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Freitag, 2. Mai 2008
"Vergessene Fahnen" – eine Deutschlandreise auf den Spuren des „WM-Sommermärchens“
herr paulsen
09:52h
Die Deutschen haben es schwer mit ihrer Fahne, seit den Grauen des Dritten Reiches flattert es nur verhalten schwarz-rot-gold auf Deutschen Dächern, einen Großteil der Bevölkerung befremdet die Flagge als Zeichen des Nationalstolzes eher. Im Sommer 2006 war alles anders, Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land, ein Sommermärchen, ein überhitztes, in dem vieles Möglich schien, bierseliger Weltfrieden zum Beispiel, aber eben auch die Gesamtbeflaggung Deutschlands. Ist ja nur Fußball, schwor man, machen doch alle, entschuldigte man sich. Ja, die Deutschen machten es sich nicht einfach und nach der WM wurde zügig und mit deutscher Gründlichkeit entflaggt. Man sei als Nation zusammen gewachsen, wusste die Presse zu berichten, einen Fahneneid wollte dann aber doch keiner schwören auf das herbeigeschwafelte „Wir“-Gefühl. Ein halbes Jahr später, im Winter 2006, begeben sich der Filmregisseur Florian Thalhofer (u.a. "13terStock", "13ter Shop") und die Fotografin Juliane Henrich auf eine über 2500 km lange Deutschlandreise, auf die Suche nach den „vergessenen Fahnen“. Sie unterhalten sich mit Menschen, die die Nationalflagge einfach haben hängen lassen, nach dem „Sommermärchen“. Thalhofer fragt: „Was sind das für Leute?“ und schon die Frage macht klar, dass wir es mit einem zutiefst deutschen Film zu tun haben. Wer in Deutschland außerhalb einer Behörde flaggt, gerät unter Verdacht und in Erklärungspflicht. „Diese Leute haben mir Angst gemacht“, sagt Thalhofer gleich zu Beginn des Filmes, spricht von "einem merkwürdigen Gefühl". Thalhofer findet Vorurteile (auch die eigenen), die sich als erschreckend berechtigt erweisen, erwähnt sei hier das junge, gut situierte Paar aus Baden-Württemberg, „Deutsche Wertarbeit“ ist einer ihrer Lieblingsbegriffe und in den „Osten würden wir niemals reisen, die reden da so komisch“, schwäbelt die 18jährige treudoof vor sich hin. Neben Dummheit und latentem Rassismus findet Thalhofer aber auch hörenswerte Zwischentöne über die Sehnsucht nach Identität und spürt bewegende Lebensläufe auf. Wie die des türkischstämmigen Klaus Salman, der einmal Remzí Salman hieß und dann Deutscher wurde und dessen Schicksal mich bedrückte und sprachlos machte. Oder die Geschichte des Herrn Mendel, dessen Leben von der Stasi geprägt war und über dessen Haus die wahrscheinlich größte, private Deutschlandflagge flattert: „Nicht für Deutschland, sondern Deutschland zum Trotz!“. Thalhofers Film regt vor allem dazu an, über die eigene Position nachzudenken, über die Macht der Symbolik, die eigene Geschichte und welches Fazit man persönlich zieht. Auch die eigene Fahne hat zwei Seiten. Vergessene Fahnen: „Vergessene Fahnen“ ist jetzt als Ausgabe des niederländischen Art Magazins „Mediamatic Off-Line (vol11#3) erschienen. Dem einführenden Text von Krystian Woznicki (auf englisch und deutsch (Übersetzung Nina Köhler)) liegt der Film als DVD-Rom bei, der auf Mac und Windows abspielbar ist. Der Film ist ein so genannter Korsakow-Film von ca. 90 Minuten, ein interaktiver Film in dem der Zuschauer bestimmt, was er weiter sehen will. Deutsch mit englischen Untertiteln (Übersetzung: Anja Tachler) Den Deutschen Vertrieb hat der mairisch Verlag übernommen, dort kann das Magazin mit der DVD für 11 Euro bestellt werden. Links zum Thema: Vergessene Fahnen: http://www.vergessene-fahnen.de/ http://www.forgotten-flags.com/ Erschienen bei: http://www.mediamatic.net/ Erhältlich über: http://www.mairisch.de/ Florian Thalhofer: http://www.thalhofer.com/ http://de.wikipedia.org/wiki/Florian_Thalhofer Juliane Henrich: http://www.juleh.de/ Und was sind eigentlich Korsakow Filme?: http://www.korsakow.com/ Die Ausstellung zum Film in Amsterdam (noch bis 11. Mai): http://www.mediamatic.net/artefact-14464-nl.html
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