Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Freitag, 21. August 2009
Gelesen: „Ramses Müller“ von Tex Rubinowitz

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"…und auf der Karte dann Labskaus, das darf doch alles nicht wahr sein, weiche Nahrung für weiche Bürger, zuerst in Schweineöl gedünstete Küchenabfälle, die am Ende noch in Gurkenwasser durchgekocht werden, wie viel Chuzpe muss ein Koch haben, dass er diesen deprimierenden Matsch erhobenen Hauptes hier auf die Karte setzt, und nur den. - Dann einmal Labskaus für alle. Bitte."

Nach seinem furiosen Wien-Reiseführer „Das staubige Tier“ endlich ein neues Buch von „Witze-Zeichner“ und Satiriker Tex Rubinowitz, sein Romandebut. Wer den klugen Humor seiner Zeichnungen mag, der hat auch hier wieder viel zu lachen. Atemlos und in rasantem Tempo stolpert der Leser durch eine lange Nacht und einen unappetitlich verkaterten Tag in Berlin Mitte, inklusive Promi-Alarm und Popkultur satt.

Die Herren Stuckrad-Barre, Schlingensief und Haussmann machen dabei sich, einander und den Zaungästen ihrer Spontan-Inszenierungen das Leben schwer. Ein Verwirrspiel um Namen und Biographien, um Schall und Rauch. Im schnellen Fluss des Buches funkeln Sätze und Bilder wie Bernstein, wahr und klar und treffend komisch.

Tex Rubinowitz
Ramses Müller
Roman
200 Seiten
16.95 Euro
August 2009
ISBN:9783821861043

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Freitag, 7. August 2009
Klingendes Wochenende zum Wochenende (54) : Jan Delay "Oh Johnny"

Morgen steigt im Hamburger Neid Club die
Assoto Sounds-Release Party für Jan Delays neues Album "Wir Kinder vom Bahnhof Soul", am 14.08 steht das Album dann offiziell im Laden und es darf eine gewohnt fette Platte erwartet werden, Jan Delay dazu im MOPO Interview:

"…wir wollten den Sound der End-Siebziger perfekt reproduzieren, diesen unglaublichen Groove von Quincy Jones und Johnny Guitar Watson.…ich habe mit meiner Band die heutige Technik mit der von einst verknüpft. In einem Studio sagte man uns, dass seit fünf Jahren niemand mehr alle Tonkanäle benutzt hätte - weil keiner sie mehr braucht…"

Die erste Singleauskopplung "Oh Johnny" kommt im Video als gelungene Blues Brothers Neuverfilmung daher:

http://www.jandelay.de/

Funky Wochenende wünsche ich!

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Donnerstag, 6. August 2009
Jetzt in der Videothek: Guy Richies "Rock´n Rolla"

Aufgepasst Jungs, endlich gibts mal wieder einen schönen Bubenfilm mit flott choregraphierten Schießereien, elegant gefilmter Action, blöden Sprüchen, unfassbar unkaputtbaren Russen, dazu großartige Schauspieler in topform. Und die Geschichte ist auch nicht allzu schwierig zu verstehen!

Ein Held des Films ist auch, und nicht zuletzt, der brillante Soundtrack! ich werde nie wieder The Clash "Banrobber" hören können, ohne an die dazugehörige Szene aus dem Film denken zu können. Die Musik ist hier keine Nummernrevue sonder bereichert und erweitert die bewegten Bilder.

Umgehauen hat mich schon der Titeltrack, Black Strobes "I´m a man". Sollten Wacken-technisch irgendwelche Irritationen bezüglich meiner Liebe zu heftigen Gitarren enstanden sein, Herrschaften so schön können heftige Gitarren klingen:

Gut das Video ist jetzt so mittel, aber Sie sollen sich ja auch den Film ansehen. Der übrigens auch die beste Sexszene enthält die ich je in einem Film gesehen habe:

Bubenabend!

Der Film:
http://rocknrolla.warnerbros.com/

Black Strobe
http://www.myspace.com/blackstrobe

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Montag, 3. August 2009
Wacken 2009-überlebt!

Hui. Das war dann doch wesentlich schlimmer als ich dachte. Ich dachte: ich höre ja nicht immer nur Reggae, ich mag heftige Gitarren, liebe den Punk, in den Neunziger hörte viel Hardcore und Grunge, ich mag Metallica, ich verehre Motörhead. Nichts davon konnte mich auf das vorbereiten, was mich in Wacken erwartete.

Metal, so musste ich auf den matschschwarzen Wiesen von Wacken erfahren, bedeutet, grob vereinfacht, die völlige Abwesenheit von Melodie und Songstruktur zugunsten sich ständig wiederholender Zwei-Drei-Tonfolgen in ohrenzerstäubender Lautstärke. Das wird dann auf den gigantischen Bühnen wahlweise von jungen Menschen dargeboten, die über fliehende Drumloops und flirrende Gitarrenläufe unverständlich gutturales Gebrüll von sich geben. In der etwas melodischeren Variante singen in die Jahre gekommene Herren arienhaft mit entrückter Falsettstimme von der drohenden Apokalypse. Es liegt mir fern, mich über irgendeinen Musikstil zu erheben, ich liebe Musik, aber nach zwei Tagen Metal-Dauerbeschallung aus gigantischem Boxentürmen geriet ich tatsächlich erstmals an den äußersten Rand meiner Toleranzgrenze.

Mein (vorübergehendes) Ungemach mag auch dem schmierig-tiefschwarzen Matsch geschuldet sein, der trotz sonnigstem Wetter das gesamte Gelände mit einem beißend sauren Geruch überzog. Mein Begleiter, ein Tiefbau-Ingenieur, erklärte mir auch was genau da so riecht: das Festivalgelände liegt in einer Senke, deren lehmiger Boden Wasser nur schlecht bis gar nicht aufnimmt. Darum matscht es hier, auch ohne viel Regen, bereits durch die Taunässe der Nacht. In und um Wacken wird zudem Landwirtschaft betrieben, da wird auch gedüngt, auch mit Jauche. Wenn dann 75.000 Menschen einmal über die Wiese laufen, ist die Wiese wie gepflügt und die ungebundene Gülle (Kuhscheisse) mischt sich mit dem Schlamm der dadurch zum Himmel stinkt. Warum die Veranstalter nicht zumindest vor den Ess-Ständen mit kostengünstigen und leicht transportablen Holzchips für Abhilfe sorgten, entzog sich der Kenntnis meines klugen Begleiters. Über Musikgeschmäcker lässt sich streiten, der Boden aber war, besonders vor den Ess-Ständen, hygienisch mehr als bedenklich und olfaktorisch auf dem gesamten Gelände eine Zumutung.


Freundliche Krankenschwestern werden umsichtig weitergereicht um den rettenden Schweinegrippe-Impfstoff auch in die vorderen Reihen zu bringen.

Trotz der ungünstigen Verhältnisse gelang uns dann doch eine anständige Party, schließlich schien die Sonne und es gab Bier, das ist ja oft die halbe Miete. Und es fanden sich unter den 80 Konzerten einzelne Perlen, die auch mein Herz erfreuten. Freitagabend spielte der große Ian „Lemmy“ Kilmister mit Motörhead zum Tanz auf. Diesem Mann bringe ich größten Respekt entgegen, für seine Arbeit, seine Songs, fürs Überleben. Mit großer Würde und ungebrochener Energie brachten die Herren ein Live-Konzert der Sonderklasse.

Und Motörhead erinnern in ihrer, smart gespielten, brachialen Rohheit, immer wieder an die Wurzeln, hier und da ist der Blues zu hören, der gute alte Rock´n Roll spielt ein Riff. Lemmy röhrt inbrünstig, Phil Campell kniddelt ein wunderbar verschnörkeltes old school-Gitarrensolo dahin und Mikkey Dee beweist im Drumsolo erneut, dass er zu den besten Schlagzeugern der Welt gehört. Verbeugung!

Den Samstag verbrachten wir zunächst mit einem ausgedehnten Spaziergang durch eine fremde Welt. Die Welt der Metalheads ist ein bisschen wie ein unaufgeräumtes Teenagerzimmer: Phantasie-Comics, Ritterschwerter und Drachen, Piratenflaggen, Nietengürtel und die nordische Sagenwelt fliegen durch den Raum. Für die Größeren gibt’s Lack, Leder und Latex und für die ganze Familie einen Mittelaltermarkt. Auch hier gibt es für den unbeschlagenen Festivalbesucher viel zu staunen. Rollenspiel-Freunde hauen sich, als Ritter verkleidet, mit Schmackes riesige Schwerter um die Ohren, dazwischen hüpfen halbnackte, grün geschminkte Elfen mit Spitzohren durch historische Nachbauten. Allerlein Tand ist zu erwerben, eine Dame empfahl mir ein keltisches Zeichen als Halsschmuck, es sei, so die Verkäuferin „älter wie der Christentum“. Auch konnte man sich für kleines Geld foltern lassen. Glauben Sie nicht? Bitte, ich habe Sie gewarnt:

Der frühe Abend lockte dann wieder mit einem Bandnamen den ich zumindest schon mal gehört hatte. Zunächst galt es aber das Konzert einer Deutschen Band namens Heaven Shall Burn zu überstehen. Heftig! Supersympathische Jungs mit ordentlichen Frisuren in gebügelten roten Kraftwerk-Hemden. Bis die zu spielen anfangen. Das Publikum zeigte sich euphorisch, wie gesagt, ich hab keine Ahnung.

Zum nächsten Konzert bin ich eigentlich bloß wegen des lustigen Namens gegangen: Axel Rudi Pell. Ich habe gelernt: Axel Rudi Pell ist ein vom Publikum leidenschaftlich verehrter deutscher Metal-Gitarrist dessen gleichnamige Band musikalisch irgendwo zwischen Bon Jovi und Iron Maiden liegt, mit Hang zum ganz großen, hymnischen Stadionrock. Nach zwei Tagen Death- und Speedmetal geradezu wohltuend.

Dann kam die Band deren Namen ich schon mal gehört habe: In Extremo. Die waren wohl mal beim Stefan Raab Songcontest und spielen, beinahe in Fußballmannschaftsstärke, irgendwas zwischen Tote Hosen und Rammstein, angereichert mit mittelalterlichen Musikinstrumenten (Sackpfeife, Schalmei, Laute) und Texten von toten Dichtern wie Goethe und Uhland. Klingt schrecklich? Mitnichten! Sehr sympathische Band, dicke Sounds, ordentlich Gehopse, das ging mächtig nach vorn und hat viel Spaß gemacht, wunderbar!

Bevor der Abend dann für uns mit einem Konzert der Altmeister von Saxon ausklang, zu dem ich mich jetzt mal nicht äußern möchte, gabs auf der Beergardenstage noch mal ordentlich auf die Mütze von uns aller Mambo Kurt!

Der gab wieder die schönsten Hits von Depeche Mode bis Metallica auf der Heimorgel zum Besten, unterstützt von reizenden Tanzdamen, stürmisch gefeiert von zweihundert Metalheads. Metaler sind übrigens, extrem freundliche, friedliche und zugängliche Menschen, ausgerechnet bei Mambo Kurt drohte kurz Ungemach, als ein sehr junger Ordner tatkräftig versuchte das Crowdsurfing zu unterbinden. Unschönen Drohgebärden folgte dann aber doch schnell Schulterklopfen und Handschlag.

Insgesamt ein eindrückliches Erlebnis, ich bin froh, dass ich da war. Wer den Wacken-Film „Full Metal Village“ der koreanischen Regisseurin Cho Sung-hyung gesehen hat und mit diesen Bildern im Kopf anreist, wird eventuell enttäuscht sein. Der zwischen 2005-2006 entstandene Film zeichnete auf rührende Weise ein Bild des Miteinanders von Metalheads und Dorfbewohnern, erzählte wunderbar klug und mit leiser Komik die Geschichten einzelner Bürger. Hier ein Trailer:

Nach wie vor ist das Miteinander von großer Toleranz geprägt, tatsächlich steht ein ganzes Dorf Kopf und mit ungezählten Verkaufsständen bereit um wenigsten ein bisschen Geld mit zu verdienen, an Schlaf ist nicht zu denken. Dass aber jene Bürger das Festival aus dem Dorf heraus organisieren, und (wie im Film gezeigt) am Sonntag mit Mülltüten bewaffnet gemeinsam die Wiesen säubern, darf mittlerweile als rührender Kitsch betrachtet werden. W:O:A ist hartes Business, eine international operierendes Großunternehmen mit Gewinnabsicht und inzwischen vier Festivalveranstaltungen in ganz Deutschland. Nächstes Jahr wird es das erste „Wacken“ in Sao Paulo, Brasilien geben.

Links:

http://www.wacken.com/
http://www.imotorhead.com/
http://www.heavenshallburn.com
http://www.axel-rudi-pell.de/
http://www.inextremo.de/home.php
http://www.mambo-kurt.de/
http://www.zorrofilm.de/de/profile.php?id=197

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Freitag, 31. Juli 2009
Ich sag ja immer, wer solche Freunde hat der braucht…na, Sie wissen schon…

…jedenfalls hab ich diesen musikalischen Wochenendausflug zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ich hör ja gerne Reggae, wie Sie wissen. Das spielen die da eher nicht. Ich kenne ungefähr 4,5 der über 80 Bands die da spielen. Die anderen 75.000 Buben auf dem Festival kennen alle Bands, sind textsicher und tätowiert.

Wenigstens soll ja dort auf Anraten des Kieler Gesundheitsministeriums auf „Begrüßungen mit Umarmungen, Wangenküssen und Handschlag“ verzichtet werden. Wegen der Schweinegrippe. Als wäre das meine größte Sorge. Ich hab da sowas von einer "Wall of Death" gehört.

Ich weiß auch garnicht was ich anziehen soll. Ich besitze genau ein Motöhead-T-Shirt. Das werde ich dann wohl in den nächsten zwei Tagen brauchen. Ist übrigens seit Monaten ausvekauft, das Festival. Aber ich hab ja von meinen “Freunden“…

…beten Sie für mich.

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Donnerstag, 30. Juli 2009
Abschied von Schöngeist

Das Berliner Schöngeist-Magazin für kunst_leben_denken verabschiedet sich mit der jetzt vorliegenden Ausgabe Der Künstler vom Zeitschriftenmarkt. Fünf Jahre und 21 Ausgaben vereinte die kleine Redaktion um Tanja Porstmann und Nico Taubner Beiträge aus Kunst, Literatur und Dichtung, von zahlreichen Gastautoren und Beiträgern.

Ich bin der Schöngeist Redaktion zu großem Dank verpflichtet, sie waren die ersten die mir einen Auftrag für eine eigene Kolumne gaben, drei Jahre erschienen in der Rubrik Verführungstrunk meine kulinarischen Texte und ich danke für das Vertrauen. Auch mein Engagement endet mit dem Beitrag „Doch noch, Sommer, ihr kennt doch Mitschnacker Kinder, ein staubiges Tier und die Sorgen des Joseph Beuys möchte ich gern mal haben“.

Jetzt, letztmals im Bahnhofsbuchhandel, oder online bestellbar via:

http://www.apodion.de/zeitung.htm

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Donnerstag, 23. Juli 2009
Empire St. Pauli - von Perlenketten und Platzverweisen

Ein Dokumentarfilm von Irene Bude und Olaf Sobczak | Produktion Steffen Jörg, GWA St. Pauli | Mini-DV, 2009, 85 Min.

"Die Leute raus - Mieten hoch - Bumm - ganz normal Kapitalismus oder wie sagt man"

Hamburgs berühmtester Stadtteil St. Pauli war lange auch der ärmste. Mittlerweile leben und arbeiten hier jedoch immer mehr Gut- und Bestverdienende. Die sozialen Gegensätze verschärfen sich. Der Film zeigt, dass St. Pauli nicht nur als Ausgeh- und Amüsierviertel, sondern vor allem als Wohn- und auch Wirtschaftsstandort attraktiv geworden ist. Altbauten verschwinden oder werden aufwändig saniert, das Mietniveau steigt rasant, Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Wer sich wehrt oder nicht mehr in das neue Bild passt wird des Ortes verwiesen - direkt oder indirekt. Das ist Gentrifizierung.

"Alles was scheiße ist, passiert hier", sagt Rocko Schamoni im Film und meint damit wahrscheinlich nicht nur Großevents wie Schlagermove und Hafengeburtstag. Hamburg findet an dieser Stelle der "Perlenkette" an der Elbe, auf dem Kiez und am Hafen, ihre wichtigste touristische Vermarktungsstätte. Wie gnadenlos aus finanziellen Interessen in den letzten Jahren baulich und mietrechtlich im Kiez gewütet wurde macht schon fassungslos und geht weit über das hinaus, was ich als behutsame Stadterneuerung bezeichnen würde.

Im Dokumentarfilm von von Irene Bude und Olaf Sobczak kommen alle zu Wort: die alteingesessenen Kiezbewohner, die Spekulanten, die neuen Mieter. Aus den O-Tönen entsteht ein klares Bild der jetzigen Situation auf St.Pauli, auch die jüngere Geschichte des Stadtteils und der Hafenstrasse wird erzählt.

Mir hat der Film auch vor Augen geführt, wie unpolitisch und desinteressiert ich mit den Jahren geworden bin, viele der gezeigten Entwicklungen habe ich in ihrer ganzen Konsequenz gar nicht erfasst, nicht bemerkt, falsch eingeordnet. Damit bin ich glaube ich, nicht allein, der Film ist bestens geeignet, mal wieder ein Bewusstsein für seine Stadt und die Stadtentwicklungspolitik zu bekommen, gerade weil im Moment im Schanzenviertel genau das passiert, was im Film geschildert und auf St. Pauli bereits Wirklichkeit ist.

Der Film kann online für 10 Euro Schutzgebühr online bestellt werden. Hier ein paar Auszüge:

Links zum Film:

http://www.empire-stpauli.de/
http://www.gwa-stpauli.de/
http://www.esregnetkaviar.de/

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