hinein ins Allerheiligste. Damit nun nicht ein jeder gelangweilte, bier-benebelte Festivalbesucher da rein rennt um mal nachzusehen, warum es denn nicht voran geht, mit dem Bühnenaufbau, wurde der Weg bewacht von einem schrank-ähnlichen Fleischkappenmonster mit bunten Tatoos, die verkündeten, das er privat eher nicht so auf Rockers Hifi steht. Ich grüßte Zerberus freundlich und ließ mich auf der Steinmauer nieder. Hinter Zerberus. Ich trank beherzt mein Bier aus, wurde unsichtbar, drehte mich um hundertachtzig Grad und ließ mich von der Mauer fallen.

Drin!
Zerberus hatte mein Kunststück nicht bemerkt und starrte pflichtbewußt vor sich hin, ich lief eilig um die Ecke, ein paar Treppen noch und ich stand auf der Bühne. Um mich herum wurde emsig geschraubt und verkabelt, angestrengte Minen überall, ich selbst legte auch gleich meine Stirne in sorgenvolle Falten und überprüfte die Plattenspieler von Rockers Hifi. Der Mann am Mischpult bemerkte mich, mit hochgezogenen Augenbrauen sah er erstaunt zu mir herüber, ich winkte ihm freundlich zu, formte meine Hände zu einem Trichter und rief:
“Alles in Ordnung hier!“.

So ein Aufbau macht Durst, ich folgte den Pfeilen zum Vip-Zelt, machte ein wichtiges Gesicht und bestellte ein Bier auf englisch: „Hi, Darling, one beer please!“, dabei bemühte ich mich um einen britischen Akzent. Es funktionierte und mit meinem Gratisbier setzte ich mich an einen Tisch zu den anderen Musikern.
Mein Tischnachbar, ein gutaussehender Schwarzer mit schicker randloser Brille, drehte sich erwartungsvoll zu mir, ich hob meinen Becher und prostete ihm zu:“Cheers!“. Freundlich lächelnd prostete er zurück und ich fragte, ob er auch Rockers Hifi sehen wolle. Jaja, hochinteressant seien die, antwortete er mir, sein Akzent war amerikanisch, eine angenehme, weiche Stimme. Wir schlossen schnell Freundschaft, mein Gegenüber entpuppte sich als ein Fachmann in Sachen Jazz und wir unterhielten uns über die Einflüsse der elektronischen Musik auf den Jazz, ich erwähnte in diesem Zusammenhang lobend die Pionierleistungen von Herbie Hancock auf diesem Gebiet, mein Gesprächspartner war da ganz einer Meinung mit mir.
So spannend war unser Gespräch, das alle am Tisch uns gebannt zuhörten, keiner sprach ein Wort.

Dann wurde ich ein wenig enttäuscht, einer der Zuhörer hatte sich erhoben, ich nahm an, er wolle Bier besorgen, aber nein, er kam zurück und hatte Zerberus mitgebracht. Zerberus unterbrach uns unfreundlich, legte seine Hand auf meine Schulter und fragte nach: „Die harte Tour oder freiwillig.“ Ich entschied mich für freiwillig, verabschiedete mich per Handschlag von meinem kompetente Gesprächspartner und folgte Zerberus zum Ausgang.
Ich kann mich irren, meine aber entfesseltes Gelächter aus dem Vip-Bereich gehört zu haben.

Zu meinem großen Erstaunen entdeckte ich am nächsten Tag in der Zeitung ein Foto meines Gesprächspartners. Die Bildunterschrift: „hoher Besuch beim Westport: Mr. Herbie Hancock gab sich die Ehre.“

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