Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Mittwoch, 27. Juli 2005
Das kleine Frühstücks-Tourette

Wieder mal ein Stöckchen, via http://schokolatajaja.blogg.de/ diesmal geht es um Frühstück.

Und da komme ich so richtig in Wallung! Frühstück, diese völlig überschätzte Mahlzeit, diese von der Gesundheitsfraktion gehypte Zwangsfütterung, gerne auch unter Zeitdruck eingeatmet, lehne ich ab. „Die wichtigste Mahlzeit des Tages!“. Ich glaub es hakt! „Iß morgens wie ein Kaiser, Mittags wie ein König und Abends wie ein Bettelmann!“. Ja, das könnt ihr gerne ohne mich machen.
Je nach Glaubensbekenntnis schaufeln sich Menschen in der Früh pampige Müslis durch die müden Lippen, andere vertilgen in der Entknitterungsphase ganze Menüs, fettige Würstchen, schwitzenden Lachs und die Generation Kamps kaut klaglos die inhalts- undgeschmacksfreie Brötchenimitate der Industrie. Hier läuft die Ware nicht vom Band, hier schafft man noch mit Herz und Hand. Ja genau. Damals. Nein, nein, ich bin raus aus der Nummer und zwar seit dem Tag, als ich mein Elternhaus verließ.

Und wo in südlichen Gefilden elegant an einem Hörnchen oder Croissant geknabbert wird, dazu ein schwarzer Espresso, da schlägt beim Deutschen schon in der Früh die Gier durch. Als bräche gleich der Krieg aus, frisst man sich durchs Frühstücks-Schlaraffenland und diese Morgen-Mentalität verschaffte uns den Brunch. Nur vermeintlich ein Exportschlager, in Wirklichkeit eine zutiefst deutsche Angelegenheit.
Ich war seit 1 1/2 Jahren nicht mehr auf einer Abendeinladung! Es wird von mir erwartete, dass ich mich im Anschluss an fröhliche Berufsjugendlichen-Veranstaltungen, nach einer Ruhezeit von drei Stunden auf einen Brunch begebe, Kinder lobe und fröhlich bin. Pfui, rufe ich!

Außerdem langweilt mich Frühstück. Marmelade langweilt mich, Aufschnitt langweilt mich, Getreide und Körner langweilen mich. Schinken und Käse? Sehr gerne! Zu einem guten Glas Wein am Abend.

Morgens schläft mein Magen gerne länger, denn er hat jeden Tag viel vor. Ich bin kerngesund und wer gesund ist, hat Recht.

1. Was frühstückst Du an einem normalen Tag?

Milchkaffee, Zigarette, Mail, Antville. Milchkaffee und Zigarette sind eine sehr gesunde Kombination, sie fördern die Verdauung und schaffen Platz für kommende kulinarische Abenteurer. Gegen 11:30 Uhr bekomme ich dann auch so richtig Hunger und kann mir den ganzen Vormittag überlegen, was ich Mittags esse oder am Abend in Ruhe kochen und genießen möchte.

2. Was frühstückst Du an deinem freien Tag?

Milchkaffee, Zigarette, Mail, Antville. Außnahme, der Sonntag. Die Liebste schätzt am Sonntag ein augedehntes Frühstück. Da ich weiß, dass die Geheimnisse einer glücklichen Liebe Kompromissfähigkeit und Verständnis sind, füge ich mich an diesem Tag gerne, zumal es da auch eher schon Mittag ist.

3. Wann frühstückst Du?

So um 8:00 Uhr.

4. Bist Du mit bestimmten familiären Glaubenssätzen oder Traditionen zum Frühstück aufgewachsen?

Ahhhhhhhhrrrgggg! Ein Albtraum und vielleicht der Schlüssel zu meiner Frühstücksverstockung. Die frühkindlichen Frühstückserfahrungen im Elternhaus sind noch heute lebendig. Meine Eltern waren der Meinung, das man auch Sonntags früh aufstehen kann, spätestens um 9:00 Uhr versammelte man sich im Wohnzimmer zu Schlachteplatte, Fleischsalat, Lachs, glibberigen Eiern und gaumenätzendem Bergkäse aus dem Bregenzer Wald. Papa toastete sich in seiner Ecke schweigend einen Wolf, überhaupt wurde viel geschwiegen, es war ja noch früh und es lief ja auch Musik. Klassische Musik. Klassische Musik von der Sorte, die sogar einen Achtjährigen sofort in tiefe Depressionen stürzen können. Gerne Schuhmann. Neulich hörte ich im Fernsehen, das Schumann sich die Haut zwischen den Fingern einschnitt um schnelle spielen und weiter greifen zu können. Das konnte ich damals schon hören. Als ich in die Pubertät kam, saßen wir wieder in der Küche, es gab es keine Musik mehr, dafür Gespräche. Gerne von 9:00-14:00 Uhr. Über meine schulischen Leistungen, mein Versagen, meine Unfähigkeit, es in diesem Leben weiter zu bringen als auf einen Müllwagen. „ Erst rauchen, dann trinken und dann zur Müllabfuhr“, pflegte meine Mutter zu sagen und mein Vater fügte hinzu, „ Kannst Du Dir den Schinken nicht so dick aufs Brötchen legen, das sind mir die richtigen, bei der Arbeit frieren, beim Essen schwitzen.“ Ich bekam keinen Bissen hinunter.

5. Welche Erinnerungen verbindest Du mit Pausenbroten oder Lunchboxen?

Hier muss gebrochen werden. Und zwar eine Lanze. Für meine Mutter. Jahrelang stand sie um 6:00 Uhr auf um ihren drei Kindern Schulbrote zu schmieren. Die waren lecker, man durfte sich was wünschen und ich habe immer alle aufgegessen und nie mit jemandem getauscht.

6. Was wäre für Dich ein luxuriöses Frühstück?

Das hatte ich neulich. Die Liebste und ich waren für ein Wochenende im Grand Hotel Kempinski in Heiligendamm eingeladen. Da gibt es ein Langschläferfrühstück, der Begriff Brunch wird dort elegant umschifft. Um 13:00 Uhr genossen wir dort feinste Räucherfische (Zarenlachs, Butterfisch, Heilbutt), es gab papierdünnes Bündnerfleisch, perfekt gereifte Käse aus aller Welt, dazu warme Speisen wie Heilbutt auf Senfspinat, butterzartes Kalbsfilet mit würziger Jus und Gratin, undundund. Neben dem Tisch, im silbernen Kühler, eine aufgzogene Flasche Riesling von Robert Weil und zum Nachtisch frisch gebackene Waffeln und Palatschinken. Geht doch.

7. Wie, wo und wann würdest Du am liebsten frühstücken?

Siehe Punkt 6.

8. Kannst Du Dich an ein ganz besonderes Frühstück in Deinem Leben erinnern? Was war daran bemerkenswert?

Die Entdeckung des britischen Frühstücks. Ende der Achtziger besuchte ich mit einem Freund London. Auf dem Flug betranken wir uns mit Gordons Gin und am nächsten Tag hatten wir Hunger und einen Kater. In der kleinen Pension servierte man uns gebackene Bohnen, Eier, rote Plastikwürste und Speck. Fand ich super! Bei der Abreise wurden wir dann auf dem Flughafen London Gatwick wegen unerlaubtem Waffenbesitz festgenommen. Das ist aber eine andere Geschichte, die Opa Paulsen demnächst mal erzählt.

9. Was darf auf einem Frühstückstisch auf keinen Fall fehlen?

Wenn schon, dann bitte unbedingt ordentlich „Bauarbeitermarmelade“, leckere, frische Zwiebelmettwurst.

10. Was möchtest Du uns noch zum Thema Frühstück sagen?

Schließen möchte ich meine kleine Frühstücks-Erregung mit einem Zitat des Winzers Robert Mondavi.


(Foto:Jock McDonald)

Nach dem Geheimnis seines hohen Alters und seiner jugendfrischen Ausstrahlung befragt, antwortete er, es sei sein Frühstück. Seit Jahrzehnten trinke er morgens einen starken Espresso mit einem kleinen Schwupps Rotwein darin. Vorbildlich.

Frühstücken möchte ich gerne mit:

http://mequito.org/

http://xrays.antville.org/

und Andropovs Onkel, dem immer noch blog-losen Superchecker in Sachen Lecker.