Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Freitag, 9. März 2007
Von heuchlerischen Äpfeln, einem verpassten Essen mit Alex Kapranos und der Notwendigkeit jetzt Chinesisch zu lernen


Illustration:Andy Knowles, "Sound Bites"-Buchcover

Bei der Wahl meiner Zigaretten bin ich Pedant. Ich rauche nur die eine Marke und die gibt es hier nicht. In meinem Reisekoffer liegen heute noch neun Päckchen Zigaretten, eines für jeden Tag, ich muss noch neun Tage hier rauchen, dann bin ich wieder zuhause, wäre ich Nichtraucher müsste ich im Kalender nachsehen. Was es hier aber gibt, sind Äpfel. Im Supermarkt entdeckte ich heute eine durchsichtige Plastiktüte mit rotwangigen Äpfeln. Die Tüte war bedruckt mit der Aufschrift: „knackig und saftig“. Na so was, dachte ich, wenn mich hier schon mal jemand auf Deutsch anspricht, sollte doch gemeinsamen Wegen nichts im Wege stehen, und ich lud die heimatlichen Äpfel in den Einkaufswagen. Die spanischen Äpfel schauten uns beleidigt nach, uns war das egal. Zurück in meiner kleinen Gastarbeiter-Casita überprüfte ich das Säckchen genau. Woher mochten die Äpfel wohl stammen? Vielleicht vom schönen Bodensee, oder gar aus dem Alten Land bei Hamburg? Nix da. Die ganze Tüte voll mit Italienern. Auf Deutsch beworben, in einem katalanischen Supermarkt. Eben wollte ich den ersten Apfel werfen, da fiel mir ein, dass ich hier in Spanien gerade mit einem deutschen Team Kochbücher für einen britischen Verlag produziere, die dann in China gedruckt und anschließend in Gesamtbabylon verhökert werden.

Vorhin dann noch einen Anruf auf dem Handy: ob ich vielleicht mal einen Tipp hätte, wo man in Hamburg mit Alex Kapranos essen gehen könnte. Kreisch! Alex Kapranos? Mutter Engländerin, Vater Grieche, Sänger einer schottischen Band Namens „Franz Ferdinand“. Liest am 13. März in Hamburg, im Machtclub im Malersaal (Schauspielhaus) und hat danach eventuell Hunger. Er war mal Koch und schreibt kulinarischen Kolumnen für den britischen „Guardian“ die jetzt in deutscher Übersetzung als Buch bei KIWI erscheinen. Vom Essen auf Tournee erzählt er in "Sound Bites", beschreibt wie die Welt schmeckt, abseits der immergleichen Bühne. Ein Jahr lang hat er aufgeschrieben, was er unterwegs gegessen hat. Mit wem und wo. Tolle Sache. Und der Haken?

Ich bin nicht da, ich wäre gerne dort gewesen, ich bin hier, ich rauche an diesem Tag Zigarettenpäckchen Nummer Vier und wahrscheinlich regnet es mal wieder (hier regnet es ständig. Wie in Deutschland!) und Abends gibt es irgendein lieblos zubereitetes Drecksessen in einer „Tapas-Bar“, in der mich kein Mensch versteht, weil ich die falschen Fremdsprachen gelernt habe. Die Wahl der richtigen Fremdsprache ist sehr wichtig, es gibt nämlich auch falsche Fremdsprachen, wusste ich auch nicht. Zur Zeit wird empfohlen Chinesisch zu lernen: „Mandarin! Hochchinesisch! Wichtig ist die Wahl des chinesischen Kindermädchens, nicht dass meine Tochter einen Garküchenslang abbekommt“ erklärte neulich ein amerikanischer Aktienhändler in einem Beitrag der britischen BBC, der im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde.

Keine Ahnung wohin Herr Kapranos letztendlich am Dienstag ausgeführt wird. Vom Chinesen habe ich abgeraten, das können die Chinesen bei Alex Kapranos zuhause einfach besser, trotz des Garküchenslangs. Ich hätte ja für ihn gekocht. Königsberger Klopse. Oder Labskaus.
Jetzt schnippel ich mir erstmal einen heuchlerischen italienschen Apfel zum katalanischen Käse mit französisch anmutendem Baguette, dann bestell ich Kapranos Buch und dann kuck ich mal was in chinesischen Blogs so geht.