Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Samstag, 28. Mai 2005
Eine Postkarte aus: Bremen

Sommer-Kick-off in Bremen. Ich stehe in einem Fotostudio und mache mal wieder, dass Menschen später Fertig-Essen kaufen werden, weil es auf der Packung so schön knackig, gesund und leicht aussieht. Schon um 18:00 Uhr Feierabend. Bevor ich ins Hotel fahre, erklärt man mir, ich müsse nachher unbedingt auf die Breminale kommen, tolles Fest mit Livemusik und so, immer verregnet, aber dieses Jahr, holla!, einfach mal aus dem Fenster kucken und bis später dann!

Im Hotel sehe ich mir erstmal Tim Mälzer an, kann ich sonst nie sehen, in der Minibar eiskaltes Becks, das Leben ist schön. Da ich nicht weiß wo die Weser ist und die Breminale, die da sein soll und weil ich Hunger habe, nicht auf Würstchen am Stand, sondern so mit sitzen und nett, laufe ich erstmal eine Runde durch die Stadt. Bremen ist schön. Auf dem Platz vor dem Rathaus stellen junge Menschen die Bremer Stadtmusikanten nach, eine erhebende Alkohol-Akrobatik, der ganze Platz (ca. 300 Open-Air-Trinker) lacht, eine japanische Reisegruppe knipst wie wild, also ich finde das klasse.

Die Weser finde ich dann doch, also glaube ich zumindest, ein breiter, träger Strom, ein paar Schiffe vor Anker und ganz viel Gastronomie. Leider kein Platz mehr frei und nein, hier sei auch nicht die Breminale, das sei hier immer so an diesem Ufer, erklärt man mir freundlich. Ich also wieder Richtung Innenstadt und da, vor der „Ständigen Vertretung“ sind üppig Plätze frei, auch für einsame Wanderer, die einen ganzen Vierertisch besetzen müssen, was in Hamburg z.B. nicht geht oder mit aufgedrängten Gesprächen, sonnenhungriger Sitznachbarn geahndet wird. Hier aber ist es friedlich, ein Kegelklub, viele Greise, freie Tische.

Auf der Karte steht Knipps. Eine Bremer Spezialität, aus Schweinefleisch, Zwiebeln und Hafergrütze, herzhaft gewürzt und kross gebraten, dazu Bratkartoffeln, Gurke und Apfelmus. Mir schmeckt Knipps und ich esse immer Knipps, wenn ich in Bremen bin. Bisher war ich immer nur im Winter in Bremen und Knipps im Sommer ist wie Skiunterwäsche am Palmenstrand. Mir ist es egal und auch der junge Kellner zuckt nicht mit der Wimper, bringt ein Bier und dann das Essen. Ohne Apfelmus.

Ich gehöre zu jenen Menschen, die grundsätzlich nicht mit Wirten über deren Speisen diskutieren und auch jede Art von Besserwisserei verkneife ich mir im Restaurant. Hier ist der Küchenchef der Küchenchef, den belästige ich nicht mit kulinarischem Wissen oder Halbwissen, der tut was er kann und wenn es schief geht, schreibe ich das später in mein Blog, oder in ein Magazin, oder in mein Gedächtnis. Vor Ort diskutiere ich nicht. Das gehört zu den Arten Gefühlsaufwallungen die ich mir spare. Obwohl ich also weiß, dass zum Knipps Apfelmus gehört, schweige ich. Das Wunder geschieht. Der junge Kellner beugt sich verschwörerisch zu mir hinunter und flüstert: „eigentlich gehört da Apfelmus dazu, wollen sie das mal probieren?“
Ein kleines Nick-Tourette meinerseits, schwupps wird Apfelmus aufgetischt, mit Gebrauchsanleitung: „einfach draufstreichen.“. Es schmeckt sensationell und der Kellner ist zu lobpreisen und das sind so Momente im Leben, da werd ich ganz weich vom kleinen Glück.

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