Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Montag, 26. Februar 2007
Herr Paulsen hat die Glotze an: Poetry Slam kommt jetzt im Fernsehen


Foto: slamburg.de

Sonntag. Mitternacht. Hach bin ich aufgeregt, nein, nicht wegen der Oscar-Nacht, Poetry Slam kommt ins Deutsche Fernsehen! Als ich 2002 mit dem Dichterwettstreiten begann, wähnte ich diese Kunstform bereits verstorben, aber nein, es waren schöne Jahre und während ich mich schon im Ruhestand befinde, explodiert die Szene derart, dass es sogar ein paar Splitter ins Fernsehen haut. Schöner Anblick: da sitzt die buttermilchfrische Jugend in der Hallelujah-Halle zu Köln und lauscht Herrn Thadeusz der keine Sendezeit hat um zu erklären was denn ein Poetry Slam ist, sich aber leider viel Zeit für "lustige" Interviews mit den Protagonisten des Abends nimmt. Dann beginnen die Spiele, drei Minuten Bühnezeit für die fünf angetretenen Slam Poeten und es wird die Frage geklärt, wie denn bitte, mehr oder minder literarische Vorträge, ins Fernsehformat zu transportieren seien. Literatur und Fernsehen vertragen sich nämlich nur im Gespräch (na, gut, mal abgesehen von der unsäglichen „Wickerts Bücher“-Sendung). Sobald aber jemand was vorliest wird der Bilderrausch zum Standbild und wen es nur so mittel interessiert, der entschlummert schnell.

Keine Chance in der Hallelujah-Halle, die „Mariachis“-Band spielt auf, die Slammer setzen zu entfesselten Wortstürmen an, es regnet Buchstabensuppe über die Wände, Diskolichter drehen durch und die Technik arbeitet mit lustigen Gimmicks aus Photo-Verfremdungsprogrammen. Karsten Hohage („Grohacke“) aus Heidelberg überzeugt mit einem geschmeidigen Gedicht, so könnte es weiter gehen. Dann kommt aus Berlin Dörthe Eickelberg mit Fleischfresser-Bashing-Prosa und man wähnt sich leider im Quatsch-Comedy-Club. Anselm Neft aus Bonn regt sich auch auf und zwar über „Der kleine Prinz“, das Buch hab ich nie gelesen und so rauscht sein Beitrag rückstandsfrei an mir vorbei. Mein Fehler. Dann endlich: Dalibor! Ich liebe Dalibor. Der Mann aus Frankfurt am Main gehört für mich seit Jahren zu den besten Slammern Deutschlands, ein wortgewaltiger Wortakrobat, der auch die leisen Töne kennt und bei dessen Vorträgen sich das Einschalten des Gehirns empfiehlt. Denis Schüßler gewann die Darmstädter Dichterschlacht im Oktober 2006 und Thadeusz wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Schüßler der jüngste Slammer des Abends ist. Schüßler setzt auf Drama und Theatralik, brüllt und schreit und ich verstehe wenig.

Am wenigsten aber verstehe ich die Abstimmung per Applaus. Schon klar, für eine ordentliche Punktevergabe fehlt die Sendezeit, vor dem Fernseher ist aber nur gleichförmiger Applaus für alle Slammer zu hören, die feinen Unterschiede entziehen sich den Gehörgängen der Zuschauer zuhause an den Geräten. Jedenfalls gewinnt Karsten Hohage und schwupps ist die Sendung vorbei.

Ich gestehe, ich hatte große Sorge, ob Poetry Slam im Fernsehen funktioniert. Und nein, es funktioniert natürlich nicht, ist aber trotzdem unterhaltsam und macht hoffentlich mehr Menschen Appetit auf einen Besuch beim Live-Slam ihrer Stadt, denn da brennt wirklich die Hütte. Das wäre dem Poetry Slam zu wünschen.

Neun Sendungen sind geplant, die nächste Sendung ist am Sonntag 04. März, um Mitternacht im WDR.

Alles zur Sendung, Infos über Poetry Slam, Clips und Voting-Möglichkeiten:

http://www.wdr.de/tv/poetryslam/