Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
Sonntag, 28. Oktober 2007
Wie ich vergangenen Samstag am Flughafen Barcelona nur knapp meiner Verhaftung entging.
herr paulsen
10:34h
Es arbeiten ausnahmslos nur schlechte Menschen im Sicherheitsbereich des Flughafens von Barcelona, verhärmte, mürrische, böse Menschen die Ihre Daseinsberechtigung ausschließlich über bleichgrüne Fantasieuniformen definieren, kleine Despoten, Mini-Diktatoren der Willkür allesamt, die Tyrannen der Sicherheitsschleusen. Ich vermag nicht zu sagen, wie oft ich hier in den letzten Jahren gedemütigt, angeschnauzt und vorgeführt wurde. Fakt ist: ich habe immer schon ein bisschen schlechte Laune wenn ich mich der Sicherheitskontrolle nähere. Auch diesmal wieder. Gebrüll auf Katalan. Niemand spricht hier mehr als eine Sprache und die Sprach heißt Katalan. Schuhe aus. Alle. Das dauert ewig. Fußpilzsporen wandern zwischen den Wartenden. Ich bin dran, meine Tasche verschwindet im Tunnel, ich gehe durch die Detektor-Tür, die schweigt, ich will eben meine Tasche aufnehmen, da schüttelt der Mann am Band den Kopf. Nö. Der Mann ist unglaublich dick, blickt aus dumpfen Schlupfaugen zu mir herüber, taxiert mich, den Mund leicht geöffnet, lange Vorderzähne, blassblaues Zahnfleisch, er bewegt sich in Zeitlupe, zeigt auf meine Tasche, schüttelt den Kopf und mault herum, auf Katalan. Ich antworte auf Englisch: „Hör mal, wenn dir in meiner Tasche irgendwas nicht passt, dann mach sie auf und hols dir raus.“ Das macht er auch. Er öffnet laaangsam die Tasche und fischt das Mitbringsel für die Liebste heraus, reißt die hübsche Geschenkverpackung auf. Ich krieg Puls. Lange betrachtet er das Glas mit dem Schokoladen-Himbeer-Brotaufstrich den ich in einer Schokoladenmanufaktur in Barcelona gekauft habe, dreht es hin und her, grinst süffisant und schüttelt dann den Kopf. Irgendwas auf Katalan, das Glas gehört jetzt ihm. Ich werd laut. Schlupfauge zückt eine Handgepäckbestimmungsbroschüre auf Katalan. Ich greife mein Glas und halte es Schlupfauge vor sein Schlupfauge: „kannst Du lesen? Ja? Hier: Gramm! gr. Gramm! Und hier! In Deiner Broschüre! Was steht da? Milliliter! ml! Milliliter. Gramm. Milliliter. Gramm! Ok?“ Das bin nicht ich der das Folgende macht, es ist ein Reflex, ein unsteuerbarer, unheiliger Zorn überfällt mich, ich bin nicht mehr Herr meines Handelns, die Katastrophe nimmt ihren Lauf: mit fahrigen Bewegungen greife ich die zerissene Geschenkverpackung, forme energisch knetend ein Bällchen, hole aus, der Wurfarm fliegt nach hinten, ich nehme Schwung und ziehe durch. Das Papierbällchen trifft Schlupfauge mit voller Wucht an der Stirn, prallt ab und fällt zu Boden. Schlupfauge ist jetzt wach. Erstmals schließt sich sein Mund, öffnet sich dann wieder, Schlupfauge lässt mich nicht aus den Augen, mit dem rechten Arm fischt er am Boden nach dem Bällchen, greift es, nimmt Schwung, zieht durch und schmeißt jetzt mir das Bällchen an die Stirn. Diese Szene hätte ich gerne auf Film. Schlupfauge und Paulsen bewerfen sich mit Geschenkpapierbällchen, zwei zornige Kindergartenkinder in der Sicherheitszone des Flughafens Barcelona. Leider entpuppt sich Schlupfauge als feige Memme und holt seinen großen Bruder. Er wedelt nur kurz mit dem linken Arm, schon kommt die Polizei. Mist. In weinerlichem Tonfall petzt Schlupfauge alles. Der Polizist muss sehr lachen. Dann wird er schlagartig ernst, dreht sich zu mir, mitkommen. „OK. Ich komme mit, aber mein Schokoaufstrich auch!“ erkläre ich auf Englisch und greife mir, an Schlupfauge vorbei, das Glas. Schlupfauge deutet pantomimisch eine Ohrfeige an, ich lächle kalt.
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