Whatever gets you through the night...
20:00 Uhr, Javahouse, Eimsbüttel
Wir haben keine Ahnung, aber macht mal. Kost ja auch nix. Der Laden ist brechend voll, das Eimsbütteler Publikum betritt Neuland. Poetry Slam, da hat man mal was drüber gelesen, das gibt es wohl irgendwo auf dem Kiez. Die Moderatorin erklärt den Ablauf und hat Schwierigkeiten eine Jury zusammen zu stellen. Wie, ich muss hier auch was machen, denken die Menschen, die dem Kommenden in gemütlichen Sofas entgegen dämmern. Nur zögerlich und auf mehrfache Anfrage gehen wenige Arme hoch. Dann lesen vier wackere Autoren durchgehend wundervolle Texte. Nur vier Autoren. Die Gott sei Dank, gaaanz zufällig, jeweils zwei Texte mit im Gepäck haben. Die erste Runde vergeht überwiegend in lethargischer Stille, das Publikum scheint sich verlaufen zu haben. In der Pause aber muss der freundliche Barmann irgendwas in die Gläser gekippt haben, die Meute ist wie ausgewechselt, die Dichter werden ordentlich gefeiert, Lachtränen rollen, Buhrufe für schlechte Bewertungen, der Slam ist angekommen in Eimsbüttel. Etwas gemütlicher, etwas leiser, etwas älter als die anderen Slams, irgendwie ein bißchen Ü-30, aber genau darin liegt die Chance für dieses neue Format. „8 Min. Eimsbüttel“ gibt es wieder am 19. Mai, dann hoffentlich mit mehr mutigen Vorlesern.
22.30 Uhr, Tippel, St.Pauli
St.Pauli hat Wattenscheid geschlagen, 2:1, das gilt es jetzt zu betrinken. Aufgequollene Einzelschicksale sitzen in schillernden Bierlachen und befüllen sich mit roten Schnäpsen. Minderjährige Glatzen imponieren ihren grell geschminkten, minderjährigen Begleiterinnen mit gelallten Schlachtenrufen. Rotfront, na-na na-naaaa! Was mach ich hier? Wir sind hier, weil die Liebste einem Freund in Liebeskummerfragen helfen soll. Der junge Mann folgt ihrem verbalen Krisenmanagement mit einem zugekniffenen Auge, „sonst fall ich um.“. Ich trinke vor lauter Langeweile drei Astra, die mir fremde Menschen ungefragt in die Hand drücken und prahle mit explizitem Wissen über das Spiel, dass ich gar nicht gesehen habe. Meine neuen Freunde sind sehr beeindruckt. Hinter ihnen, über ihren Köpfen, läuft im Fernseher der Teletext.
00:15 Uhr, Stage Club, Neue Flora
Die Band spielt noch! Federleicht schwingt der Bass, schmeichelnd seufzt das Saxophon, fette Bläser über perlendem Klavier. Und auf der Tanzfläche schweben, ja schweben, wunderschöne junge Menschen völlig losgelöst umeinander, so etwas habe ich noch nicht gesehen, die Paare scheinen tatsächlich zu fliegen, dann wieder eng aneinander geschmiegt wirbeln sie durch den Ballsaal. Das ist das schönste, was ich jemals an Tanz gesehen habe. Diese wilde, improvisierte Eleganz, diese scheinbare Schwerelosigkeit. Allein das Zusehen erfüllt mich mit einem ungeahnten Glücksgefühl, ich ahne aber sehr wohl, dass ich gerade meine Zukunft gesehen habe. Herr Paulsen entdeckt den Lindy-Hop. Ich höre seit Jahren Swing, nie habe ich es auf einen Dance geschafft und jetzt stehe ich hier und kucke die Liebste an und sie nickt mir wissend zu.