Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Sonntag, 17. April 2005
Nur mal ganz kurz: 2:00 Uhr, Bodega-Bar

Nach einem intensiven, schönen, aufschlußreichen und vor allem langen Essen mit Mutter (sie erwähnte den Text nicht), wackeln die Liebste und ich vom Hotel in Richtung Wohnung. Ich bin zu aufgekratzt zum Schlafen, aber zu müde um noch eine anständige Bar anzusteuern. Wir landen in der Bodega-Bar, die auf dem Heimweg an uns vorbei läuft. Wer hier trinkt, hat verloren. Ein kahlköpfiger alter Mann schaufelt sich mechanisch Hühnerfrikasseé-Matsche mit Reis ins fahle Gesicht, dabei starrt er der Bedienung aufs Bauchpiercing. Neben ihm sitzt ein dürrer, kleiner Mann mit brauner Kasten-Brille und sieht in sein Bierglas, wartet, dass die Weltformel irgendwann aus dem Schaum emporsteigen. Ohne den Blick aus dem Glas zu nehmen, kratzt er sich beiläufig sein Neurodermitis-Geflecht. Vier schwerst alkoholisierte Fußballfans mit aufgedunsenen Gesichtern, versuchen Spiegeleier zu essen und dabei nicht zu kotzen.

Etwas stimmt nicht, passt nicht hierher. Also wir, ja. Aber noch was. Ich sehe mich um im dunklen Tiffany-Kitsch, dann erkenne ich, es ist die Musik. Über all der nächtlichen Trostlosigkeit verkündet eine Stimme aus den staubigen Boxen, das Jah immer richtig liegt und "after a storm there must be a calm". Gentleman singt. Die gesamte Confidence-Platte läuft. Stück für Stück. Es gibt die richtige Musik in der falschen Bar! Mit der Erkenntnis überkommt mich ein großer Frieden, genährt aus Alkohol, Müdigkeit und Gentleman. Auch ich beginne im Bier die Weltformel zu suchen, dem never sees to amaze me, strange things they bring to us, and only jah jah can save we, now who else can we trust.

Plötzlich blickt mein Forscher-Kollege auf, setzt sich aufrecht, blickt streng aus seiner Kastenbrille und sagt laut: "Also die Musik, ne, kann man da mal was anderes anmachen, also so was nicht so tropisches?". "Vergiß es Heiner!", antwortet die Bedienung und ich sinke erleichtert zurück in meinen Bierschaum.

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