Dem Herrn Paulsen sein Kiosk
Donnerstag, 12. Januar 2006
Ein Jahr Kiosk

(Paulsen tritt ans Mikrophon)

Krrch,fiieepp. Tonktonk.

Paulsen: „Ähm, räusper, können Sie mich hören?“

Publikum: „Mhm.“

Stimme aus dem Publikum: „ Boah, jetzt hält er wieder Volksreden!“
(Publikum kichert)

Paulsen: „Ich will mich kurz fassen...“
(Publikum bricht in dröhnendes Gelächter aus)

Paulsen: „ 2004 war Don Dahlmann mein persönlicher Weihnachtsmann. Ich schrieb ihm damals eine Mail, ich hätte so gerne ein Blog zu Weihnachten. Bei Antville!"

Publikum: „hört, hört!“

Paulsen: „Erfolg versprechend schien mein Wunsch nicht, ein Antville-Blog ist ja nur durch Erbschaft zu bekommen. Aber Don, ein Mann der Tat mit großem Herz, wusste da wen und das war Frau Kasi. Der Kontakt war schnell hergestellt und ich schickte Frau Kasi als Bewerbung eine umfangreiche Auswahl von Texte, ich dachte das gehört sich so. Frau Kasi überließ mir gütig das Blog, nicht ohne mich darauf hinzuweisen, dass es Schwierigkeiten geben könnte, denn das Blog der Vorbesitzerin Frau Schubiak erfreue sich großer Beliebtheit und einer treuen Fangemeinde. Sie hatte nicht übertrieben. Am 05.01.2005 veröffentlichte ich meinen ersten Beitrag in dem ich mich kurz vorstellte. Nie wieder hatte ich auf irgendeinen Beitrag mehr Comments. „Gehen Sie weg!“, lautete der erste Eintrag, es folgten wüstere Beschimpfungen und Entgleisungen der unterirdischsten Art, dann schalteten sich die ersten differenzierter Denkenden ein und ich verfolgte gebannt eine Diskussion die ich nicht verstand. Am nächsten Morgen machte ich einfach weiter, die Wogen glätteten sich, ich löschte diesen ersten Tag in Blog und Herz und legte los. Trotz dieser ersten Erfahrung, ist es genau das was ich heute an Blogs so schätze: der respektvolle Umgang untereinander, die Achtung des privaten Raumes in einem sehr öffentlichen Medium. Anders als in Foren, ist hier niemand gezwungen alles und jeden zu lesen. Das nimmt der Sache ihre Schärfe, selektives Lesen ist doch eine wunderbare Angelegenheit. Der Kiosk wird mittlerweile von einer kleinen, überschaubaren Leserschaft regelmäßig gelesen, das freut mich unheimlich, dass sich da Menschen Zeit nehmen, lesen, kommentieren, loben, kritisieren, gerade weil ich doch eigentlich immer zu lange Texte schreibe und zu allem Übel auch noch sehr unregelmäßig.
Ich selbst habe in nur einem Jahr meinen Horizont enorm erweitert, viel entdeckt, gelacht, gestaunt und mit Vergnügen in die Leben anderer Menschen hinein gelesen. Ich habe in der Echtwelt spannende Menschen kennen gelernt und egal ob es um ein fröhliches Besäufnis, ein gutes Essen oder eine Lesung ging, Blogger sind immer ein Gewinn!“

Publikum: „Langweilig!“

Paulsen: „Zum Schluss möchte ich Ihnen allen zurufen...“

Publikum: „Aufhören, aufhören!“

Paulsen: „ Ich..äh..also..na dann.... Champagner für alle!“

Stimme aus dem Publikum: „Ha! Das ist ja gar kein echter Champagner, der ist ja virtuell!“

Unruhe, Stühle rücken, das Publikum verlässt unter Buh-Rufen und Protest den Kiosk.
Paulsen winkt den Aufgebrachten gerührt nach, flüstert: „Kommen Sie wieder!“ und bläst die erste Kerze aus.