Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Samstag, 24. März 2007
Bücherstöckchen

-Gebunden oder Taschenbuch?
Gebunden. Oder Taschenbuch. Hauptsache gesund, sagte meine Oma immer.

-Amazon oder Buchhandel?
Buchhandel, ausschließlich. Von wegen „support your local dealer“, aber auch einfach weil ich so selten zuhause bin, dass ich die Bücher von amazon dann immer bei der Post abholen müsste. Und ich verbringe meine Zeit dann doch lieber in der Buchhandlung als auf dem Postamt.

-Lesezeichen oder Eselsohr?
Lesezeichen und zwar alles was rumliegt. Nimmt man die Bücher dann Jahre später in die Hand, schenkt man sich manchmal selbst Erinnerungen an die Zeit in der man sie gelesen hat. Neulich in einem Buch von Stuckrad-Barre einen Schein der Währung eines hiesigen Strippclubs gefunden (Dollhouse-Dollar). Aufschlussreich.

-Ordnen nach Autor, nach Titel oder ungeordnet?
Wohnungen von Menschen die ihre Bücher nach Farben sortiert haben, verlasse ich wortlos und zügig. Bei mir ist alles weitestgehend ungeordnet. Allerdings gibt es in meinem Bücherregal drei Extra-Abteilungen: Kochbücher, Hamburger Autoren, KAFFEE.SATZ.LESEN-Gäste. Wer nicht sortiert, findet zwar so schnell nichts wieder, macht aber so manche Entdeckung im heimischen Buchregal.

-Behalten, wegwerfen oder verkaufen?
Auf den Dachboden.

-Schutzumschlag behalten oder wegwerfen?
Der Schutzumschlag wird während des Lesens getrennt aufbewahrt, gerade in Zügen und U-Bahnen schätze ich es sehr, dass nicht jeder sieht was ich gerade lese. Später feierliche Zusammenführung im Buchregal oder auf dem Dachboden.

-Kurzgeschichten oder Roman?
Beides. Ich liebe Kurzgeschichten, sie sind so schön kurz. Eine geht immer noch und ich schätze an der Kurzgeschichte die Reduktion auf das Wesentlich. Romane sind wunderbar um sich mehrere Tage in einer anderen Welt zu verlieren. Leider reicht oft die Zeit nicht.

-Sammlung (Kurzgeschichten von einem Autor) oder Anthologie (Kurzgeschichten von verschiedenen Autoren)?
Beides. Gäbe es keine Anthologien, sänke die Chance auf eine Veröffentlichung für junge Autoren gen Null. Und Veröffentlichungen sind nun mal wichtig für junge Talente, viele Literaturpreise setzen Veröffentlichungen als Teilnahmebedingung voraus, Verleger fragen generös: "Und junger Mann, schon ma so richtig veröffentlicht?". Die Leser haben auch was von Anthologien. Entdeckungen.

-Harry Potter oder Lemony Snicket?
Snicket musste ich googeln. Die Zeit möchte ich gar nicht haben. Und wenn ich was über Zauberei lesen will, dann die Bücher von Hérve This-Benckhard. Der bessesene Gourmet und Wissenschaftlern nährt sich der Kochkunst auf analytischem Wege und macht dabei überraschende Entdeckungen.

-Aufhören, wenn man müde ist oder wenn das Kapitel endet?
Ich mache mich vorher schon schlau, wann das Kapitel zu ende ist, dementsprechend blättere ich an ganz müden Abenden lieber in Zeitschriften.

-„Die Nacht war dunkel und stürmisch“ oder „Es war einmal“?
Würde ich beides nicht zwingend weiter lesen. Ein schöner, erster Satz ist dieser hier: "Holm mochte, wenn es bewölkt war, dann konnte man ihn aus dem All nicht beobachten."
(Ein Mann wie Holm, Matthias Keidtel)

-Kaufen oder Leihen?
Kaufen. Die Gefahr ein liebgewonnenes Buch zurückgeben zu müssen, ist zu groß, zudem müssen Schriftsteller ja auch von was leben.

-Neu oder gebraucht?
Neu. Gebrauchte Bücher haben ihre Seele schon beim Vorbesitzer ausgehaucht.

-Kaufentscheidung: Bestsellerliste, Rezension, Empfehlung oder Stöbern?
Bestsellerlisten bilden die größtmögliche Schnittmenge des Massengeschmacks ab. Das hat seine Berechtigung. Ich vertraue eher auf die Empfehlungen von Freunden, sowie den Blogs und Zeitungen meines Vertrauens. Ich entdecke lesenswerte Autoren auf Lesungen. Stöbern ist ruinös.

-Geschlossenes Ende oder Cliffhanger?
Geschlossenes Ende, alles andere macht mich wuschig.

-Morgens, mittags oder nachts lesen?
Nachts, ausschließlich. Ich wünschte meine Bücher würden mal Tageslicht sehen, aber das Leben will es nicht.

-Einzelband oder Serie?
„Fünf Freunde“ war meine letzte Serie.

-Lieblingsserie?
Hab ich nicht.

-Lieblingsbuch, von dem noch nie jemand gehört hat?
Das letzte Kochbuch an dem ich mitgearbeitet habe.

-Lieblingsbuch, das du letztes Jahr gelesen hast?

Mein Buch des Jahres, ein Buch dass für mich das Ende des Schreibens bedeutete (mittlerweile habe ich mich erholt) aus Demut vor soviel Genie, oder, wie ein befreundeter Verleger es damals ausdrückte: „es macht keinen Sinn mehr zu schreiben, wenn man nicht wenigstens versucht, ein bisschen wie Saša Stanišic zu schreiben“. Was er meint ist die Fülle wuchtiger Bilder, die Liebe zum Detail und einen puren Sprachfluss der sich alle Zaubertricks und Kunststückchen der Literatur verbietet, ohne Effekthascherei eine große Geschichte erzählt. „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ heißt dieses Wunderwerk, welches im gesamtdeutschen Feuilleton gepriesen wurde, das spielt aber keine Rolle, es ist tatsächlich meisterhaft.

-Welches Buch liest du gegenwärtig?

"sound bites“ von Alex Kapranos. Als er neulich in Hamburg war, habe ich Ihn verpasst. Ein lieber Mensch erzählte Kapranos von mir und ich besitze jetzt ein handsigniertes Exemplar: „Paulsen, see you next time“, steht da und ich freu mich drauf und drüber. Danke Hartmut!

-Absolutes Lieblingsbuch aller Zeiten?

Und zwar die Erstausgabe aus meinem Geburtsjahr. Illustriert von Künstlern dieser Zeit (Tomi Ungerer, David Hockney, Roland Topor to name but a few), ein bunter, psychedelischer Augentrip. Es wurde DAS Bilderbuch meiner Kindheit und ich besitze es heute noch. Auch besaß ich „Die kleine Raupe Nimmersatt“ und „Wo die wilden Kerle wohnen“ und so ziemlich jedes Kinderbuch das in 70er-Foren je erwähnt wurde. Sie alle sehen aus wie neu. Alan Aldriges Songbook aber, mit seinen wilden Comics, traumhaften Photographien und kunterbunten Zeichnungen ist wunderbar abgenutzt. Zudem habe ich es in meinem Kinderzimmer persönlich nachcoloriert und Fehlendes ergänzt. 1975, meiner künstlerischen Unpässlichkeit wohl bewusst, versuchte ich, meine damalige Grundschul-Klassenlehrerin, einem Drachen kurz vor der Rente, mit einem abgepausten Bild zu versöhnen. Da sieht man zwei Menschen, und der ohne Gitarre fragt in einer Sprechblase: „Can´t you play any Northern Songs“. Meine Eltern wurden vorgeladen.