Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Dienstag, 1. März 2005
Respekt! Fatih Akin & Les Hurlements d´Leo

Respekt.
Sollte jeder haben.
Ich habe zum Beispiel Respekt vor Menschen, die Großes leisten und Dinge tun, die ich toll finde. Dabei handelt es sich nicht nur um Prominente, nein, ich habe auch Respekt vor ganz gewöhnlichen Mitmenschen, die in meinen Augen Ungewöhnliches schaffen, bewundernswert handeln. Respekt ist ja nicht so angesagt in Deutschland, Neid ist hier wesentlich populärer und der Themenkreis Respekt wird hier seit Jahren den Freunden der Hip-Hop-Musik überlassen. Da kommt dann so was bei raus: „Respekt ist meine Auf-gabee und nicht ne falsche Maske die ich auf-habee!“. Das ist schlimm, aber zumindest ein Anfang.

Wie Sie merken, finde ich Respekt eine prima Sache. An der ich leider auch ein kleines bisschen kranke. Die Begegnung mit einer, von mir selbst ausgewählten Respektsperson, wirft mich nämlich einen Modus äußerster und äußerlicher Nervosität. Ich beginne fahrig zu rauchen, krampfhaft versuchen meine Augen keinesfalls Blickkontakt mit der bewunderten Person aufzunehmen und werde ich angesprochen lasse ich demütig die Schultern hängen, beginne wortkarg zu nuscheln und schrumpfe um mehrere Zentimeter. Die Liebste ruft dann gerne: „Aber Paulsen, du bist doch auch wer!“, daraufhin frage ich: „Wer?“, die Liebste verteilt eine Kopfnuss und nach ein paar Stunden geht es wieder mit dem Selbstwertgefühl.

Gestern Abend war es ganz schlimm.

Mein Freund Sven und ich hatten beschlossen uns vor dem Konzert der französischen Band „Les Hurlements d´Leo“ noch schnell zu stärken, unsere Wahl fiel auf das griechische Restaurant „Sotiris“ in der Barnerstrasse 42, nur einen Steinwurf vom Konzert entfernt. Das „Sotiris“ gehört diesem jungen Mann:

Erkannt? Genau! Das ist Adam Bousdoukos, der in Fatih Akins Film „ Kurz und Schmerzlos“ einen (Überraschung!) Griechen spielt. Und das ziemlich gut. Trotzdem bleibe ich bei Besinnung, als uns Herr Bousdoukos persönlich nach unseren Wünschen fragt. Etwas anderes wäre es, wenn Fatih Akin hier wäre, ein Respektsanfall wäre unausweichlich, ich verehre diesen Mann, liebe seine Filme und überhaupt!

So aber nehmen wir am einzig freien Tisch, einem Sechsertisch, Platz und freuen uns auf die Fischvorspeisenplatte. Wie eine Diskokugel glitzert der eiskalte Ouzo im Glas, wir stoßen an. Ein muskulöser Türke mit langen schwarzen Haaren auf dem Kopf und deutscher Freundin unterm Arm, klopft auf die Tischplatte, fragt ob noch frei wäre, wir sagen ja, die Beiden setzen sich zu uns, wir fangen schon mal an. Adam Bousdoukos begrüßt die Neuankömmlinge und bringt Lammspieße für uns.

Noch mehr Gäste. Die Tür geht auf, herein kommt Fathi Akin mit Begleitung. Respektsanfall! Ich bin im gleichen Restaurant wie Fathi Akin. Ich kucke zur Tür, dann ganz schnell auf meine Lammspieße. Ich studiere mein leeres Ouzo-Glas und die Maserung der Tischplatte. Wen ich jetzt nicht sehen will, ist Fatih Akin. Der Mann ist privat hier und möchte nicht angeglotzt werden. Der Türke mit den vielen schwarzen Haaren macht mir einen Strich durch die Rechnung. „Fathi!!!“, brüllt er, winkt Richtung Tür, dann geht alles sehr schnell und plötzlich sitzt Fathi Akin neben mir. Ich esse zu Abend mit Fathi Akin. Leider komme ich kaum mehr an meinen Teller ran, weil ich stark geschrumpft bin. Überraschend: Fathi Akin spricht türkisch.

Gut, dass das Konzert gleich anfängt! Wir zahlen dann mal schnell! Als wir uns erheben, tue ich etwas, was mich jetzt noch sehr stolz macht: ich drehe mich noch mal um, sehe Fathi Akin in die Augen und nuschel:
„Schönen Abend noch.“.
„ Euch auch.“, sagt Fathi Akin.

Dann gehen die Lichter aus und Les Hurlements D´Leo betreten die Bühne der „Fabrik“:

Das Konzert ein einziges Wunder von dreistündiger Dauer. Leise Chansons werden gejagt von kraftvollen Ska-Nummern, Rocksteady-Beats, hier ein Tango, da ein Walzer und alles endet nach drei Stunden in einem tobenden Punkrock-Gewitter. Die Geister von Mano Negra und Les Negresses Verts tanzen einen letzten, gänsehäutigen Pogo mit mir. Ach herrlich Kinder, möchte ich rufen, habe aber leider ein neues Problem. Sollten mir die Musiker der Les Hurlements D´Leo mal zufällig beim Griechen über denn Weg laufen, da wäre, aber hallo, schwer was los und der nächste Respektsanfall unausweichlich.

........................................respekt, äh, ritsch.

Links zum Thema:

Les Hurlements D´Leo:

http://hurlements.dleo.free.fr/

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