Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Mittwoch, 27. April 2005
Shall we dance? Ach, öh, danke, nö.

Immer wenn die Liebste Videos ausleiht wird es finster für mich. Ich bin nämlich ein Video-Ausleih-Despot, bei uns habe ich die DVD-Fernbedienung in der Hand. Leider ist die Liebste auch die Gleichberechtigungsbeauftragte in unserer Beziehung und da muss der Herr Despot manchmal einfach nur die Schnauze halten. Diesmal: „Shall we Dance“, mit Richard Gere und Jennifer Lopez. Stöhnend lasse ich mich auf dem Sofa nieder, die Liebste sieht mich finster an, ich verstumme, der Film beginnt.

Also die beiden tanzen wirklich toll. JLO sieht blendend aus. Die Liebste atmet neben mir Kinderschokolade ein und seufzt selig, ich muß an meinen Tanzkurs denken und auch ein bisschen seufzen.

Eigentlich habe ich zwei Tanzkurse gemacht, nein, einen und aber zwei Abschlussbälle. Aufmerksame Leser meines Blogs wissen, dass ich jahrelang in einem christlichen Internat, tief im Süden der Republik gelegen, gefangen gehalten wurde. Dort gab es auch Tanzkurse und Abschlussbälle.

Den ersten Abschlussball bestritt ich mit Monika Merzenbach, Tochter des Großbauern Merzenbach, der mich wissen ließ, "so oiner kommt mer net auf de Hof." Der Abschlussball im festlich geschmückten Speisesaal des Internats war ein Desaster. Herr Merzenbach würdigte mich keines Blickes. Der Tanzlehrer Herr Kubelka, raunte mir zu, "Paulsen, ich bleib in ihrer Nähe, wir schaffen das schon!". So geschah es, ich schwenkte Monika durch die Gegend, neben mir tänzelte Herr Kubelka und flüssterte mir die Schritte zu, "links, rechts, drehen. Dreeeehehen!" Später musste ich noch mit Mutter Merzenbach tanzen, einer pausbäckigen Bauersfrau mit stattlichem Übergewicht, die mich während des Tanzes unsittlich berührte, dabei glühten ihre Bäckchen vor Freude und Aufregung.

Den zweiten Abschlussball, ein Jahr später, verdanke ich unserem Sportlehrer Herr Leopold, einem armtätowierten Ex-Seemann, der mich im Winter "Schmalzkanten" nannte (Ballspiele) und im Sommer "mein Paulsen" (Leichtathletik). Ich war gerade auf dem Weg zu den Schlafsälen, sah die Lichter im Speisesaal und beglückwünschte mich, das schon hinter mir zu haben, da brüllte Herr Leopold über den Pausenhof, "Schmalzkanten! Herkommen! Uns fehlt ein Mann!" Eilig wurde ich in einen Anzug und dann in die Arme von Roswitha Eberling gesteckt. Herr Kubelka erkannte mich sofort wieder und fragte Herrn Leopold, "und das ist ihr letztes Aufgebot? "

Als Richard Gere mit Rosen im Kaufhaus auftaucht und Susan Sarandon zum Tanz entführt, habe ich ein bisschen Augenkniepern und verfluche die Film-Auswahl der Gleichberechtigungsbeauftragten. „Sach ma weinst Du?“, fragt diese, ich so: „Nö. Heuschnupfen.“ Als der Film zu Ende ist, schnieft die Liebste ins Taschentuch, sieht mich aus geröteten Augen an und sagt: „weißt Du was? Wir zwei lernen jetzt Quickstep tanzen, da gibt es doch, pfffrrrffttt, bestimmt Kurse.“
Herr Kubelka, ich hab Angst.

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