Dem Herrn Paulsen sein Kiosk |
Sonntag, 9. Januar 2005
Herr Paulsens erbauliche Sonntagspredigt. Folge I: Plattenhändler
herr paulsen
14:14h
(Immer Sonntags macht sich Herr Paulsen an dieser Stelle Gedanken über die Unzulänglichkeiten der Welt.) Plattenhändler diese selbstgefälligen Sadisten mit den verschlagen-arroganten Gesichtern, lieben es, ihre Kundschaft zu quälen. Ganz zu recht heißen sie auch schon seit einer Weile nicht mehr Plattenhändler sondern Plattendealer. „Ich geh mal zu meinem Plattendealer“! Was cool klingend, von jungen Menschen mit Taschengeld, eingeführt wurde, ist eine treffliche Demaskierung dieses durch und durch verdorbenen Berufsstandes. Es geht hier nicht um den Cd-Kauf. Hart trifft es den Vinyl-Fan, nur in extrembeschallten Kleinstbutzen mit despotischer Belegschaft bekommt er seinen Stoff. Üblicher sind nämlich folgende Reaktionen: „Kenn ich nich“, läuft immer einher mit dem siegessicheren Blick des musikalisch geschulten Dealers, es ist DEIN schlechter Geschmack, DAS muss ER nicht kennen. Beleidigend war eigentlich schon, ihn beim konzentrierten Preiseauszeichnen mit so einer blöden Frage zu belästigen. Neulich versuchte ich eine Platte zu bestellen, höflich bat ich darum und ein Wunder geschah. „Bestell ich, dauert aber sechs bis acht Wochen.“ Ich war begeistert. Erschöpft von soviel Einsatz für den Kunden, widmete sich der freundlichste aller Plattenverkäufer wieder seinen Tonträgern. Zögernd hakte ich nach, ob er sich nicht Platte und Interpreten notieren wollte. „ Kann ich machen.“ nuschelte er erschöpft, zeichnete die Dax-Kurve auf einen Zettel und warf ihn in eine Tonne, die für mich, also schon, doch, doch, wie ein Papierkorb aussah. In einem anderen Plattenladen suchte ich Unterschlupf für viele, viel Euros die ich zum Erwerb zahlreicher Platten gesammelt hatte und hörte mir ein paar Scheiben an. Gerade als ich Platte Nummer drei wieder zärtlich in ihre Hülle versenkte, verloschen die Lichter des Technics. Fragend sah ich den Betreiber der Geräte an, der sagte knapp: „hab ich ausgeschaltet.“ „Ja wieso den das!“, hakte ich nach, na gut, vielleicht etwas zu empört. „Drei Platten hören, eine kaufen, wieder drei Platten hören, einfache Kiste oder?“ Ich bin zu alt für den Scheiß, ja dünnhäutig bin ich geworden, gegenüber den Herabsetzungen durch schnöselige Plattenhöker um die zwanzig, deren einzige Lebensleistung das perfekte Sortieren von Schallplatten ist und überlege langsam, ob das den sein muß mit diesem Vinyl. Ist doch quatsch, natürlich ist der Sound weicher, aber so doll sind meine Boxen sowieso nicht und das ständige rumdrehen nervt auch ganz schön, im Bett oder auf dem Balkon. Und die schöne Coverart, ja mein Gott, mit den Augen geht’s ja noch ganz gut. Wäre noch das Auflegen. Ein DJ legt auf, nicht ein. Die Plattenspieler ließen wir weiter laufen, links eine Platte mit unbedrucktem White Label, das kommt immer ungeheuer gut. Die Scheibe drehte sich, die Nadel lag aber nicht auf. Rechts lag die Nadel auf einem schönen Ohrenporno aus den Siebzigern „Isabel-Schenkel der Lust“. Da werden „Büsche“ entblößt und an „zarten Knospen“ gesogen, im Hintergrund stöhnte es frenetisch, all das bekamen die Werber nicht mit, sie hörten unserer Cds und fanden es wunderbar. Der Hausherr kam vorbei, wies mit dem Finger auf das altmodische „Schenkel der Lust“-Wichs-Vinyl und bescheinigte uns kennerisch: “Hip-Hop vom Feinsten!“ Also doch CD und den Vinyl-Terroristen ein Schnippchen schlagen? Ich glaube ich mach nen Plattenladen auf.
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