Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Mittwoch, 3. September 2008
Mixed Pickles (12) Spezial: Das kleine E-Mail-Tourette

Howdy Partner!

Howdy Partner!, Hey! und Halli-Hallo! sind keine Begrüßungsformeln die außerhalb des eigenen Freundeskreises Verwendung finden sollten. Zu Beginn der E-Mail-Ära empfahl sich die betont lässige Verwendung der Du-Anrede in E-Mails, altmodische Briefgrüße wie „Sehr geehrte Damen und Herren“ wurden durch ein einfaches „Hallo“ ersetzt werden, dann wildes Rumgeduze unabhängig von Berufsstand und Begehr. Damals hatten aber die meisten Menschen gerade mal eben ein Fax-Gerät als Zeichen einer dämmernden Kommunikations-Revolution angeschafft. Die mit E-Mail kannten sich alle!

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Der Firmenlogo-Puff

Wenn dann mal in einer Mail, höflich gesiezt wird, die passende Anrede gefunden und ganz eventuell sogar die Groß- und Kleinschrift beachtet wurde (Sensation!) droht leider immer öfter Augenkrebs durch schmückendes Beiwerk.
Blinkenden Bildgirlanden und hüpfende Smileys empfange ich persönlich jetzt weniger, und wenn dann sind die von meiner Mutter und rühren mich, nein immer häufiger kommt es zum Firmenlogo-Schilderwald innerhalb einer Mail. Gerade große Konzerne sehen sich oft in der Pflicht, auch noch den zwanzigsten Zulieferer-Betrieb bildlich in Form eines Logos oder einer Vignette am Ende der Mail vorzustellen. Sieht dann gerne aus wie auf der Reeperbahn nachts um halbeins.
Abgelegt werden die bunten jpgs für die digitalen Plakatwand-Landschaften im Anhang. Da liegt dann manchmal aber auch ein wirklich wichtiger Projektentwurf. Den finde ich dann leider immer nie im Firmenlogo-Puff. Besonders wenn ohne Hinweis auf etwaige versteckt mitgeschickte Projektentwürfe gemailt wird. („Doooch! Hatten wir mitgeschickt. Im Anhang, jaaa, gaaanz unten, sehen Sie, ah, jetzt, ja, sach ich doch!“)

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Und dann noch den ganzen Kladderadatsch in Cc

Bei jungen, unsicheren Menschen mit flackerndem Blick auf Ersteinstellungsposten sehr beliebt. Einfach jede Mail auf Cc setzen, alle sollen es erfahren! Die Kollegen, der Abteilungsleiter der Chef, die Kantine, die Zulieferer, die Freiberufler, der Freundeskreis.
(Cc: Hallihallo!)
Liebe junge Menschen: es mag Unsicherheit sein, vielleicht träumt ihr auch einfach vom gläsernen Betrieb. Die Außenwirkung ist verheerend. Man wird Euch für Unsicher halten. Entscheidungsdrückeberger, wenn es schief geht. Schleimer, wenn es gut läuft. In jedem Fall wird man Euch hassen, weil kein Mensch Bock hat, das ganze Geraffel anzulesen und dann in den Papierkorb zu drücken. Bitte sein lassen.

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Du und alle Deine Freunde

Auch schlimm: Massen-Mails. Schlimmer: mit lesbarer Empfängerliste. Social Networking für Vollidioten. Neulich erhielt ich eine Einladung zu einer Party. Ich bin nicht hin, weil ich in der Empfängerleiste bereits sehen konnte wer noch so alles eingeladen war. Sollen überhaupt nur wenige Gäste da gewesen sein, erfuhr ich später.

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Leseschwäche

Aber eigentlich auch alles: egaaaaal!
Liest nämlich sowieso keiner, diesen E-Mail-Quatsch. Immer weniger Menschen beherrschen das konzentrierte Lesen einer E-Mail. Ist schon klar: Blogs, RSS-Feeds, wichtige Twitter-Bekanntmachungen (Wetter im Nachbarstadtteil, Kaffeeverkostungsnotizen, Hinweise auf Blogs und RSS-Feeds) sind wichtig für das seelische Gleichgewicht eines jeden Arbeiters. Kosten aber Arbeitszeit und schaffen Aufmerksamkeitsdefizite. Mails einfach schnell mal zu überfliegen wird immer beliebter. Beispiel:

Auf eine schlichte Mail folgenden Inhaltes:

„Kollege Becker kommt dann Freitag mit dem Auto direkt zum Meeting, die Kollegin Schmidtbauer müssten wir um 9:15 Uhr vom Flughafen abholen, können Sie das übernehmen oder soll Frau Heinrich fahren?“

antworten immer mehr Empfänger mit folgender Rückmail:

„Howdy Partner! So machen wirs!“