Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Sonntag, 28. Dezember 2008
Gelesen: Heimweg von Harald Martenstein

"Als Joseph aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkommt, ist er trotz Lungendurchschuss topfit verglichen mit dem, was sonst noch aus dem Zug steigt. Dass er von seiner Frau Katharina, der schönen Tänzerin vom Rhein, nicht abgeholt wird, überrascht ihn kaum. Er ist Realist. Aber das Eifersuchtsdrama, in das er hineingerät, verblüfft ihn doch ein wenig."

Geschichte entsteht aus Ereignissen, jedes Ereignis ist Resultat vorhergegangener Ereignisse und kündet von dem was kommen mag. Für meine Generation, der um die 1970 Geborenen, sind es die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, in denen Geschichte beginnt eine deutliche und persönliche Relevanz zu entwickeln. Der Beginn einer spürbaren Einflussnahme der Zeitgeschichte, die das eigene Leben bis heute beeinflusst und prägt: die Großeltern die man noch selbst kennen und erleben konnte/kann, die Großeltern die ein Leben nach dem Krieg und mit der Kriegsschuld versuchten, das Land wieder aufbauten, Identität suchten. Und in jener Zeit jene Kinder großzogen und prägten, die unsere Eltern geworden sind. Geschichte, so unmittelbar, nachvollziehbar und formend, beginnt für meine Generation in den Nachkriegsjahren.

Harald Martenstein erzählt in seinem Debütroman „Heimweg“ raffiniert und klug von den Kinderjahren der Republik und dem Fortleben dieser Vergangenheit bis zu den Enkeln. Die Geschichte von Joseph der aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück kehrt und neben der Rückkehr ins Leben auch die verloren gegangene Liebe seiner Frau sucht, ist melancholisch-nüchtern, und voller höchst komischer Momente, detailgenau beschriebene Wirtschaftswunderzeit. Bevölkert von schönstens verschrobenem Personal und Geistern aus Zukunft und Vergangenheit, erzählt der Roman auch und vor allem von der Liebe. Jener Liebe die jugendfrisch hell entflammt und wie ein Sturm für kurze Zeit tobt. Aber auch jener Liebe die, kaum spürbar mehr, verlangt sie ein Leben lang zu leben.

Ein wunderbarer Roman, spannend und vergnüglich, anrührend und komisch. Heimweg liest sich wunderbar leicht weg und hallt doch lange nach.

Heimweg
Harald Martenstein
C. Bertelsmann Verlag, München 2007
ISBN-10 357000953X
ISBN-13 9783570009536
Gebunden, 224 Seiten, 18,00 EUR