Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Montag, 16. März 2009
Konzert Review: Tosh meets Marley, Fabrik, Hamburg, 14.03.2009

Ganz ehrlich: ich wäre da auch nicht hingegangen. Ehemalige Bandmitglieder von Peter Tosh und Bob Marley spielen alte Hits, das klingt nach Ausverkauf, eine Zwangsveranstaltung für manische Nostalgiker. Ich wäre nicht hingegangen, hätte ich die Band nicht schon beim Summerjam 2008 erlebt. Dort durfte ich mich davon überzeugen, dass es sich bei „Tosh meets Marley“ nicht um eine von Geldnöten angetriebene Revival-Kapelle handelt, sondern um hochkarätige, sehr aktive Musiker, die einfach schon zu Lebzeiten Legenden sind. Vielleicht waren viele Reggaeheads ähnlich skeptisch, die Fabrik war jedenfalls zum Tournee-Abschlusskonzert der Band nur zur Hälfte ausverkauft, wenige erlebten wie man in nur zwei Stunden Babylon so feierlich wie gründlich abbrennen kann.

Mighty Howard gab als erster Feuer: der 1978 in den Vereinigten Staaten geborene Musiker und Sänger lebt seit 2006 in Hamburg.

Zum Auftakt des Abends spielte er ein akustisches Set mit Reggae-Songs seiner ersten beiden Alben sowie Stücken aus dem neuen Album „Chanting Di Word“, dass demnächst erscheint. Erdiger, seelenreicher Roots-Reggae, intensiv, ja andächtig gespielt. Mighty Howard ist ein begnadeter Sänger, der gerade auch die leisen Töne beherrscht, der während des kurzen Konzertes immer wieder beweist, dass seine kraftvoll-samtige Stimme sogar locker auch ohne jegliche Instrumentierung besteht. Andächtige Stille, Gänsehaut und tosender Applaus. Unbedingt merken:

myspace.com/themightyhoward

Tosh meets Marley betreten die Bühne, Hauptsänger ist an diesem Abend Donovan Carless, der den irgendwie verschütt gegangenen Junior Marvin glänzend ersetzt. Kaugummi kauend und mit Prinz-Heinrich-Mütze behütet gibt sich Bandleader Fully Fullwood (er spielte mit: Bob Marley, Peter Tosh, Michael Rose, Mikey Dread, The Mighty Diamonds, Black Uhuru, Joe Higgs, Dennis Brown, Gregory Isaacs, Frankie Paul, Big Youth, U-Roy, Sister Carol, John Holt, Judy Mowatt, Ken Booth, Andrew Tosh, Del Roy Wilson…) zunächst unbeteiligt, satt und sauber setzt die Gitarre ein. Tony Chin, er spielte mit Bob Marley, Dennis Brown, Burning Spear, Johnny Clarke, Don Carlos, Gregory Isaacs, Freddie McGregor, Judy Mowatt…, versteckt sich wie immer hinter riesigen, schwarzen Brillengläsern und kuckt auch erstmal vorsichtig, was so geht, am dicken Bass. Vince Black betritt die Bühne, ein eindrucksvoller Riese, der ehemalige Black Uhuru-Sänger und Gitarrist wurde für diese Tour als Lead-Gitarrist verpflichtet. Vince Black spielt Zuhause in den Vereinigten Staaten auch gerne mal in Punk und Hardcore-Formationen mit und genießt dort auch noch den Ruf eines exzellenten Blues-Gitarristen.

Drummer Karl Wright (Dennis Brown, Culture, Marcia Griffiths, Gregory Isaacs, Freddie McGregor, Sugar Minot, Eek A Mouse, Nahki, Shabba Ranks, Junior Reid, Shaggy, and Super Cat), sitzt, jugendfrisch und dynamisch, hinter beeindrucken mächtigem Schlagwerk und hat zudem Verstärkung mitgebracht, der Brasilianer Claudio Peppe steht sonst auch gerne mal bei Damian und Julian Marley hinter den Congas. Jawge Hughes und Georges Kouakuo spielen die Keyboards, wobei mich besonders Hughes Qualitäten als Sänger beeindrucken. In alter jamaicanischer Tradition haben während des Konzertes alle Mitglieder ihre „five to ten minutes of fame“ in Form von emsig beklatschten Solis und wer singen kann der singt eben auch ein Stück. Und Jawge Hughes kann singen. Sein Medley beginnt mit einem augenzwinkernden „Jamaican in New York“ („You drink coffee, I smoke weed my dear“), klassischer Ska und Roots Reggae Stücke gehen nahtlos in höchst modernen Dancehall über, der Mann aus St. Thomas spielt und singt sich mit Leichtigkeit durch die Reggae-Music-Historie. Klasse!

Warm und satt tönen die alten Hits, imposant auf den Punkt gespielt sind die Klassiker von Peter Tosh und Bob Marley. Höhepunkte des Konzerts sind aber immer wieder die Soloauftritte der einzelnen Bandmitglieder. Den größten Moment des Abends beschert zumindest mir der Sänger Donovan Carless mit einer umwerfenden Live-Version seines Rocksteady-Monsterhits „Be thankful for what you´ve got“ von 1972. Ursprünglich von R&B Sänger William DeVaughan gesungen, erlebte der Song vor allem in der 1991 erschienenen Version der britischen Trip Hop Band Massive Attack große Bekanntheit. Hier die charmante Version von Carless:

Ganz groß auch Vince Black, tolle Stimme, auch ihn hätte ich gerne abendfüllend erlebt, immer mehr zeigt sich, was für ein Glücksfall dieser Abend ist, sämtliche Besucher des Konzerts hängen jetzt vorne an der Bühne, ein großes Fest, auch die Band selbst freut es sichtlich, emsig wird aus beiden Richtungen, in beide Richtungen, gefilmt und fotografiert.

Es mag auch für den Abend sprechen, dass Sir Peter und ich mehrere Nicht-Reggae-Hörer mit Freikarten zur Veranstaltung gelockt hatten: sowohl unsere Ladys, wie auch ein gemeinsamer Freund, alle waren am Ende des Abends begeistert. Auch Vince Black der sich direkt von der Bühne runter unters Volk mischte. Sir Peter, der ja öfter mal auf Reggaekünstler zugeht, organisierte spontan dieses schöne Foto von uns Dreien:

Geradezu bezaubernd finde ich, das Vince Black im Anschluss an diese Aufnahme völlig überraschend um ein Foto von uns mit seiner Kamera bat! Na, da werden die Freunde von Vince Black in Orgeon aber Augen machen, dass Vince Black uns getroffen hat.

Credits: alle Fotos fragwürdiger Qualität zu diesem Eintrag kommen von Sir Peter und mir. Fotos von einem Tosh meets Marley Konzert auf denen auch was zu erkennen ist, finden sich bei reggaephotos.de